Auf "Spiegel Online" war am 29. Dezember 2013 unter dem Titel "Psychotherapie: Sport für die Seele" folgender Vorspann zu lesen: "Sport hält gesund - nicht nur körperlich: Immer mehr Studien zeigen, dass regelmäßige Bewegung auch bei seelischen Problemen hilft. Bei manchen psychischen Krankheiten ist Sport sogar ähnlich wirksam wie eine Psychotherapie oder Medikamente."
Ob eine Psychotherapie oder Medikamente wirklich wirksam sind, sei einmal dahin gestellt, doch dass Bewegung gut tut, weiß so recht eigentlich jeder. Wer braucht da Forscher und Studien, die das belegen? Nun ja, die Forscher müssen halt auch zu tun haben.
Tausend Jahre Dunkelheit, dann ein paar Jahre Erdendasein, dann wieder tausend Jahre Dunkelheit. So oder ähnlich habe ich das einmal bei Nabokov gelesen. Um dieses Erdendasein zu ertragen, muss der Mensch tätig werden. Und so schafft er sich Arbeit. Zum Beispiel die Bürokratie, die der englische Anthropologe Nigel Barley einmal treffend als "an end in itself" charakterisierte.
An Erfindungsreichtum mangelt es den Menschen wahrlich nicht: So können sich jetzt Dolmetscher zum interkulturellen Dolmetscher qualifizieren lassen, obwohl es Dolmetscher, die nicht interkulturell unterwegs sind, gar nicht geben kann. Auch gibt es Spezialisten für Burn-out, obgleich nicht sicher ist, ob es diese Krankheit überhaupt gibt. Man kann auch ein Diplom in Ethik erlangen und so sein Auskommen finden: Vor einigen Wochen wurde im Schweizer Fernsehen eine Ethikerin mit Spezialgebiet Zwangsernährung gefragt, ob ein jugendlicher Gewalttäter, der in den Hungerstreik tritt, zwangsernährt werden solle. Nein, meinte sie, die Verantwortung für seinen Hungerstreik trage der Jugendliche. Brauchen wir wirklich Spezialisten, die uns das sagen?
Die Aufteilung der Welt in immer neue Disziplinen wird meist als Fortschritt gewertet, denn schließlich muss man der zunehmenden Komplexität Herr werden und je mehr man differenziert, desto eher scheint das zu gelingen. Nun mag Spezialistentum in gewissen Bereichen sinnvoll sein, im Bereich der seelischen Leiden ist es das nicht, denn da genügt meist reflektierte Lebenserfahrung, Empathie, gesunder Menschenverstand und solche Leiden am eigenen Leib erfahren zu haben. Zugegeben, eine nicht gerade alltägliche Kombination und zudem eine, für die es kein Diplom gibt.
Doch wo kämen wir hin, wenn jeder Dahergelaufene sich einfach Kompetenzen anmaßen könnte und dadurch gutgläubige Menschen schädigt? Um das zu vermeiden, brauchen wir Regeln, Kontrollen und Zertifizierungen.
Klar, ich bin froh, dass nicht jeder ein Flugzeug fliegen, meine Augen operieren oder meine Zahnfüllungen ersetzen darf. Doch weshalb jemand, dessen Job darin besteht, Menschen, die psychisch nicht gut drauf sind, zuzuhören und womöglich ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg zu geben, dafür mit einem Diplom ausgerüstet sein muss, entzieht sich mir.
Bei den immer neuen Spezialisierungen im Bereich der Seele, geht es in Tat und Wahrheit nur um eins: um die Schaffung von Jobs. Das ist in Zeiten, in denen Vollbeschäftigung die Sinnfrage abgelöst hat, nicht nur verständlich, sondern auch gut so. Ob es den Problembeladenen hilft, ist hingegen eine andere Frage.
