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Social Media Weekly: Die Edathy-Affäre - Highway to Hell

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Die "Edathy-Affäre" hat es in sich: Ein ehemaliges Bundestagsmitglied im Grenzbereich zur Kinderpornografie, der aus gesundheitlichen Gründen zurücktritt - ein ehemaliger Bundesinnenminister (CSU), der den Parteivorsitzenden der SPD über die Vorwürfe informiert und ebenfalls sein Amt abgibt. Viel politischer Sprengstoff, der sowohl Politiker als auch Bürger im Social Web beschäftigt.

Mehr als 40.000 Kurznachrichten haben die Twitterer in dieser Woche allein einem Thema gewidmet: der Edathy-Affäre. Sie schlich sich langsam heran, um dann umso heftiger loszubrechen. Sebastian Edathy (SPD) hatte am 8. Februar nach 15 Jahren sein Bundestagsmandat aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt, wie es hieß. Zwei Tage später durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft Wohnungen und Büros des Politikers. Der Grund: Verdacht auf Kinderpornografie. Später teilte die Staatsanwaltschaft dann mit, Sebastian Edathy habe nach ihren Erkenntnissen im Internet Material bestellt, das im Grenzbereich zu dem sei, was die Justiz unter Kinderpornografie verstehe. Am 13. Februar räumte die SPD-Spitze ein, dass sie bereits seit Oktober vergangenen Jahres von den Ermittlungen gegen den Politiker wusste - und auf Twitter begann der Sturm.

Wachsende (Ex-)Politiker-Polonaise

Der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel schon seinerzeit über die Vorwürfe gegen Edathy informiert. Am 14. Februar 2014 trat Friedrich, der wegen möglichen Geheimnisverrats unter Druck stand, vom Amt des Bundeslandwirtschaftsministers zurück. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann hatte die Vorgehensweise von Friedrich öffentlich gemacht, weshalb auch er nun unter Beschuss steht. Das auf "Focus Online" zusammengefasste Medienecho "Oppermanns Rücktritt ist überfällig" ist denn auch vergleichsweise häufig (24 Mal) getwittert worden.

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Fast alle Tweets zur Edathy-Affäre sind im negativen Ton formuliert, wobei diese Kommentatoren ihre Kurznachrichten zu mehr als der Hälfte (58 Prozent) in einem hämischen und ironischen Ton geschrieben haben. Die Stimmung am besten getroffen hat der "Polonaise-Tweet" der Satiresendung des NDR Fernsehens "extra3": "Update: Mittlerweile steht #Gabriel, hinter dem bekanntlich #Merkel steht, hinter #Oppermann. Bald haben wir eine anständige Polonaise." Er ist 267 Mal und damit am häufigsten weitergesendet worden. Aber auch das Satire-Magazin "Der Postillion" konnte mit seinem Tweet "CSU gehen allmählich inkompetente Kandidaten für Ministerposten aus" 93 Retweets verbuchen. Hochsaison für Satiriker.




Aber auch Privatpersonen erreichten mit Tweets wie "Besitz von Kinderpornos? Halb so schlimm. Geheimnisverrat eines Ministers? Halb so schlimm. Schlampige Doktorarbeit? Sofort aufhängen." immerhin 85 Retweets. Häme und Ironie setzten die Tweet-Schreiber am häufigsten ein, um sich Luft zu machen über ihren Ärger, aber sie kritisierten auch oft die Inkompetenz der Politiker und lehnten deren Vorgehensweise mit Blick auf die Affäre ab.

