Es gibt keinen Ort in Europa, der mit dem Silicon Valley zu vergleichen wäre. Das hört man immer wieder, verbunden mit dem Aufruf einen solchen Raum zu schaffen. Aber was macht das Silicon Valley tatsächlich aus? Und braucht Europa einen solchen Ort?
In Silicon Valley treffen die gegenwärtigen Technologie-Giganten auf die, die es mal werden wollen. Die Stadt an der amerkanischen Westküste verkörpert die technologische Innovation wie keine zweite. 8,9 Milliarden US-Dollar Kapital haben amerikanische Start-Ups haben von Oktober bis Dezember 2013 erhalten , rund 30 Prozent gingen an Unternehmenim Silicon Valley. Das ist selbst für die USA ungewöhnlich: So viel Geld wie im dritten Quartal 2013 wurde im hier noch nie vergeben. Der Trend geht seit 2009 aufwärts.
Auch in Europa etabliert sich seit einigen Jahren eine erfolgreiche Start-Up-Szene, mit Investoren, die mit Geld und Rat zur Seite stehen. Die Förderkultur steckt jedoch, verglichen mit dem amerikanischen Markt, noch in den Kinderschuhen: Das potenzielle Kapital für Jungunternehmer wächst stetig, allerdings in einer anderen Größenordnung als in den USA: Was dort innerhalb von zwei Monaten investiert wird, wurde in Europa über das gesamte Jahr nicht bereitgestellt: Im Jahr 2013 gingen rund 7,4 Milliarden US-Dollar an europäische Start-Ups, das ist rund ein Viertel der amerikanischen Förderung.
Scheitern als Chance
Steve Sinofsky, von 2009 bis 2012 Chef-Entwickler bei Microsoft Windows, fördert jetzt Tech Start-Ups. Seiner Erfahrung nach geht der couragierte Unternehmergeist darauf zurück, dass in Silicon Valley Fehler verziehen werden. Denn ein Fehltritt ist unter der Sonne Kaliforniens keine Schande, sondern eine Chance - das wissen sowohl Kapitalgeber als auch Unternehmer. Wer so richtig daneben lag, aber seine Idee überarbeitet und weitergemacht hat, verdient Respekt und Vertrauen und wird deswegen weiter gefördert. Sinofsky zufolge gibt es auf der Welt keinen anderen Ort, der im gleichen Maße Scheitern erlaubt.
Dieser Mut macht in den USA sicherlich die eine oder andere Idee zu Geld, die in Europa ungefördert bleibt - weil potentiellen Jungunternehmern wie Kapitalgebern das Risiko zu hoch ist. Startup Genome, eine Plattform für Start-Up Communities, und Telefonica Digital haben 2012 gemeinsam den „Startup Ecosystem Report" veröffentlicht, indem sie Start-Up Zentren weltweit miteinander vergleichen. Dem Report zufolge haben die europäischen Start-Ups nicht nur weniger Kapital und weniger Mentoren als Silicon Valley-Anfänger; sie sind nicht so ehrgeizig in ihrer Zieldefinition, risikoscheu and stecken nicht ihre gesamte Zeit in ihre Idee.
Dabei ist es genau das, was man braucht, um erfolgreich zu sein: Durchhaltevermögen. Das zeigt auch die Geschichte der 6 Wunderkinder, einem international erfolgreichem Start-Up aus Berlin. Steffen Kiedel, CFO der Wunderkinder, erzählt, dass die Suche nach Kapital nicht einfach war, der Glaube an Team und Idee jedoch darunter nicht gelitten hat: „Wenn Du eine gute Idee hast, dann werden international Kapitalgeber an Dir interessiert sein."
