Das junge Regieduo Biel/Zboralski inszeniert
Georg Büchners „Leonce und Lena"
als hedonistischen Anarchieakt, der Herrschaft beseitigt
Im Mittelpunkt der Bonner Inszenierung des Büchnerstücks im Büchnerjahr (200. Geburtstag) stehen Leonce (Benjamin Berger) und Lena (Johanna Falckner), Valerio (Sören Wunderlich) und Rosetta (sehr erotisch Julia Keiling). Rosetta tritt an die Stelle der ein wenig piefigen Gouvernante. Valerio und die bei Büchner eher unbedeutende Rosetta ziehen die Fäden, dass es nur so kracht, Italien wirklich zum Kulminationspunkt aller Sehnsüchte wird. Ansatzpunkt der gagreichen Inszenierung ist der Hedonismus und so wird alles, was die vier jungen Leute wollen, zum Mittelpunkt der Realisierung einer lebensbejahenden und alles Herrschende ablehnenden und doch recht romantischen, aber vor allem einfallsreich-komischen Auflehnung der Jugend gegen das Existierend-Lächerliche des herrschenden König Peter von Popo, der von zwei hinreißend exaltiert-lächerlichen Hofschranzen umgeben ist,....das komplette Ensemble sprüht vor Spiellaune in sehr pontierten Kostümen von Petra Winter und im Licht von Sirko Lamprecht mit schönen Akzenten. Die Bühne des Regieduos Biel/ Zboralski ist auch wieder nach all den leeren Bühnenräumen der vergangenen dreißig Jahre endlich wieder ein Bühnenraum der das Prädikat Bühnenbild verdient, aber er wirkt auch manchmal ein wenig leer und groß....ist wohl so gewollt....
In der ersten Woche der neuen Regierung wird das hedonistische Thema plötzlich ungeheuer aktuell, weil die neue Arbeitministerin den Anwesenheitswahn in den Betrieben im Zeitalter der modernen Kommunikationsmittel geißelt, einzelne Medien das missverstehen und von einer Anklage gegen den Arbeitswahn sprechen, der neue Staatssekretär mit der Forderung nach flexiblen und wohl auch familienfreundlichen Arbeits- und Arbeitszeitmodellen zu sprechen beginnt...Sicher ist der Hedonismus eine der wenigen Widerstandsmöglichkeiten gegen den Kapitalismus, egal obs nun funktioniert oder nicht....
Das ganze Szenario spielt sich vor einem mit Zirkus- und Varietelampen bestückten liegenden Buchstaben ab , der ein b, ein d, ein p oder ein g sein könnte, letztendlich egal, denn auf, vor, um und um ihn herum und neben einem kleinen Campingwagen, ich würde sagen aus den Sechzigern, agieren die vier Protagionisten so sicher und mitreißend, dass ihnen das Publikum zu Füßen liegt.
Das nimmt bisweilen groteske Züge an, wenn zwei alte Damen hinter mir wohl eher ungewollt beinahe tourettemäßig jeden Schritt auf der Bühne kommentieren, als wäre sie die beiden Alten aus der Muppet-Show. Solche mitreissende Inszenierungen habe ich in ihrem alle Grenzen sprengenden Stil vielleicht zuletzt von der Gruppe Gob Squad gesehen, sie erinnern mich aber ganz stark auch an Jürgen Flimms Kölner Inszeneirung von Leonce und Lena aus den Achtzigern und seine zeitnahe Baal-Inszenierung, Gerade Baal könnte der hedonistische Bruder von Valerio sein. Kleidungstechnisch trägt Leonce sicher nicht zufällig ein Sebastian-Horsley-Kostüm.
Das ganze Kreativteam überzeugt in einem für einen Vorweihnachtssamstag gut gefüllten Bonner Theater. Es gibt Leute, die sprachen von der stärksten Inszenierung der neuen Schauspielleitung Nicola Bramkamp, die bei der Dramaturgie mitwirkt und sicher auch für die Auswahl des junglebendigen Regieduos Biel/Zboralski verantwortlich zeichnet, an dessen Ansatz ich keine, an der Umsetzung leider ein paar handwerkliche Kritikpunkte habe, etwa die Verflachung zum Ende, sicher auch eine Stückproblematik, obwohl die Herrschaftskrone symbolisch in den Gulli entsorgt und ein Flitterregen wie bei einer Fußballpokal nebst Vaudevillehappyend noch einmal Endakzente setzen...
