1. Das deutsche und das europäische Lebensmittelrecht postulieren unmissverständlich den präventiven Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefahren und vor Täuschung und Irreführung. Eine Gesundheitsgefährdung bzw. Täuschung eines Produktes/Verfahrens liegt bereits dann vor, wenn ein Produkt/Verfahren die Eignung dazu aufweist. Eine tatsächliche Gesundheitsgefährdung/Täuschung ist nicht erforderlich.
2. Gegenwärtig ist der Verbraucher jedoch erheblichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt, und Täuschung/Irreführung sind an der Tagesordnung. Die einschlägigen Rechtsvorschriften wirken nicht präventiv, sondern nachsorgend. Werden Täuschung oder Gesundheitsgefährdung festgestellt, ist das fragliche Lebensmittel in den allermeisten Fällen schon verzehrt.
3. Beispiele für unzureichenden Gesundheitsschutz sind vielfältig:
4. Gegen das Täuschungs- und Irreführungsverbot wird regelmäßig in großem Maßstab verstoßen (Pferdefleisch in der Rindfleisch-Lasagne, falsch deklarierte Bio-Eier). Es wird aber oftmals auch formalrechtlich „legal" - durch die bestehenden gesetzlichen Regelungen für Aufmachung und Produktinformationen - unterlaufen. Diese täuschen die Verbraucher im Hinblick auf Herkunft, Geschmack, Nährwerte, Inhaltsstoffe, Herstellungsweise und gesundheitliche Auswirkungen von Lebensmitteln („legaler Etikettenschwindel").
5. Die Verstöße gegen die ohnehin unzureichenden Bestimmungen des Gesundheitsschutzes oder gegen das Täuschungsverbot werden durch mangelnde Abschreckung (Strafen/Bußgelder) begünstigt. Die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche der Verbraucher bei Gesundheitsgefährdung hat wenig Aussicht auf Erfolg, weil die Kausalität zwischen verzehrtem Lebensmittel und Gesundheitsschaden in den seltensten Fällen nachgewiesen werden kann.
Klagen von Verbrauchern bzw. Verbraucherverbänden bei Verstößen gegen das äuschungsverbot zeigen keine flächendeckende Wirkung.
6. Informationsrechte, die die Verbraucher bei der Erfüllung ihres Anspruchs auf Schutz vor Gesundheitsgefahren und Täuschung unterstützen könnten, sind wenig effektiv. Verbraucher können in der Praxis behördliche und betriebliche Informationen nicht so zeitnah und kostengünstig einfordern, dass sie sich gegen risikobehaftete Produkte oder Täuschung wehren können. Ebenso unzureichend sind die Informationspflichten der Behörden bei Gesundheitsgefährdung, bei Täuschung und bei ekelerregenden Zuständen.
7. Die Lebensmittelüberwachung ist in Deutschland nicht effektiv organisiert - auf Kosten der Verbraucherrechte. Beispielsweise ist der Anteil von Falschdeklarationen bei Lebensmittelbetrieben und in der Gastronomie, von Verstößen gegen Hygienebestimmungen in Lebensmittelbetrieben (einschließlich Restaurants) und von Höchstmengen-Überschreitungen bei Pflanzenschutzmitteln in Obst und Gemüse seit Jahren unverändert hoch.
8. Die Diskrepanz zwischen theoretisch hohem Schutzniveau und rechtlicher Praxis ist Folge einer mangelhaften Umsetzung und Durchsetzung verbindlicher Rechtsgrundsätze (z. B. Vorsorgeprinzip, Rückverfolgbarkeit) sowie der diese Grundsätze konkretisierenden Rechtsvorschriften zum Gesundheitsschutz und zum Täuschungsverbot. Der Nahrungsmittelindustrie ist es durch Lobbyeinfluss auf allen Ebenen gelungen, den präventiven Ansatz des Lebensmittelrechts auszuhöhlen.
9. Die Verhinderung des Präventivprinzips zahlt sich für die Lebensmittelindustrie aus. Denn präventiv wirkende Vorschriften auf Hersteller und Händlerseite würden die Kosten des Gesundheitsschutzes und des Täuschungsverbotes privatisieren.
Der lediglich nachsorgende Schutz vor Täuschung und Gesundheitsgefährdung hingegen sozialisiert die Kosten, entlastet die Unternehmen und belastet die Allgemeinheit. Die Politik hat darin versagt, diese Entwicklung aufzuhalten und hat damit die Steuerungshoheit über den Markt an die Nahrungsmittelindustrie abgegeben.
10. Das gesetzliche Regelwerk muss umfassend geändert werden, sodass die zentralen Leitprinzipien des Lebensmittelrechts, das Vorsorgeprinzip und das Gebot der Rückverfolgbarkeit, effektiv in der Praxis umgesetzt und die Verbraucher damit präventiv geschützt werden.
Informationspflichten der Behörden und Unternehmen, Informationsrechte der Verbraucher sowie ergänzende straf- und zivilrechtliche Sanktions- und Haftungsregeln müssen diese Veränderung des gesetzlichen Rahmens ergänzen und gleichermaßen eine starke präventive Wirkung ausüben.