Valley-Vergleich nervt
Die Wunderlist, das Produkt von 6 Wunderkinder, ist eine Projektmanagement-App. Gefördert wurden die Idee unter anderem von der Risikokapital-Firma „Earlybird". Deren Mitarbeiter David Rosskamp nervt die Frage nach dem Vergleich mit Silicon Valley: „Ich hab da schon gar keine Lust mehr. Wir können in keiner Form es hinkriegen, Silicon Valley zu replizieren!" Der Standort sei um eine Hardware-Komponente entstanden, nämlich Chips. Nachahmen müsse Europa aber auch nicht, weil das Geschäft heute anders funktioniere: Im digitalen Zeitalter bräuchten Geldgeber keinen regionalen Fokus, sie könnten europaweit agieren. Rosskamp glaubt, dass die neuen digitalen Geschäftsmodelle global erfolgreich sein können, egal, von wo sie gestartet werden: „Wir können aus unseren Europäischen Zentren globale Unternehmen aufbauen."
Und die Geschichte zeigt, dass Innovationscluster auch gefährlich sein können: Die Ansammlung vieler Technologie-Unternehmen an einem Ort ist sicherlich ein Vorteil.
Aus dem Blickwinkel der Wirtschaftswissenschaft ist Silicon Valley deshalb so wertvoll, weil sich dort Firmen finden und entwickeln, eine gemeinsame Infrastruktur aufbauen und voneinander lernen. Man nennt das Spill-over-Effekt. Allerdings kann das auch gefährlich sein. 1950 war Detroit für die Autoindustrie, was heute Silicon Valley für die digitale Technologie ist: Fruchtbarer Boden für Innovation und Fortschritt. Andere Märkte haben die amerikanische Autoindustrie überholt, die Wirtschaftskrise hat den Absatz geschwächt und die einstige Technologie-Stadt sucht dringend nach einem neuen Image. Die geographische Verteilung vieler Innovationszentren in Europa kann demnach auch eine Vielfalt hervorbringen, die den Europäischen Markt flexibler macht.
Steffen Kiedel von den Wunderkindern sieht ohnehin gar keine so großen Unterschiede: Die europäische Start-Up-Szene entwickelt sich über ganz Europa verteilt: Berlin, Stockholm und London sind die Top-Städte, neudeutsch Hubs. Sie seien wie viele kleine Silicon Valleys in einem starken Netzwerk. Das einzige, was Europa brauche, wäre ein bisschen mehr Zeit.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf "Europa und wir"
In Silicon Valley treffen die gegenwärtigen Technologie-Giganten auf die, die es mal werden wollen. Die Stadt an der amerkanischen Westküste verkörpert die technologische Innovation wie keine zweite. 8,9 Milliarden US-Dollar Kapital haben amerikanische Start-Ups haben von Oktober bis Dezember 2013 erhalten , rund 30 Prozent gingen an Unternehmenim Silicon Valley. Das ist selbst für die USA ungewöhnlich: So viel Geld wie im dritten Quartal 2013 wurde im hier noch nie vergeben. Der Trend geht seit 2009 aufwärts.
Auch in Europa etabliert sich seit einigen Jahren eine erfolgreiche Start-Up-Szene, mit Investoren, die mit Geld und Rat zur Seite stehen. Die Förderkultur steckt jedoch, verglichen mit dem amerikanischen Markt, noch in den Kinderschuhen: Das potenzielle Kapital für Jungunternehmer wächst stetig, allerdings in einer anderen Größenordnung als in den USA: Was dort innerhalb von zwei Monaten investiert wird, wurde in Europa über das gesamte Jahr nicht bereitgestellt: Im Jahr 2013 gingen rund 7,4 Milliarden US-Dollar an europäische Start-Ups, das ist rund ein Viertel der amerikanischen Förderung.
Scheitern als Chance
Steve Sinofsky, von 2009 bis 2012 Chef-Entwickler bei Microsoft Windows, fördert jetzt Tech Start-Ups. Seiner Erfahrung nach geht der couragierte Unternehmergeist darauf zurück, dass in Silicon Valley Fehler verziehen werden. Denn ein Fehltritt ist unter der Sonne Kaliforniens keine Schande, sondern eine Chance - das wissen sowohl Kapitalgeber als auch Unternehmer. Wer so richtig daneben lag, aber seine Idee überarbeitet und weitergemacht hat, verdient Respekt und Vertrauen und wird deswegen weiter gefördert. Sinofsky zufolge gibt es auf der Welt keinen anderen Ort, der im gleichen Maße Scheitern erlaubt.
