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Viralkritik: Roberto Blanco kann nicht rappen. Aber scheitern.

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Vielleicht erstmal, bevor es losgeht, das, was wegmuss: Niemand in den letzten zwei Wochen kam am offiziellen Trailer für die Buchverfilmung von Shades of Grey vorbei. 26 Millionen Klicks hat er mittlerweile. Warum? Weiß niemand.

Eine lustige Lanze für Gleichberechtigung von Frauen am Arbeitsplatz bricht diese Frau aus Mad Men, die versucht, in einem modernen Büro zu arbeiten.

Und, auch sehr passend zum Thema diese Woche - Peinlichkeit: Durch das Netz geistert dieser feine Tumblr mit dem schlimmsten Amateurkochfotos, die die Welt zu bieten hat.

Wenn man aber über peinliche virale Videos sprechen möchte, ist diese Sixt-Werbung mit einem rappenden Roberto Blanco wahrscheinlich die beste Wahl.



Auch dieses Video der Jungen Grünen im Europaparlament fällt in die Kategorie Peinlichkeit, und an die Sparda Movie Stars erinnert sich ja auch niemand so wirklich gerne.

Tatsächlich hat Sixt eine etwas längere Geschichte, was solche Spots angeht. 2008 gab es Verdammt ich hab nichts, in dem ein älterer Mathias Reim sich - genau wie Roberto Blanco in Ein bisschen Spar'n muss sein - selbstironisch und mit realem Hintergrund darüber lustig machte, dass er pleite ist.

Abstufungen der Peinlichkeit

Was man natürlich unterscheiden muss, ist, dass sowohl die Jungen Grünen wie auch die Sparda Movie Stars nicht absichtlich peinlich waren. Das Nachfolgevideo der Jungen Grünen strotzt geradezu vor Ernsthaftigkeit, die Sparda-Bank bemühte sich um Schadensbegrenzung.

Sixt dagegen hat eine lange Geschichte von umstrittenen Plakaten, die immer sehr dich am aktuellen Geschehen und den Grenzen des guten Geschmacks sind. Kurz: Es können zwar weder die Sparda Movie Stars noch Roberto Blanco vernünftig rappen, bei Roberto Blanco ist es aber Absicht. Soweit, so klar.

Eine kleine Geschichte des Scheiterns

Sixt hat mit dem Roberto-Blanco-Spot ein Video produziert, in dem man jemandem dabei zuschauen kann, wie er scheitert - Blanco ist als völlig fehl am Platz inszeniert, das ist, wo der Witz des Videos herkommt: Die Fallhöhe zwischen Blanco und den Rap-Klischees, an denen er sich abarbeitet, die er aber gar nicht erfüllen kann.

Wir sehen Roberto Blanco fein durchinszeniert scheitern. Sixt setzt sich damit auf eine alte, uralte, man möchte fast sagen: Die älteste Tradition aller viralen Videos. Eines der ältesten Virals - noch aus dem Jahr 2000 - ist ein GIF mit einer Sequenz aus dem Videospiel Zero Wing, die unsäglich schlecht ins Englische übersetzt wurde.



Dasselbe Prinzip steckt hinter einer Menge viraler Videos - Klassiker wie das Star Wars Kid, beispielsweise, was wiederum als Prinzip noch aus der Zeit des Fernsehens und Sendungen wie America's funnies Home Videos kommt, die auch in Deutschland Fuß fassten.

Scheitern teilen

Man möchte tatsächlich fast sagen, es gibt im Kern nur zwei Gründe, weshalb Videos geteilt werden: Entweder sind sie sehr gut gemacht, oder es scheitert jemand. Man möchte auch sagen: Videos, in denen jemand scheitert haben eine noch etwas größere Chance, viral zu gehen, einfach, weil man sich da so schön überlegen fühlen kann, man ist klüger, hätte es besser hinbekommen, mindestens aber gibt es kein Video von einem selbst in einer so peinlichen Situation.

Ein Video, in dem jemand scheitert lässt sich besser teilen, weil man selbst es besser kommentieren kann, es ist offener für Interaktion - seien das nun Gemeinheiten, Schadenfreude oder Mitleid. Ein perfekt produziertes Video - ein Werk - lässt wenig an Kommentar zu. Es ist da, und steht für sich. Peinlichkeiten, Scheitern, sind da sehr viel offener. Scheitern ist kein Werk, sondern lässt Platz für den eigenen Witz, die eigene Kreativität.

Virales Scheitern als Marketingkonzept

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Quelle: Screenshot YouTube

Bei Sixt - beziehungsweise der Werbeagentur Jung von Matt, die für die Kampagne verantwortlich ist - weiß man das.

Während man dort in der Vergangenheit auf die Kontroverse als Verbreitungsprinzip setzte, ist Roberto Blanco etwas neues: Nach dem Vorbild unabsichtlichen Scheiterns absichtlich inszeniertes Scheitern.

Sixt vereinnahmt damit ein virales Prinzip und nutzt es für sich selbst. Als Werbeprinzip ist das etwas neues - neu in dem Sinn, dass jemand nicht nur das Prinzip des Scheiterns als Verbreitungsmechanismus erkannt hat, nicht nur das Prinzip nutzt, sondern auch neu in dem Sinn, dass die Schadenfreude, die ganzen hämischen Kommentare gleich von Anfang an mitgedacht werden.

Sixt vereinnahmt nicht nur ein Prinzip - sondern mal eben die Funktionsweise des Internets in all seiner Offenheit, seiner Geilheit nach neuen Peinlichkeiten, das ganze Biotop mit all seinen Trollen, fiesen Kommentatoren, Shitstormern und was es da noch gibt.

Die Sixt-Werbung ist eine perfekt gespielte Steilvorlage, die auf gar nichts anderes aus ist, als dass sie mit voller Wucht zurückgespielt wird. Weil es gar nicht darum geht, das Spiel zu gewinnen - sondern den Gegenspieler zu kontrollieren. Ihn glauben zu lassen, er gewänne von allein, wenn genau das Gegenteil der Fall ist.

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