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Schottisches Theater vor der Unabhängigkeitsabstimmung

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Rona Munros „James Plays" in Edinburgh uraufgeführt

EDINBURGH. Jonathan Mills, der (scheidende) künstlerische Leiter des Edinburgh International Festivals (eif), ist Komponist. Bislang legte er bei seinen Programmen Schwerpunkte auf Oper, Tanz und Musik. Das Schauspiel setzte der Australier an den Katzentisch. Das ist in diesem Jahr anders:

In diesem Festivalsommer rückte er an den Anfang gleich eine Uraufführung, die ganz besonderes Interesse weckte: The James Plays, Die James-Stücke, eine Trilogie von Rona Munro über James I., James II. und James III., schottische Könige im 15. Jahrhundert.

Von der Uraufführung aller drei Teile nahm am Sonntag im Festivaltheater, Edinburghs guter Bühnenstube, den ganzen Tag in Anspruch nahm - von Mittag bis Mitternacht.

Rona Munro beginnt ihre James-Trilogie wie eine Chronik, Bänkelsänger tragen eine Ballade vor, die den Inhalt der Trilogie vorausnimmt - und die Perspektive andeutet, aus der erzählt wird: Rona Munro schlägt, wie immer in ihren Stücken, den Ton des Volkstheaters an, die Ballade erinnert an Brecht.

Eine schottische Dramatikerin

Rona Munro, 1959 in Aberdeen geboren, ist eine der angesehensten schottischen Gegenwartsautorinnen, - sie schreibt fürs Radio, fürs Fernsehen, für das Theater und für den Film. Bei uns auf dem Kontinent ist sie bekannt, weil sie beim Drehbuch für "Aimée & Jaguar" mitgewirkt hat.

Rona Munroes „James- Trilogie" spielt im 15.Jahrhundert, sie dreht sich um die Politik der Stuarts. Im ersten Teil steht James I. im Mittelpunkt - in seinem Leben spiegelt sich die prekäre Lage Schottlands. Als Prinz wurde James, erst 13 Jahre alt, gefangen genommen, er wurde König der Schotten in einem englischen Gefängnis. 18 Jahre später konnte er nach Haus zurückkehren - er hatte eine neue Braut - eine englische. Schottland war bitter arm, die Schatzkammer leer - und die Lage der Nation typisch: die Aristokraten kämpften untereinander um die Vorherrschaft und warteten nur auf ein Zeichen der Schwäche, um den König anzugreifen. James I. versucht, das Land zu einen, um den Schotten Voraussetzungen für ein Mindestmaß von Autonomie zu schaffen.
Die Schotten, ihre Könige und ihre Gemahlinnen

Im Mittelteil wird James der II. als Knabe gekrönt, der neue König ist acht Jahre alt, eine leichte Beute der einflussreichen Familien - wer den König unter der Fuchtel hat, hat die Macht. Zügelloser Egoismus, ruchloses Gewinnstreben und blutige Verbrechen ruinieren Schottland.
Im Schlussteil spielen Frauen die Hauptrolle, James III. ist ein Mann mit Geschmack und Eleganz - er neigt dazu, Geld auszugeben, das er nicht hat. Eine aktuelle, heutige Haltung, ein krasser Anachronismus- das Publikum reagiert erheitert. Rona Munro will belehren und unterhalten, ihre Trilogie hat Humor, manchmal auch deftig. Es wird viel gelacht im Festivaltheater - und das Ensemble kann rauschenden Beifall verbuchen.

Das schottische Nationalheater und sein künstlerischer Leiter

Laurie Sansom, der künstlerische Leiter des schottischen Nationaltheaters, arbeitet in seiner Uraufführungsinszenierung ganz im Sinne der Autorin heraus, dass die Könige überfordert waren, alle drei. Sie vermochten die schwierige politische Situation ihres armen Landes nicht einmal wirklich zu erfassen, geschweige denn, die grundsätzlichen Probleme zu lösen - sie waren selbst Bestandteil des Problems. Sansom hat brillante Regieideen. So lässt er z. B. den Knabenkönig von einer handgeführten, lebensgroßen Puppe spielen - sie macht den Marionettencharakter des kleinen Monarchen unmittelbar sinnfällig - und ist ästhetisch reizvoll.

Die Inszenierung, getragen vom leistungsfähigen und spielfreudigen Ensemble des schottischen Nationaltheaters, präpariert die Vielschichtigkeit des Textes heraus: die historische Ebene birgt eine Analyse der gegenwärtigen Schwierigkeiten Schottlands. Rona Munros Quintessenz ist unmissverständlich: Seid einig, einig, einig!, ruft die Dramatikerin ihren Landsleuten von der Bühne aus zu - und plädiert für Nüchternheit. Niemand sollte glauben, dass alle Probleme von heute auf morgen gelöst wären, wenn Schottland unabhängig würde. Auf alte Abhängigkeiten folgen neue.
Nüchtern Möglichkeiten abwägen und ergreifen

Auf der Produktionsebene zeigen die Theaterleute ein Beispiel für produktive Zusammenarbeit. Das gab es noch nie: Das schottische Nationaltheater arbeitet nicht nur mit dem Edinburgh International Festival zusammen, sondern auch mit dem Royal National Theatre in London, dem Flaggschiff britischer Bühnen. Die Londoner, nicht gerade für ihre Bescheidenheit berühmt, treten höflich zurück, die Uraufführung findet in Edinburgh statt - und wird in London nachgespielt.
So könnte eine produktive Zusammenarbeit auch in politischen Bereichen aussehen.
Ein langer, großer, außergewöhnlicher Theatertag in Edinburgh, schottisch-englische, britische Zusammenarbeit am Firth of Forth.

Ulrich Fischer
Internet:www. eif. co.uk - Kartentel: 0044 131 473 2000

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