Deutschland ist das Land der Pflichten und Regeln. Die Bürokratie kann die Bürger beizeiten in den Wahnsinn treiben - erst recht die besonders freiheitsliebenden unter ihnen. Allerdings ist nicht jede neue Verordnung reine Erbsenzählerei. Und manches Mal wünscht man sich im Nachhinein, es hätte lieber eine Gesetzesregelung mehr als weniger gegeben: Ein Fall aus Schleswig hat die Diskussion um eine Helmpflicht für Fahrradfahrer neu entfacht.
Bisher gilt sie nur für motorisierte Zweiräder wie Mofas oder Motorräder. Der Fall von Sabine Lühr-Tank veranlasste nun das Gericht, das noch einmal zu überdenken.
Versicherungen führen inoffizielle Helmpflicht ein?
Die 61-Jährige erlitt vor drei Jahren mehrere Schädelfrakturen und ein Schädel-Hirn-Trauma, nachdem sie über eine geöffnete Autotür mit dem Kopf auf den Asphalt gestürzt war. Das Gerichtsurteil damals war überraschend: Die Haftpflichtversicherung weigerte sich, den Schaden voll zu decken - und bekam Recht. Der Physiotherapeutin wurde eine 20-prozentige Mitschuld am Schaden zugesprochen, weil sie keinen Helm trug.
Lühr-Tank ging in Revision, das Urteil wird am 17. Juni bekannt gegeben. Gegner der Helmpflicht fürchten nun - sollte die Versicherung Recht zugesprochen bekommen - eine Durchsetzung der Helmpflicht durch die Hintertür. Das bedeutet, dass rein rechtlich gesehen nach wie vor kein Zwang besteht, einen Helm zu tragen. Die Tatsache jedoch, dass Radfahrer wie Sabine Lühr-Tank dennoch für das Nicht-Tragen eines Helmes belangt werden können, lässt nun Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs vermuten, dass die Versicherungen damit den Weg ebnen, einen inoffiziellen Helmzwang zu installieren.
Hohe Opferzahlen
Aber wäre das denn überhaupt so schlecht? Schließlich landen jedes Jahr laut dem statistischen Bundesamt rund 14.000 schwer verletzte Fahrradfahrer in deutschen Krankenhäusern. Mit weniger gravierenden Verletzungen sind sogar 60.000 Verunglückte Radler - wobei die Dunkelziffer von Experten wiederum auf das Dreifache geschätzt wird.
Hier sind 3 Gründe, warum Sie sich sofort einen Helm aufschnallen sollten - und die eine Ausrede, warum Sie wahrscheinlich trotzdem lieber ohne fahren.
1. Sicherheit
Laut dem statistischen Bundesamt betrifft etwa ein Viertel der Verletzungen von verunglückten Fahrradfahrern den Kopf. Das macht bei jährlich etwa 70.000 Verunglückten einen Anteil etwa 17.500 Menschen aus. Laut Aussage der Hannelore Kohl Stiftung lassen sich rund 80 Prozent der schweren Hirnverletzungen durch einen Fahrradhelm vermeiden.
Die Bereitschaft der Deutschen, bisher freiwillig einen Helm zu tragen, ist dennoch relativ gering. Gerade mal 15 Prozent der Radfahrer tragen einen Helm - bei der Altersgruppe der 22 bis 30-Jährigen sind es sogar nur etwa fünf Prozent.
Für besonders wichtig halten Experten der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (GDU) eine Helmpflicht für Kinder: „Kinder sind durch ihre mangelnde Erfahrung im Straßenverkehr und die noch unzureichende Feinmotorik die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Sie sind somit besonders unfallgefährdet", erklärt der Generalsekretär der GDU, Professor Reinhard Hoffmann.
Auch Fahrer von Mountainbikes, Rennrädern und sogenannten "Fixies" (bremsenlose Rennräder) - die in schwierigerem Gelände oder mit höheren Geschwindigkeiten als herkömmliche Fahrräder unterwegs sin - sollten sich das mit dem Helm überlegen. „Dort, wo höhere Geschwindigkeiten im Spiel sind, steigt auch das Unfall- bzw. Verletzungsrisiko. Eine größere Risikobereitschaft sollte mit einer höheren Helmtragebereitschaft einhergehen“, so Hoffmann.