Grüne holt Vergangenheit ein

Wen wundert's, nicht nur Satiriker, sondern auch Politiker ließen sich die Gelegenheit zum Tweet nicht entgehen. Dabei sind sie zuweilen auch an ihre eigene Vergangenheit erinnert worden. Allen voran die Politiker des Bündnis 90/Die Grünen. Bundestagsmitglied Jürgen Trittin ließ die Twitter-Community wissen: "Die Rache ist weißblau. Das wird die #CSU nicht vergessen, dass einer von ihnen wegen der Redseligkeit der #SPD gehen musste." Prompt twitterte eine Privatperson zurück: "@JTrittin @Patrick_Kunkel Und beim Thema 'Kinderpornographie' wäre ich als Grüner dann doch eher kleinlaut.". Die Partei sah sich im vergangenen Jahr während des Bundestagswahlkampfs mit dem Thema Pädophilie konfrontiert. In den Anfangsjahren hatten die Grünen über den Umgang mit Mitgliedern der Pädophilenbewegung öffentlich diskutiert.




Ebenso erging es Renate Künast, Mitglied der Bundestagsfraktion des Bündnis 90/Die Grünen. Dominik Rzepka, Redakteur im ZDF-Hauptstadtstudio, hatte über Twitter die Nachricht versendet: "Merkel: 'Ich habe Friedrichs Rücktrittsgesuch mit großem Bedauern angenommen'". Die Politikerin twitterte zurück: "@dominikrzepka Sie bedauert es? Und kein Wort zur Gefahr, dass Ermittlungen wegen Kinderpornografie vereitelt werden? Gefühllos!! #Merkel". Daraufhin antwortete ihr ein im Social Web recht aktiver Unternehmensberater aus München und CSU-Mitglied: "Liebe @renatekuenast solange Sie einen Kinderschänder wie Cohn-Bendit ins Parlament schicken, sollten Sie dazu schweigen @dominikrzepka".

Nur jeder Zehnte thematisierte die Kinder

Der ZDF-Redakteur twitterte auch eine Nachricht, die ein zutreffendes Licht auf die bisherige Diskussion der Edathy-Affäre wirft: "Kinderpornografie: Es ist zu viel über Edathy und zu wenig über die Kinder geredet worden, kritisiert Kinderschutzbund ...". Die politische Nachrichtenlage und die Konsequenzen der Edathy-Affäre stehen zumindest bislang noch im Fokus der Kommunikation auf Twitter. Etwa 84 Prozent der Kurznachrichten drehen sich um die politischen Aspekte des Themas, während nur knapp 17 Prozent der Schreiber die Kinder in den Mittelpunkt stellen, wie die Analyse mit unserem Social Intelligence-Tool Attensity Analyze offenlegt.

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51 Retweets erreichte zumindest diese Äußerung einer Privatperson "Schlimm ist, dass alle über Edathy, Oppermann und die verletzten Gefühle der CSU diskutieren, aber keiner über die Opfer: die Kinder." Interessanterweise äußern sich bei den Themen rund um Pädophilie, die Folgen für Kinder und mögliche Maßnahmen vom Gesetzgeber zu 44 Prozent Frauen, während es bei den politischen Aspekten der Edathy-Affäre nur 32 Prozent sind.

Die Analyse der Tweets zeigt allerdings auch, dass sich Twitterer unsicher sind, wo genau die gesetzliche Grenze zur Kinderpornografie verläuft. Die Staatsanwaltschaft selber hatte mitgeteilt, dass Sebastian Edathy Material im "Grenzbereich zu dem, was Justiz unter Kinderpornografie versteht" erworben habe. Das Bundeskriminalamt soll nach einer ersten Auswertung des sichergestellten Materials nichts als eindeutig kinderpornografisch eingestuft haben. Da prallen moralisches Empfinden und juristische Fakten aufeinander. Kinder besser vor Pädophilie zu schützen, forderten in der Twitterer-Gruppe mit Fokus auf die Kinder immerhin gut ein Drittel (34,9 Prozent). Höchste Zeit also, dass sich auch das Bundesministerium der Justiz zu Wort meldet. Heiko Maas vom BMJV twitterte: "Strafgesetzgebung überdenken, um Kinder besser zu schützen. Statement zum Thema der Woche...". Allerdings blieb auch er von der Häme nicht verschont: "@HeikoMass @vorwaerts ROFL und schon springt der Justizminister, ohne Ahnung von der Materie, populistisch übers Stöckchen...#Kipo", erhielt er sogleich als Antwort.

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