11. Ein präventiv ausgerichtetes Lebensmittelrecht wird zum Abbau der Bürokratie beitragen, denn Transparenz, Haftung und effektive Sanktionen sind wirksame Elemente der Selbststeuerung von Märkten.
Eine grundlegende Verbesserung der rechtlichen Stellung der Verbraucher muss darüber hinaus Demokratiedefizite des Verbraucherschutzes, die auf europäischer und nationaler Ebene bestehen, beseitigen.
Die Rechtsetzung auf EU-Ebene ist nicht ausreichend demokratisch kontrolliert. Sie bietet deshalb ein Einfallstor für Lobbyinteressen der Lebensmittelwirtschaft zum Nachteil der Verbraucher (z. B. Komitologieverfahren bei der Festsetzung von Grenzwerten). Gleichermaßen wird die noch verbleibende nationale Rechtsetzung in Deutschland durch die Interessen der Lebensmittelwirtschaft dominiert (Beispiel: Festlegung der Verkehrsbezeichnungen/Leitsätze für Lebensmittel durch die „Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission").
Schließlich müssen die Verbraucher durch ein Verbandsklagerecht auf nationaler/europäischer Ebene die Möglichkeit erhalten, die Einhaltung der lebensmittel- und verbraucherschutzrechtlichen Anforderungen einzuklagen. Verbandsklagen käme insoweit auch eine Bündelungsfunktion für individuelle Verbraucherinteressen zu.
12. Europäische und nationalstaatliche Maßnahmen: Die von Foodwatch erhobenen Forderungen, die sich auf das Lebensmittelrecht im engeren Sinne, also die Herstellung und Kennzeichnung von Lebensmitteln beziehen, können in der Regel nur auf europäischer Ebene beschlossen werden.
Die Forderungen nach verbesserten Informationsrechten, effektiveren Lebensmittelkontrollen sowie wirksamen zivil- und strafrechtlichen Maßnahmen beziehen sich auf die deutsche Situation und können nationalstaatlich umgesetzt werden.
Trotz weitgehender europäischer Harmonisierung des Lebensmittelrechts gibt es also durchaus Möglichkeiten, durch nationalstaatliche, flankierende Maßnahmen die rechtliche Stellung der Verbraucher im Lebensmittelmarkt zu stärken.
2. Gegenwärtig ist der Verbraucher jedoch erheblichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt, und Täuschung/Irreführung sind an der Tagesordnung. Die einschlägigen Rechtsvorschriften wirken nicht präventiv, sondern nachsorgend. Werden Täuschung oder Gesundheitsgefährdung festgestellt, ist das fragliche Lebensmittel in den allermeisten Fällen schon verzehrt.
3. Beispiele für unzureichenden Gesundheitsschutz sind vielfältig:
- gesundheitlich riskante Zusatzstoffe in Lebensmitteln (z. B. Azo-Farbstoffe)
- gesundheitsgefährdende Kontaminanten (z. B. Acrylamid in stärkehaltigen Lebensmitteln)
- Dioxinbelastungen von Milch, Fleisch, Eiern aufgrund kontaminierter Futtermittel
- Antibiotika-Resistenzen in der Humanmedizin, u.a. durch massiven Antibiotika-Einsatz in der Nutztierhaltung
- Risiken durch (versteckte) hohe Mengen an Nährstoffen wie Zucker, Salz oder Fett in verarbeiteten Lebensmitteln oder
- Risiken durch Wiedereintrag von Fleischabfällen in die Lebensmittelkette („Gammelfleisch").
4. Gegen das Täuschungs- und Irreführungsverbot wird regelmäßig in großem Maßstab verstoßen (Pferdefleisch in der Rindfleisch-Lasagne, falsch deklarierte Bio-Eier). Es wird aber oftmals auch formalrechtlich „legal" - durch die bestehenden gesetzlichen Regelungen für Aufmachung und Produktinformationen - unterlaufen. Diese täuschen die Verbraucher im Hinblick auf Herkunft, Geschmack, Nährwerte, Inhaltsstoffe, Herstellungsweise und gesundheitliche Auswirkungen von Lebensmitteln („legaler Etikettenschwindel").
5. Die Verstöße gegen die ohnehin unzureichenden Bestimmungen des Gesundheitsschutzes oder gegen das Täuschungsverbot werden durch mangelnde Abschreckung (Strafen/Bußgelder) begünstigt. Die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche der Verbraucher bei Gesundheitsgefährdung hat wenig Aussicht auf Erfolg, weil die Kausalität zwischen verzehrtem Lebensmittel und Gesundheitsschaden in den seltensten Fällen nachgewiesen werden kann.
Klagen von Verbrauchern bzw. Verbraucherverbänden bei Verstößen gegen das äuschungsverbot zeigen keine flächendeckende Wirkung.
