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Gespräch mit Ralf Bönt über Prostitution, Feminismus und die Rolle der Väter

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Auf Ihren Artikel in der FAZ Der Feminismus hat sich verirrt gab es ja sehr viele Reaktionen ...

Ja, da gab es wirklich viele Reaktionen, vor allem positive. Es gab natürlich auch Menschen die das nicht verstanden haben, weil die Argumentation vielleicht quer liegt zu den eingeübten Gedanken.

Wir haben im Moment ja die Debatte um die Prostitution und da wird auch nicht darüber nachgedacht, wieso Männer 15 Milliarden Euro im Jahr für die Illusion ausgeben, gemocht zu werden. Es ist mir vollkommen schleierhaft, wie man so viel Geld ausgeben kann für etwas, das nie das ist, was es vorgibt zu sein.

Aber bei aller Offenheit, mit der das Thema gerade diskutiert wird, wird überhaupt nicht gefragt, was mit diesen Männern los ist. Es scheint ein ausgesprochen schräger Gedanke zu sein, obwohl er noch vor 200 Jahren vollkommen gängig war. Da hat man die Schuld an dem Gewerbe nicht allein bei den Männern gesehen, sondern auch bei Frauen, die da einen Mangel auf der männlichen Seite nutzen, um schnelles Geld zu verdienen. Wobei ich nichts dagegen habe, dass die das tun, ich finde nicht, dass man das verbieten müsste, um Menschenhandel zu unterbinden. Im Gegenteil.

Der Gedanke, dass Männer zu einer Prostituierten gehen, um sich gemocht zu fühlen, der erscheint mir auch etwas abwegig.

Das ist aber bei den meisten so. Warum sollen sie sonst hingehen? Um Macht auszuüben?

Ich denke, wegen der einfachen sexuellen Befriedigung. Was ich auch in Ordnung finde, wenn die Frauen das freiwillig machen.


Sexueller Kontakt hat immer auch etwas mit Bestätigung und Verschmelzung und Aufgefangensein zu tun, und dass das beim Mann immer so seelenlos gedacht wird, halte ich für einen großen Fehler.

Ich denke ehrlicherweise auch eher, dass wir Frauen diejenigen sind, die in der Sexualität auch immer etwas darüber hinaus brauchen um es schön zu finden, während die Männer Sex auch nur auf einer rein körperlichen Ebene haben können, zumindest wenn sie nicht verliebt sind.

Das liegt daran, dass so darüber geredet wird und der Mann als männlich gilt, wenn er auch so darüber redet, und dann tut er es auch, denn er möchte und muss ja Mann sein. Aber ich habe viel mit Freunden über den Moment danach gesprochen und festgestellt, dass es ihnen genauso geht wie mir, dass der Moment danach und auch die viertel- und die halbe Stunde danach sehr wichtig ist.

Gerade bei einer Prostituierten gibt es diese Viertelstunde danach nicht, oder?

Vermutlich nicht, ich kenn mich da nicht aus. Wahrscheinlich ist es eine Geldfrage. Ich habe mit Männern auch über die Gründe nicht ins Bordell zu gehen gesprochen und die Angst vor diesem Moment danach ist ein wichtiger Punkt, denn dann zeigt sich, wie man dort als Mensch behandelt wird. Sie empfinden es als unzumutbare Abwertung, sich Zuneigung irgendwo zu kaufen.

Ich stelle mir das Danach sehr ernüchternd vor.

Bei Paul Nizon heißt es „Nur nicht mit der Eisblume im Herzen zurückbleiben".

Ich finde viele Thesen, die Sie formulieren, interessant, auch wenn ich in manchen Punkten nicht derselben Meinung bin, aber es gefällt mir, mal völlig neue Gedanken und Sichtweisen zu lesen.

Ich glaube, wir haben uns angewöhnt, sehr eindimensional über Männer zu reden. Die Freiheit, von der Simone de Bouvier sprach, die der Mann erringt, indem er über sich hinausgeht und da draußen etwas bedeutet, die kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe immer vermieden, Positionen zu übernehmen. Mit wurden im Lauf meines Lebens immer wieder irgendwelche Posten angetragen und ich dachte immer, um Gottes Willen, ich will mich nicht versklaven. Ich kann das nicht erkennen, dass man dadurch eine Freiheit erreicht, die erstrebenswert ist.

Und dieser Machtdiskurs, der völlig zu Recht von den Feministinnen angefangen wurde, der wird aber sehr einseitig geführt, denn über die wichtigste Ressource, nämlich die Nachkommenschaft, verfügen die Frauen. Leibliche Vaterschaft hat in unserer Gesellschaft bis heute gar kein Konzept.

Das empfinde ich auch als sehr ungerecht. Als ich Mutter wurde, war ich ganz erstaunt, dass ich automatisch das ganze Sorgerecht hatte, weil ich mit dem Vater des Kindes nicht verheiratet war. Wir mussten dann erst zu einem Amt und wurden belehrt und dann erst konnte ich ihm seine Hälfte des Sorgerechts überschreiben.

War das bei der Belehrung auch so, dass Sie gefragt wurden, ob Sie sich das auch gut überlegt haben? Wenn Sie jetzt unterschreiben, können Sie das nicht mehr rückgängig machen.