2. Verbesserte Sichtbarkeit
Der Helm kann auch dabei helfen, den Fahrer - besonders in der Dunkelheit - besser sichtbar zu machen. Nicht zuletzt führt oft die unzureichende Beleuchtung der Räder zu Unfällen. Ein Fahrrad ohne Lampe und Reflektoren ist nachts quasi unsichtbar für Autofahrer - und umgekehrt.
Ein Helm, ausgestattet mit Lampe oder Reflektoren, bietet zusätzlichen Sichtschutz für den Fahrer und vor allem auch für die anderen Verkehrsteilnehmer.
3. Vorbildfunktion
Es ist verständlich, dass es ein Sechsjähriger nicht einsieht, einen Helm zu tragen, wenn seine Mutter es auch nicht tut. Bei steigendem Alter wird der Einfluss der Eltern jedoch immer geringer, und die Meinung von Gleichaltrigen gewinnt an Bedeutung.
Das erklärt auch die extrem niedrige Zahl der Helmträger unter den 20- bis 30-Jährigen. Je weniger junge Menschen einen Helm tragen, desto weniger lassen sich Gleichaltrige überreden, ihrerseits einen aufzusetzen. Es lohnt, den Anfang zu machen. Warum? Siehe Gründe 1. und 2.
Warum so viele trotzdem keinen Helm tragen
Organisationen wie der "Allgemeine Deutsche Fahrradclub" argumentieren, dass ein Helmzwang die Bürger davon abhalte, Fahrrad zu fahren. Sein Szenario ist, dass die die trotzigen Ex-Radler dann wieder aufs Auto umsteigen - was sowohl der Gesundheit als auch der Umwelt schade. Auch bemängeln die Experten, dass Helmträger tendenziell risikobereiter fahren und auch die Autofahrer rücksichtsloser mit Helmträgern umgehen.
Aber Hand aufs Herz: Der wahre - und traurige - Grund, warum viele keine Lust haben, einen Helm zu tragen, ist pure Oberflächlichkeit. So ausgeklügelt, federleicht und aerodynamisch die Lebensretter auch sein mögen - es existiert bisher kein Helm auf dieser Welt, der seinen Träger aus ästhetischen Gesichtspunkten schmeicheln würde.
Es ist wie so oft im Leben: Wir wähnen uns in trügerischer Sicherheit. Bis es kracht.
Bisher gilt sie nur für motorisierte Zweiräder wie Mofas oder Motorräder. Der Fall von Sabine Lühr-Tank veranlasste nun das Gericht, das noch einmal zu überdenken.
Versicherungen führen inoffizielle Helmpflicht ein?
Die 61-Jährige erlitt vor drei Jahren mehrere Schädelfrakturen und ein Schädel-Hirn-Trauma, nachdem sie über eine geöffnete Autotür mit dem Kopf auf den Asphalt gestürzt war. Das Gerichtsurteil damals war überraschend: Die Haftpflichtversicherung weigerte sich, den Schaden voll zu decken - und bekam Recht. Der Physiotherapeutin wurde eine 20-prozentige Mitschuld am Schaden zugesprochen, weil sie keinen Helm trug.
Lühr-Tank ging in Revision, das Urteil wird am 17. Juni bekannt gegeben. Gegner der Helmpflicht fürchten nun - sollte die Versicherung Recht zugesprochen bekommen - eine Durchsetzung der Helmpflicht durch die Hintertür. Das bedeutet, dass rein rechtlich gesehen nach wie vor kein Zwang besteht, einen Helm zu tragen. Die Tatsache jedoch, dass Radfahrer wie Sabine Lühr-Tank dennoch für das Nicht-Tragen eines Helmes belangt werden können, lässt nun Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs vermuten, dass die Versicherungen damit den Weg ebnen, einen inoffiziellen Helmzwang zu installieren.
Hohe Opferzahlen
Aber wäre das denn überhaupt so schlecht? Schließlich landen jedes Jahr laut dem statistischen Bundesamt rund 14.000 schwer verletzte Fahrradfahrer in deutschen Krankenhäusern. Mit weniger gravierenden Verletzungen sind sogar 60.000 Verunglückte Radler - wobei die Dunkelziffer von Experten wiederum auf das Dreifache geschätzt wird.