PS: Einer der vermutlich größten Kenner der menschlichen Seele, Fjodor Michailowitsch Dostojewski, besaß kein Diplom in Psychologie, Psychiatrie oder Sozialarbeit, sondern war ausgebildeter Militäringenieur; ein anderer Großer in diesem Fach, William Shakespeare ("Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, Horatio, als eure Schulweisheit sich träumen lässt") verließ gar mit 16 Jahren die Schule.
Ob eine Psychotherapie oder Medikamente wirklich wirksam sind, sei einmal dahin gestellt, doch dass Bewegung gut tut, weiß so recht eigentlich jeder. Wer braucht da Forscher und Studien, die das belegen? Nun ja, die Forscher müssen halt auch zu tun haben.
Tausend Jahre Dunkelheit, dann ein paar Jahre Erdendasein, dann wieder tausend Jahre Dunkelheit. So oder ähnlich habe ich das einmal bei Nabokov gelesen. Um dieses Erdendasein zu ertragen, muss der Mensch tätig werden. Und so schafft er sich Arbeit. Zum Beispiel die Bürokratie, die der englische Anthropologe Nigel Barley einmal treffend als "an end in itself" charakterisierte.
An Erfindungsreichtum mangelt es den Menschen wahrlich nicht: So können sich jetzt Dolmetscher zum interkulturellen Dolmetscher qualifizieren lassen, obwohl es Dolmetscher, die nicht interkulturell unterwegs sind, gar nicht geben kann. Auch gibt es Spezialisten für Burn-out, obgleich nicht sicher ist, ob es diese Krankheit überhaupt gibt. Man kann auch ein Diplom in Ethik erlangen und so sein Auskommen finden: Vor einigen Wochen wurde im Schweizer Fernsehen eine Ethikerin mit Spezialgebiet Zwangsernährung gefragt, ob ein jugendlicher Gewalttäter, der in den Hungerstreik tritt, zwangsernährt werden solle. Nein, meinte sie, die Verantwortung für seinen Hungerstreik trage der Jugendliche. Brauchen wir wirklich Spezialisten, die uns das sagen?
Die Aufteilung der Welt in immer neue Disziplinen wird meist als Fortschritt gewertet, denn schließlich muss man der zunehmenden Komplexität Herr werden und je mehr man differenziert, desto eher scheint das zu gelingen. Nun mag Spezialistentum in gewissen Bereichen sinnvoll sein, im Bereich der seelischen Leiden ist es das nicht, denn da genügt meist reflektierte Lebenserfahrung, Empathie, gesunder Menschenverstand und solche Leiden am eigenen Leib erfahren zu haben. Zugegeben, eine nicht gerade alltägliche Kombination und zudem eine, für die es kein Diplom gibt.
Doch wo kämen wir hin, wenn jeder Dahergelaufene sich einfach Kompetenzen anmaßen könnte und dadurch gutgläubige Menschen schädigt? Um das zu vermeiden, brauchen wir Regeln, Kontrollen und Zertifizierungen.
Klar, ich bin froh, dass nicht jeder ein Flugzeug fliegen, meine Augen operieren oder meine Zahnfüllungen ersetzen darf. Doch weshalb jemand, dessen Job darin besteht, Menschen, die psychisch nicht gut drauf sind, zuzuhören und womöglich ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg zu geben, dafür mit einem Diplom ausgerüstet sein muss, entzieht sich mir.
Bei den immer neuen Spezialisierungen im Bereich der Seele, geht es in Tat und Wahrheit nur um eins: um die Schaffung von Jobs. Das ist in Zeiten, in denen Vollbeschäftigung die Sinnfrage abgelöst hat, nicht nur verständlich, sondern auch gut so. Ob es den Problembeladenen hilft, ist hingegen eine andere Frage.
PS: Einer der vermutlich größten Kenner der menschlichen Seele, Fjodor Michailowitsch Dostojewski, besaß kein Diplom in Psychologie, Psychiatrie oder Sozialarbeit, sondern war ausgebildeter Militäringenieur; ein anderer Großer in diesem Fach, William Shakespeare ("Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, Horatio, als eure Schulweisheit sich träumen lässt") verließ gar mit 16 Jahren die Schule.