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Die traurige Wahrheit über die aktuelle Ebola-Krise

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Ich lernte Martin im Süden von Sierra Leone kennen. Er ist Krankenpfleger wie ich. Wir besuchten Gesundheitsprojekte die World Vision zusammen mit der Regierung und Projektpartnern durchführt. Martin und drei Helferinnen waren für die Gesundheitsversorgung von mehr als 6.500 Menschen in drei Unterbezirken zuständig.

Gerade ein Jahr zuvor hatte die Regierung beschlossen, die Gesundheitsversorgung von Müttern und Kindern umsonst bereitzustellen. Das war wichtig und lobenswert - und vervierfachte den Andrang von PatientInnen im staatlichen Gesundheitssystem.

Derzeit hat Sierra Leone die zweithöchste Kindersterblichkeit der Welt zu verzeichnen. Auf 1.000 Lebendgeburten versterben 164 Kinder vor ihrem fünften Lebensjahr - in Deutschland liegt diese Rate bei vier! Aber natürlich sind diese Zahlen Makulatur, da die schon immer fragile Gesundheitsversorgung des Landes zusammengebrochen ist. Der Grund ist Ebola, eine hochinfektiöse Krankheit, die - noch - relative wenige Menschen schnell sterben lässt und für die es kaum Heilungschancen gibt.

Trotzdem wissen wir schon jetzt, dass die sogenannte Komorbidität - Krankheiten, die Aufgrund der zusammenbrechenden Gesundheitsversorgung nicht behandelt werden können - viel mehr Menschenleben fordern wird, als die Infektion selbst. Schwangere haben entweder Angst zu Gesundheitsstationen zu gehen oder finden überforderte oder leere Kliniken, weil das Personal überlastet, selbst erkrankt oder aus Angst weggeblieben ist. Und wer wollte es ihnen verdenken, wenn rund ein Zehntel der Ebola-Infizierten Gesundheitspersonal ist, das sich angesteckt hat?

Und was ist aus Martin geworden, frage ich mich? Der junge Pfleger der täglich ca. 150 Patienten versorgen musste, mit fast keinen Transportmöglichkeiten für Kranke, die einen Krankenhausaufenthalt benötigten. Im Bo-Distrikt gab es damals ein Krankenhaus mit genau einem Arzt für weit mehr als 30.000 Menschen. Wie soll man mit solch einer schwachen Infrastruktur mit der Ebola-Bedrohung fertig werden?

Der Gesundheitsminister erläuterte uns damals das Bemühen der Regierung, die Impfrate, die Ernährung von Kindern und die Schwangerenversorgung zu verbessern, wies aber auch darauf hin, dass die nötigen Gelder nur schwer zu bekommen waren. Dabei hatte natürlich auch sein Land sich 2001 dem Abuja-Versprechen aller afrikanischen Länder angeschlossen, mindestens 15 Prozent des Staatshaushalts in die Gesundheitsversorgung seiner Bürger zu investieren. Davon war - und ist - Sierra Leone weit entfernt.

Ebola führt uns leider sehr drastisch vor Augen, wie ein sowieso schon fragiles Gesundheitssystem unter einer Herausforderung wie Ebola zusammenbricht. Wie sollen auch Länder in denen gerade mal ein Arzt auf 100.000 Einwohner kommt, mit einer sich schnell ausbreitenden Epidemie fertig werden?

Und Deutschland? Wir besuchten unsere Gesundheitsprojekte im Süden Sierra Leones mit einer Gruppe von interessierten JournalistInnen um darauf aufmerksam zu machen, dass die Welt dabei war, die selbstgesteckten Milleniumsentwicklungsziele für Mütter und Kinder weit zu verfehlen. Bis 2015 sollte - im Vergleich zu 1990 - die Kindersterblichkeit um drei Viertel und die Müttersterblichkeit sogar um zwei Drittel gesenkt werden.

Diese Ziele werden wir leider weit verfehlen. Leider wird auch Deutschland seiner Rolle als internationaler Geber nicht gerecht. Schon seit 2001 empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation den Geberländern mindestens 0,1 Prozent des Bruttonationaleinkommens in die Stärkung der Gesundheitsversorgung armer Länder zu investieren. Mit seinen ca. 800 Millionen Euro pro Jahr liegt Deutschland aber weit unter dieser Empfehlung, und dies seit vielen Jahren.

Und das ist die traurige Wahrheit über die aktuelle Ebola-Krise: Sie ist in weiten Teilen hausgemacht. Jetzt wird der bittere Preis für die jahrelange Vernachlässigung des Aufbaus robuster Gesundheitssysteme bezahlt. Leider wieder einmal von den Ärmsten und Schwächsten.

Als ich mich mit Martin, dem Krankenpfleger, über seine Arbeitsbelastung unterhielt, sagte er einfach: „How can I refuse it?" Wie kann ich meine Hilfe verweigern? Ich hoffe, Martin hat immer noch diese Einstellung und wünsche ihm viel Kraft bei seiner lebenswichtigen Arbeit.

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