Hier sind 3 Gründe, warum Sie sich sofort einen Helm aufschnallen sollten - und die eine Ausrede, warum Sie wahrscheinlich trotzdem lieber ohne fahren.
1. Sicherheit
Laut dem statistischen Bundesamt betrifft etwa ein Viertel der Verletzungen von verunglückten Fahrradfahrern den Kopf. Das macht bei jährlich etwa 70.000 Verunglückten einen Anteil etwa 17.500 Menschen aus. Laut Aussage der Hannelore Kohl Stiftung lassen sich rund 80 Prozent der schweren Hirnverletzungen durch einen Fahrradhelm vermeiden.
Die Bereitschaft der Deutschen, bisher freiwillig einen Helm zu tragen, ist dennoch relativ gering. Gerade mal 15 Prozent der Radfahrer tragen einen Helm - bei der Altersgruppe der 22 bis 30-Jährigen sind es sogar nur etwa fünf Prozent.
Für besonders wichtig halten Experten der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (GDU) eine Helmpflicht für Kinder: „Kinder sind durch ihre mangelnde Erfahrung im Straßenverkehr und die noch unzureichende Feinmotorik die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Sie sind somit besonders unfallgefährdet", erklärt der Generalsekretär der GDU, Professor Reinhard Hoffmann.
Auch Fahrer von Mountainbikes, Rennrädern und sogenannten "Fixies" (bremsenlose Rennräder) - die in schwierigerem Gelände oder mit höheren Geschwindigkeiten als herkömmliche Fahrräder unterwegs sin - sollten sich das mit dem Helm überlegen. „Dort, wo höhere Geschwindigkeiten im Spiel sind, steigt auch das Unfall- bzw. Verletzungsrisiko. Eine größere Risikobereitschaft sollte mit einer höheren Helmtragebereitschaft einhergehen“, so Hoffmann.
2. Verbesserte Sichtbarkeit
Der Helm kann auch dabei helfen, den Fahrer - besonders in der Dunkelheit - besser sichtbar zu machen. Nicht zuletzt führt oft die unzureichende Beleuchtung der Räder zu Unfällen. Ein Fahrrad ohne Lampe und Reflektoren ist nachts quasi unsichtbar für Autofahrer - und umgekehrt.
Ein Helm, ausgestattet mit Lampe oder Reflektoren, bietet zusätzlichen Sichtschutz für den Fahrer und vor allem auch für die anderen Verkehrsteilnehmer.
3. Vorbildfunktion
Es ist verständlich, dass es ein Sechsjähriger nicht einsieht, einen Helm zu tragen, wenn seine Mutter es auch nicht tut. Bei steigendem Alter wird der Einfluss der Eltern jedoch immer geringer, und die Meinung von Gleichaltrigen gewinnt an Bedeutung.
Das erklärt auch die extrem niedrige Zahl der Helmträger unter den 20- bis 30-Jährigen. Je weniger junge Menschen einen Helm tragen, desto weniger lassen sich Gleichaltrige überreden, ihrerseits einen aufzusetzen. Es lohnt, den Anfang zu machen. Warum? Siehe Gründe 1. und 2.
Warum so viele trotzdem keinen Helm tragen
Organisationen wie der "Allgemeine Deutsche Fahrradclub" argumentieren, dass ein Helmzwang die Bürger davon abhalte, Fahrrad zu fahren. Sein Szenario ist, dass die die trotzigen Ex-Radler dann wieder aufs Auto umsteigen - was sowohl der Gesundheit als auch der Umwelt schade. Auch bemängeln die Experten, dass Helmträger tendenziell risikobereiter fahren und auch die Autofahrer rücksichtsloser mit Helmträgern umgehen.
Aber Hand aufs Herz: Der wahre - und traurige - Grund, warum viele keine Lust haben, einen Helm zu tragen, ist pure Oberflächlichkeit. So ausgeklügelt, federleicht und aerodynamisch die Lebensretter auch sein mögen - es existiert bisher kein Helm auf dieser Welt, der seinen Träger aus ästhetischen Gesichtspunkten schmeicheln würde.
Es ist wie so oft im Leben: Wir wähnen uns in trügerischer Sicherheit. Bis es kracht.
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