Ich erinnere mich nicht mehr genau, aber ich habe die Situation als ausgewogen empfunden. War es bei Ihnen so?

Ja, und mir haben sehr viele Männer bestätigt, dass es bei ihnen auch so war. Und wenn dann später Trennungen kamen und die Väter das Sorgerecht nicht hatten, lag ihr Leben ab da in den Händen der Frau, weil sie darüber bestimmen konnte, ob er das Kind sieht. Es gab da ganz furchtbare Geschichten, zum Beispiel, dass eine Mutter aus Hamburg nach Freiburg zog. Nach einem halben Jahr suchte sich der Vater eine Arbeit in Freiburg, um sein Kind öfter sehen zu können und wurde dann wegen Stalking angezeigt. Daraufhin wurde ihm das Umgangsrecht entzogen.

Die kleinen Änderungen der Sorgerechtsregelung, die vorgenommen wurden, sind so geringfügig und im Einzelfall gar nicht durchsetzbar, dass sie gar nichts bringen. Es muss gleichberechtigte Elternschaft geben.

Aber Sie sind gegen die Frauenquote im Berufsleben ...

Die Quote wäre vor 15 Jahren gut begründet gewesen, aber mittlerweile haben wir eine Wiederbesetzungsquote von fast 50 Prozent Frauen, deswegen würde eine Quote alle Frauen, die sich was erstritten haben, rückwirkend zur Quotenfrau machen.

Im Zeitungsbetrieb ist es im Moment als Mann quasi unmöglich in eine leitende Position zu kommen. Wenn hohe Positionen vakant sind, werden die mit Frauen besetzt.

Aber wenn Quote, dann überall, auch in der Familien- und Gesundheitspolitik, weil da werden Ressourcen verteilt, die mir viel wichtiger sind.

Sie haben auch geschrieben, dass Männer aus Erziehungsberufen verdrängt werden. Aber Männer wählen ja freiwillig keine Erziehungsberufe, weil sie wenig anerkannt und schlecht bezahlt sind.

Das liegt daran, dass an den Männern immer noch der Alleinverdieneranspruch klebt. Ein junger Mann, der später eine Familie gründen will, kann nicht Kindergärtner werden, weil die Erwartungshaltung an Männer ist, eine Familie auch alleine ernähren zu können.

Außerdem wählen Frauen zum Großteil klassische Frauenberufe und da immer mehr Frauen arbeiten, werden die Männer aus den Erziehungsberufen hinausgedrängt.

Deswegen fordern Sie eine Männerquote für Erziehungsberufe.

Ja, denn im Moment bekommen die Jungs keine Identifikationsangebote, wie wir sie eigentlich in einer gleichberechtigten Gesellschaft haben wollen. Damit sie lernen, dass auch Männer Zuwendung geben und trösten können und darin auch Vorbilder für sich finden können.

Der Schriftsteller Leon de Winter hat kürzlich kritisiert, dass unsere Gesellschaft entmännlicht wird. Er hat ebenfalls gefordert, dass es mehr Männer in Erziehungsberufen geben soll, aber er hat es damit begründet, dass Jungs gerade für ihre männlichen Seiten Vorbilder brauchen. Dass Aggressivität und auch Gewaltbereitschaft nicht unterdrückt werden dürfen, sondern in konstruktive Kanäle geleitet werden sollen.

Matthias Stiehler von der Stiftung Männergesundheit hat ein Buch über Vaterlosigkeit geschrieben und damit auf dasselbe Problem hingewiesen. Auch Bettina Röhl hat mehrfach darüber geschrieben.

Ich habe mal scherzhaft gesagt: Wer hat Angst vorm Testosteron? Denn es ist ja der Inbegriff des Dunklen, des Bösen in unserer Gesellschaft. Aber ohne Testosteron säßen wir immer noch in Höhlen und hätten Angst vor den großen Tieren und kleinen Mikroben. Also Testosteron ist grundsätzlich erstmal was Gutes für die Erhaltung der Art und dass man die Kanäle offen halten muss, in denen das genutzt wird, da stimme ich dann sogar Leon de Winter zu.

Wenn ich alles zusammenfasse, was Sie sagen, dann heißt das, man muss an vielen Schrauben gleichzeitig drehen, weil alles miteinander zusammenhängt.


Man muss an mehreren Schrauben drehen. Dass Frauen männliche Seiten zugestanden werden, aber auch Männern weibliche. Jeder hat beide Seiten in sich. Selbstverständlich muss man Männern auch weiterhin Männlichkeit zugestehen, sonst wären wir ja restlos albern.

Ich finde, dass die Verschiedenheit der Geschlechter, jenseits der Klischees, etwas sehr Schönes ist.

Ijoma Mangold hat mal in der Zeit einen Text darüber geschrieben, dass es im Moment so ist, dass man Sexualität nur noch unter Gleichberechtigten auf Augenhöhe denken möchte. Aber Sexualität ist etwas, bei dem sich Pole verbinden. Im Grunde genommen geht es darum, dass zwei Ungleiche zusammenkommen. Das sollte man öfter beherzigen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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