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Happy-Hour-Kabinettwein - Riesling von Albrecht Engel

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Weine mit Restsüße haben in Deutschland nicht den besten Ruf. Sie gelten als Omaweine, die ein Kaffeekränzchen abschließen, und merkwürdigerweise stehen sie unter Generalverdacht, Kopfschmerzen zu bereiten.

Das mit den Kaffeekränzchen ist natürlich nicht ganz von der Hand zu weisen, speist sich aber aus der Zeit der Wirtschaftswunderjahre, als viele Deutsche nach den Entbehrungen der Nachkriegszeit Süßes als Belohnung und Zeichen von Wohlstand ansahen. Und das mit den Kopfschmerzen ist natürlich Quatsch, denn es ist nicht die Süße eines Weins, die für den menschlichen Körper schwer verdaulich ist, sondern die sogenannten Gärnebenprodukte, die bei der alkoholischen Gärung entstehen, wenn das Traubenmaterial nur eine geringe Güte aufweist.

Aber es gibt auch einige gute Gründe, die für den Trend zum trockenen Wein sprechen. Da ist zum einen die Entwicklung der modernen Küche, die zu unverfälschten Aromen und zucker- und fettreduzierten Soßen tendiert. Der Wunsch, auf geschmacksverstärkenden Zucker und überzählige Kalorien zu verzichten, setzt sich beim Wein dann fort und ein süßer Wein könnte ja dick machen. Gerade die Damenwelt reagiert auf süße Weine sensibel.

Zum anderen aber, und das könnte der ausschlaggebende Grund sein, gilt in modernen Gesellschaften Zucker per se als schlecht. Sein Genuss macht nicht nur dick, sondern beeinflusst das Nervensystem und hat den Ruf weg, eine Ersatzhandlung für Frustrationen zu sein. Wer kann da noch ehrlich zugeben, dass manchmal Süßes einfach lecker ist?

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Dabei ist es gerade die leichte Küche, zu der eine der ältesten und deutschesten Weinspezialitäten perfekt passt: der fruchtige Kabinettwein. Er ist leicht, er ist aromatisch und er hat eine schmeckbare Restsüße, denn der Kabinettwein stammt von Trauben, deren pikante Säure durch etwas Süße abgepuffert gehört. Warum er zur leichten Küche passt? Ein Kabinettwein hat meist deutlich unter 10% Alkohol und ist, wenn man das altmodische Wort bemühen will, sehr bekömmlich. Wer also gerne Wein genießt, ohne sich gleich in einen Rausch trinken zu wollen, ist bei Kabinettweinen bestens aufgehoben.

Vor 1971, als das deutsche Weingesetz den Begriff Kabinett rechtlich festlegte, galten die Weine aus dem Kabinett als beste Weine eines Weinguts, war es doch das Kabinett, in dem die Winzer ihre Schätze horteten. Erst als in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts jede Kellerei ihre Billigweine zur Steigerung des Luxusempfindens mit dem nicht geschützten Begriff „Kabinett" versah, schritt der Gesetzgeber ein. Seitdem muss der Kabinettwein aus Trauben mit einer gewissen Mindestreife stammen und darf nicht zur Erhöhung des Alkohols aufgezuckert sein.

Leider vergaß der Gesetzgeber 1971, eine Maximalreife der Trauben festzulegen, so dass man heute, wenn man einen Kabinettwein blind im Supermarkt kauft, durchaus das Pech haben kann, einen schwereren und alkoholstärkeren Wein ins Glas zu bekommen. Der Blick auf den Alkoholgehalt verrät meist, ob der Wein ein echter Kabinettwein oder mehr eine verkappte Spätlese ist.

Der 2013 Riesling Kabinett Frauenberg vom gerade mal 22jährigen Albrecht Engel ist einer dieser authentischen Kabinettweine, wie es sie nur in Deutschland gibt: niedrig im Alkohol, leicht im Körper - aber vibrierend und aufrüttelnd im Mund. Es ist dieses Spiel aus erfrischender Säure und fulminanter Süße, die den Wein am Gaumen förmlich explodieren lässt. Die Frucht des Rieslings entwickelt einen derart straffen Zug und hat dabei doch etwas so wunderbar Tänzelndes, dass man sich nicht entziehen kann. Das ist der Rhythmus, wo man mit muss.

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Weine mit pikanter Säure und etwas Restsüße entwickeln oftmals einen Limonadencharakter: lecker, aber etwas einfach. Der Kabinett von Albrecht Engel erinnert eher an eine Kanonenkugel, als an Limonade, was sicherlich dem Umstand geschuldet ist, dass der Wein aus einer der besten Lagen des südlichen Rheinhessens, wenn nicht ganz Deutschlands kommt. Der Frauenberg ist eine extreme Kalklage, die an einem Talanfang steht und durch den ständigen Windzug die Reife der Trauben verzögert. So kann der Riesling sein ganzes Aromenspektrum langsam entwickeln und eine herrliche Tiefe entfalten.

Zum Schluss ein Blick aufs Etikett: mit nur 7% Alkohol - trockene Weine haben meist das Doppelte - ist der 2013 Riesling Kabinett Frauenberg vom Weingut Albrecht Engel ein echter Happy-Hour-Wein. Hier gibt es zwei Gläser für die Wirkung von nur einem Glas, und das mit einem Aromenreichtum, der seinesgleichen sucht.

Meine Empfehlung: 2013 Riesling Kabinett Frauenberg vom Weingut Albrecht Engel, EUR 11 direkt ab Weingut, mehr Infos: www.engelalbrecht.de

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