Dieser Mut macht in den USA sicherlich die eine oder andere Idee zu Geld, die in Europa ungefördert bleibt - weil potentiellen Jungunternehmern wie Kapitalgebern das Risiko zu hoch ist. Startup Genome, eine Plattform für Start-Up Communities, und Telefonica Digital haben 2012 gemeinsam den „Startup Ecosystem Report" veröffentlicht, indem sie Start-Up Zentren weltweit miteinander vergleichen. Dem Report zufolge haben die europäischen Start-Ups nicht nur weniger Kapital und weniger Mentoren als Silicon Valley-Anfänger; sie sind nicht so ehrgeizig in ihrer Zieldefinition, risikoscheu and stecken nicht ihre gesamte Zeit in ihre Idee.
Dabei ist es genau das, was man braucht, um erfolgreich zu sein: Durchhaltevermögen. Das zeigt auch die Geschichte der 6 Wunderkinder, einem international erfolgreichem Start-Up aus Berlin. Steffen Kiedel, CFO der Wunderkinder, erzählt, dass die Suche nach Kapital nicht einfach war, der Glaube an Team und Idee jedoch darunter nicht gelitten hat: „Wenn Du eine gute Idee hast, dann werden international Kapitalgeber an Dir interessiert sein."
Valley-Vergleich nervt
Die Wunderlist, das Produkt von 6 Wunderkinder, ist eine Projektmanagement-App. Gefördert wurden die Idee unter anderem von der Risikokapital-Firma „Earlybird". Deren Mitarbeiter David Rosskamp nervt die Frage nach dem Vergleich mit Silicon Valley: „Ich hab da schon gar keine Lust mehr. Wir können in keiner Form es hinkriegen, Silicon Valley zu replizieren!" Der Standort sei um eine Hardware-Komponente entstanden, nämlich Chips. Nachahmen müsse Europa aber auch nicht, weil das Geschäft heute anders funktioniere: Im digitalen Zeitalter bräuchten Geldgeber keinen regionalen Fokus, sie könnten europaweit agieren. Rosskamp glaubt, dass die neuen digitalen Geschäftsmodelle global erfolgreich sein können, egal, von wo sie gestartet werden: „Wir können aus unseren Europäischen Zentren globale Unternehmen aufbauen."
Und die Geschichte zeigt, dass Innovationscluster auch gefährlich sein können: Die Ansammlung vieler Technologie-Unternehmen an einem Ort ist sicherlich ein Vorteil.
Aus dem Blickwinkel der Wirtschaftswissenschaft ist Silicon Valley deshalb so wertvoll, weil sich dort Firmen finden und entwickeln, eine gemeinsame Infrastruktur aufbauen und voneinander lernen. Man nennt das Spill-over-Effekt. Allerdings kann das auch gefährlich sein. 1950 war Detroit für die Autoindustrie, was heute Silicon Valley für die digitale Technologie ist: Fruchtbarer Boden für Innovation und Fortschritt. Andere Märkte haben die amerikanische Autoindustrie überholt, die Wirtschaftskrise hat den Absatz geschwächt und die einstige Technologie-Stadt sucht dringend nach einem neuen Image. Die geographische Verteilung vieler Innovationszentren in Europa kann demnach auch eine Vielfalt hervorbringen, die den Europäischen Markt flexibler macht.
Steffen Kiedel von den Wunderkindern sieht ohnehin gar keine so großen Unterschiede: Die europäische Start-Up-Szene entwickelt sich über ganz Europa verteilt: Berlin, Stockholm und London sind die Top-Städte, neudeutsch Hubs. Sie seien wie viele kleine Silicon Valleys in einem starken Netzwerk. Das einzige, was Europa brauche, wäre ein bisschen mehr Zeit.
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