6. Informationsrechte, die die Verbraucher bei der Erfüllung ihres Anspruchs auf Schutz vor Gesundheitsgefahren und Täuschung unterstützen könnten, sind wenig effektiv. Verbraucher können in der Praxis behördliche und betriebliche Informationen nicht so zeitnah und kostengünstig einfordern, dass sie sich gegen risikobehaftete Produkte oder Täuschung wehren können. Ebenso unzureichend sind die Informationspflichten der Behörden bei Gesundheitsgefährdung, bei Täuschung und bei ekelerregenden Zuständen.
7. Die Lebensmittelüberwachung ist in Deutschland nicht effektiv organisiert - auf Kosten der Verbraucherrechte. Beispielsweise ist der Anteil von Falschdeklarationen bei Lebensmittelbetrieben und in der Gastronomie, von Verstößen gegen Hygienebestimmungen in Lebensmittelbetrieben (einschließlich Restaurants) und von Höchstmengen-Überschreitungen bei Pflanzenschutzmitteln in Obst und Gemüse seit Jahren unverändert hoch.
8. Die Diskrepanz zwischen theoretisch hohem Schutzniveau und rechtlicher Praxis ist Folge einer mangelhaften Umsetzung und Durchsetzung verbindlicher Rechtsgrundsätze (z. B. Vorsorgeprinzip, Rückverfolgbarkeit) sowie der diese Grundsätze konkretisierenden Rechtsvorschriften zum Gesundheitsschutz und zum Täuschungsverbot. Der Nahrungsmittelindustrie ist es durch Lobbyeinfluss auf allen Ebenen gelungen, den präventiven Ansatz des Lebensmittelrechts auszuhöhlen.
9. Die Verhinderung des Präventivprinzips zahlt sich für die Lebensmittelindustrie aus. Denn präventiv wirkende Vorschriften auf Hersteller und Händlerseite würden die Kosten des Gesundheitsschutzes und des Täuschungsverbotes privatisieren.
Der lediglich nachsorgende Schutz vor Täuschung und Gesundheitsgefährdung hingegen sozialisiert die Kosten, entlastet die Unternehmen und belastet die Allgemeinheit. Die Politik hat darin versagt, diese Entwicklung aufzuhalten und hat damit die Steuerungshoheit über den Markt an die Nahrungsmittelindustrie abgegeben.
10. Das gesetzliche Regelwerk muss umfassend geändert werden, sodass die zentralen Leitprinzipien des Lebensmittelrechts, das Vorsorgeprinzip und das Gebot der Rückverfolgbarkeit, effektiv in der Praxis umgesetzt und die Verbraucher damit präventiv geschützt werden.
Informationspflichten der Behörden und Unternehmen, Informationsrechte der Verbraucher sowie ergänzende straf- und zivilrechtliche Sanktions- und Haftungsregeln müssen diese Veränderung des gesetzlichen Rahmens ergänzen und gleichermaßen eine starke präventive Wirkung ausüben.
11. Ein präventiv ausgerichtetes Lebensmittelrecht wird zum Abbau der Bürokratie beitragen, denn Transparenz, Haftung und effektive Sanktionen sind wirksame Elemente der Selbststeuerung von Märkten.
Eine grundlegende Verbesserung der rechtlichen Stellung der Verbraucher muss darüber hinaus Demokratiedefizite des Verbraucherschutzes, die auf europäischer und nationaler Ebene bestehen, beseitigen.
Die Rechtsetzung auf EU-Ebene ist nicht ausreichend demokratisch kontrolliert. Sie bietet deshalb ein Einfallstor für Lobbyinteressen der Lebensmittelwirtschaft zum Nachteil der Verbraucher (z. B. Komitologieverfahren bei der Festsetzung von Grenzwerten). Gleichermaßen wird die noch verbleibende nationale Rechtsetzung in Deutschland durch die Interessen der Lebensmittelwirtschaft dominiert (Beispiel: Festlegung der Verkehrsbezeichnungen/Leitsätze für Lebensmittel durch die „Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission").
Schließlich müssen die Verbraucher durch ein Verbandsklagerecht auf nationaler/europäischer Ebene die Möglichkeit erhalten, die Einhaltung der lebensmittel- und verbraucherschutzrechtlichen Anforderungen einzuklagen. Verbandsklagen käme insoweit auch eine Bündelungsfunktion für individuelle Verbraucherinteressen zu.
12. Europäische und nationalstaatliche Maßnahmen: Die von Foodwatch erhobenen Forderungen, die sich auf das Lebensmittelrecht im engeren Sinne, also die Herstellung und Kennzeichnung von Lebensmitteln beziehen, können in der Regel nur auf europäischer Ebene beschlossen werden.
Die Forderungen nach verbesserten Informationsrechten, effektiveren Lebensmittelkontrollen sowie wirksamen zivil- und strafrechtlichen Maßnahmen beziehen sich auf die deutsche Situation und können nationalstaatlich umgesetzt werden.
Trotz weitgehender europäischer Harmonisierung des Lebensmittelrechts gibt es also durchaus Möglichkeiten, durch nationalstaatliche, flankierende Maßnahmen die rechtliche Stellung der Verbraucher im Lebensmittelmarkt zu stärken.