Beherrschendes Element ist der junge Büchner als ironisch-flapsiger Erzähler in einem von Instrumenten beherrschten Plüschobjekt, Büchner das ist der Musiker Knarf Rellöm, der für diesen ganzen Musikrahmen verantwortlich zeichnet, mit Guitarrensongs beginnt, wenn das Publikum das Theater betritt und mit Langhaarperrücke a la Schobert/Black nach knapp zwei Stunden endet. So wird aus den Langweileparaphrasen im hedonistischen Kontext ein echter Theaterkracher, der als Neuauflage einer Bremer Inszenierung natürlich auch die Spaßerwartungen des Publikums eher bedient als unterläuft. Untypisch, dass das bürgerliche Publikum voll darauf abfährt, wobei Videos des Regieduos und von Lars Figge nicht fehlen dürfen.
Die binsenbeweisheitete Anmerkung, dass das ja wohl nicht alles reiner Büchnertext war, dürfte allerdings nicht fehlen. Für eine solche Inszenierung wäre die neue Kölner Intendanz nach Karin Baier gesteinigt worden. Der insgesamt nicht hyperauffälligen neue Intendanz in Bonn pflichten die Medien dagegen bei. Für mich nur ein Indiz für die auffällige Theaterinkompetenz vieler Kritiker und die schwierige Subjektivität der Rezensionssituation. Der berühmte Theaterkritiker der ZEIT, Benjamin Henrichs, verglich oft Fußball mit Theater, wo auch das Publikum mitziehen muss. Note fürs Publikum am Samstag eine glatte Eins. Der Rezensent schließt wie immer nicht aus, dass ihm ein F... quersaß, was zu leichten Punktabzügen führte.
Das Videospiel auf den Bühnenbildelemeneten und vor allem auf und im Wohnwagen ist sehr komisch und ein echtes inszenatorisches Kabinettstückchen. Am Schluss in Idealzeit (nicht für mich, denn ich liebe lange Theaterabende ab dreieinhalb Stunden) jubelt das Publikum lange und berechtigt, wobei Glenn Goltz als König Peter und die beiden hinreißend bescheuerten Diener/Staatsminister von Thomas Hatzmann und Samuel Braun ein sehr spielfreudiges Ensemble komplettieren und neugierig auf mehr Bonner Theater machen.
http://namkoartist.wordpress.com
Georg Büchners „Leonce und Lena"
als hedonistischen Anarchieakt, der Herrschaft beseitigt
Im Mittelpunkt der Bonner Inszenierung des Büchnerstücks im Büchnerjahr (200. Geburtstag) stehen Leonce (Benjamin Berger) und Lena (Johanna Falckner), Valerio (Sören Wunderlich) und Rosetta (sehr erotisch Julia Keiling). Rosetta tritt an die Stelle der ein wenig piefigen Gouvernante. Valerio und die bei Büchner eher unbedeutende Rosetta ziehen die Fäden, dass es nur so kracht, Italien wirklich zum Kulminationspunkt aller Sehnsüchte wird. Ansatzpunkt der gagreichen Inszenierung ist der Hedonismus und so wird alles, was die vier jungen Leute wollen, zum Mittelpunkt der Realisierung einer lebensbejahenden und alles Herrschende ablehnenden und doch recht romantischen, aber vor allem einfallsreich-komischen Auflehnung der Jugend gegen das Existierend-Lächerliche des herrschenden König Peter von Popo, der von zwei hinreißend exaltiert-lächerlichen Hofschranzen umgeben ist,....das komplette Ensemble sprüht vor Spiellaune in sehr pontierten Kostümen von Petra Winter und im Licht von Sirko Lamprecht mit schönen Akzenten. Die Bühne des Regieduos Biel/ Zboralski ist auch wieder nach all den leeren Bühnenräumen der vergangenen dreißig Jahre endlich wieder ein Bühnenraum der das Prädikat Bühnenbild verdient, aber er wirkt auch manchmal ein wenig leer und groß....ist wohl so gewollt....
In der ersten Woche der neuen Regierung wird das hedonistische Thema plötzlich ungeheuer aktuell, weil die neue Arbeitministerin den Anwesenheitswahn in den Betrieben im Zeitalter der modernen Kommunikationsmittel geißelt, einzelne Medien das missverstehen und von einer Anklage gegen den Arbeitswahn sprechen, der neue Staatssekretär mit der Forderung nach flexiblen und wohl auch familienfreundlichen Arbeits- und Arbeitszeitmodellen zu sprechen beginnt...Sicher ist der Hedonismus eine der wenigen Widerstandsmöglichkeiten gegen den Kapitalismus, egal obs nun funktioniert oder nicht....
Das ganze Szenario spielt sich vor einem mit Zirkus- und Varietelampen bestückten liegenden Buchstaben ab , der ein b, ein d, ein p oder ein g sein könnte, letztendlich egal, denn auf, vor, um und um ihn herum und neben einem kleinen Campingwagen, ich würde sagen aus den Sechzigern, agieren die vier Protagionisten so sicher und mitreißend, dass ihnen das Publikum zu Füßen liegt.
Das nimmt bisweilen groteske Züge an, wenn zwei alte Damen hinter mir wohl eher ungewollt beinahe tourettemäßig jeden Schritt auf der Bühne kommentieren, als wäre sie die beiden Alten aus der Muppet-Show. Solche mitreissende Inszenierungen habe ich in ihrem alle Grenzen sprengenden Stil vielleicht zuletzt von der Gruppe Gob Squad gesehen, sie erinnern mich aber ganz stark auch an Jürgen Flimms Kölner Inszeneirung von Leonce und Lena aus den Achtzigern und seine zeitnahe Baal-Inszenierung, Gerade Baal könnte der hedonistische Bruder von Valerio sein. Kleidungstechnisch trägt Leonce sicher nicht zufällig ein Sebastian-Horsley-Kostüm.
Das ganze Kreativteam überzeugt in einem für einen Vorweihnachtssamstag gut gefüllten Bonner Theater. Es gibt Leute, die sprachen von der stärksten Inszenierung der neuen Schauspielleitung Nicola Bramkamp, die bei der Dramaturgie mitwirkt und sicher auch für die Auswahl des junglebendigen Regieduos Biel/Zboralski verantwortlich zeichnet, an dessen Ansatz ich keine, an der Umsetzung leider ein paar handwerkliche Kritikpunkte habe, etwa die Verflachung zum Ende, sicher auch eine Stückproblematik, obwohl die Herrschaftskrone symbolisch in den Gulli entsorgt und ein Flitterregen wie bei einer Fußballpokal nebst Vaudevillehappyend noch einmal Endakzente setzen...
Beherrschendes Element ist der junge Büchner als ironisch-flapsiger Erzähler in einem von Instrumenten beherrschten Plüschobjekt, Büchner das ist der Musiker Knarf Rellöm, der für diesen ganzen Musikrahmen verantwortlich zeichnet, mit Guitarrensongs beginnt, wenn das Publikum das Theater betritt und mit Langhaarperrücke a la Schobert/Black nach knapp zwei Stunden endet. So wird aus den Langweileparaphrasen im hedonistischen Kontext ein echter Theaterkracher, der als Neuauflage einer Bremer Inszenierung natürlich auch die Spaßerwartungen des Publikums eher bedient als unterläuft. Untypisch, dass das bürgerliche Publikum voll darauf abfährt, wobei Videos des Regieduos und von Lars Figge nicht fehlen dürfen.
Die binsenbeweisheitete Anmerkung, dass das ja wohl nicht alles reiner Büchnertext war, dürfte allerdings nicht fehlen. Für eine solche Inszenierung wäre die neue Kölner Intendanz nach Karin Baier gesteinigt worden. Der insgesamt nicht hyperauffälligen neue Intendanz in Bonn pflichten die Medien dagegen bei. Für mich nur ein Indiz für die auffällige Theaterinkompetenz vieler Kritiker und die schwierige Subjektivität der Rezensionssituation. Der berühmte Theaterkritiker der ZEIT, Benjamin Henrichs, verglich oft Fußball mit Theater, wo auch das Publikum mitziehen muss. Note fürs Publikum am Samstag eine glatte Eins. Der Rezensent schließt wie immer nicht aus, dass ihm ein F... quersaß, was zu leichten Punktabzügen führte.
Das Videospiel auf den Bühnenbildelemeneten und vor allem auf und im Wohnwagen ist sehr komisch und ein echtes inszenatorisches Kabinettstückchen. Am Schluss in Idealzeit (nicht für mich, denn ich liebe lange Theaterabende ab dreieinhalb Stunden) jubelt das Publikum lange und berechtigt, wobei Glenn Goltz als König Peter und die beiden hinreißend bescheuerten Diener/Staatsminister von Thomas Hatzmann und Samuel Braun ein sehr spielfreudiges Ensemble komplettieren und neugierig auf mehr Bonner Theater machen.
http://namkoartist.wordpress.com