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Levi und der Frontblitzer

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Im Sinne einer Einleitung möchte ich ein Geständnis ablegen: Ich bin Polizeifan. Seit ich mich zurückerinnern kann, haben mich Polizeiautos und im Speziellen ihre Signalleuchten in einen tiefen Bann gezogen. Ich besaß einen großen Fuhrpark von Spielzeug-Polizeiautos, was mich sehr glücklich machte, aber auch ein wenig traurig, da die kleinen blauen Plastikhauben auf den Autodächern leer waren und nicht blinken konnten. Groß deshalb meine Freude, als LEGO einige seiner Modelle entsprechend elektrifizierte!

Üblicherweise wachsen sich solche Bubenträume irgendwann aus. Dieser hier aber hielt ein Leben lang. Fährt ein Notfallfahrzeug auf Dienstfahrt an mir vorbei, bleibe ich noch heute stehen und ergötze mich an dem prachtvollen Bild, das die blinkenden blauen Lichter in die Stadt zaubern - früher als Drehlicht, später mit Stroboskop, heute zunehmend mit LED.

2014-06-02-CycleSirenTrooper.jpg
CycleSiren Trooper


Sie sehen, ich bin technisch voll auf der Höhe. Selbstredend führte meine fundierte Kenntnis auf diesem Gebiet auch zu diversen Anschaffungen. So besitze ich eine »Trooper«-Anlage von CycleSiren, die Sie hier im Einsatz sehen dürfen. Ich verfüge aber auch über einen sogenannten Frontblitzer, der zwischen Windschutzscheibe und Armaturenbrett befestigt und per 12-Volt-Anschluss betrieben wird. Konkret handelt es sich um eine LED-Doppelblitz-Warnleuchte »Typ 43« der Firma Hänsch. Um meinen Polizeifetisch zu befriedigen, führte ich sie stets im Auto mit. Das bloße Wissen darum, sie jederzeit einsetzen zu können, erfüllte mich bereits völlig.

2014-06-02-Blitzer.jpg
Hänsch Typ 43



Dennoch dürstete es mich zugegebenermaßen stets, mir einmal mit überhöhter Geschwindigkeit und eingeschalteter Warnleuchte eine Schneise in den Verkehr erzwingen zu können. Als richtiger Polizeifan fühlt man so: Man brennt vor Neid gegenüber den Leuten, die das verbriefte Recht zu Blaufahrten haben. Andere beneiden die Reichen oder die Berühmten; ich beneide die Polizei.

Letzte Woche ergab sich der Umstand, dass ich eine schwangere Frau ins Spital fahren musste. Dies erschien mir als eine passende Gelegenheit, meine Warnleuchte einzusetzen. Schließlich handelte es sich eindeutig um einen Notfall.

So rauschte ich letzten Freitag kurz nach Mitternacht über die - zu meinem großen Verdruss fast leere - Autobahn und erfreute mich am Widerschein meiner Warnleuchte, der die nächtliche Umgebung erhellte, sowie daran, dass die anderen Verkehrsteilnehmer brav Platz machten.

Ich wusste nicht, was mich mehr beflügelte; die Aussicht darauf, Vater zu werden, oder das Gefühl, am Steuer eines Undercover-Notfallfahrzeuges zu sitzen. Vermutlich die Verbindung aus beidem.

Kurz nach der Ausfahrt merkte ich, dass jemand hinter mir herfuhr. Sehen aus wie die Scheinwerfer eines BMW, dachte ich nach einem Blick in den Rückspiegel.

Ich sah noch einmal genau hin. Es war tatsächlich ein BMW. Ein BMW der Kantonspolizei. Er fuhr mir auch nach, als ich zum Parkplatz des Spitals einbog.

Wir stiegen aus. Ich trat zu den Polizisten, wies auf meine schwangere Freundin, die gerade umständlich aus dem Wagen kletterte, und sagte:

»Erst das, dann wir, okay?«

»Okay«, sagte der eine Polizist.

Nachdem die Dame mit ihrem Gepäck den Nachtschwestern übergeben worden war, stellte ich mich den Ordnungskräften. Die waren sehr neugierig:

»Wir haben gesehen, dass es da aus ihrem Auto blinkt. Was ist das?«

»Ein Frontblitzer«, antwortete ich.

Die beiden wechselten einen Blick. Sie hatten es offensichtlich mit einem Fachmann zu tun.

»Erst dachten wir, das sei einer von uns«, sagte der eine Polizist, und eine Welle von tiefem Stolz durchrauschte mich. »Warum fahren Sie mit einem Frontblitzer herum?«

»Wissen Sie ...«, gestand ich, »... seit ich ganz klein bin, bin ich Polizeifan. Ich liebe Polizeiautos und Blaulichter. Darum habe ich mir auch so eines gekauft. Ja, und ich dachte, wenn ich schon mal eine schwangere Frau ins Spital fahre ... das sei doch eine passende Gelegenheit.«

Die beiden wechselten wieder einen Blick. »Soso«, sagte der eine und überlegte, während der andere den Frontblitzer studierte, den ich aus dem Auto geholt hatte. »Also«, sagte der erste dann, »kaufen dürfen Sie sowas ja. Sie dürfen sogar einen Dachbalken montieren.« Er zeigte auf sein Auto, wo ein solcher angebracht war.

»Sowas dürfen Sie mir nicht sagen«, warnte ich, mir bereits überlegend, welches Modell ich mir zulegen sollte.

»Aber benutzen«, fuhr er fort, »das ist nicht erlaubt. Theoretisch müssten wir einen Rapport schreiben. Was meinst du?« fragte der Polizist seinen Kollegen

»Schauen wir mal, was gegen Sie vorliegt«, sagte dieser.

»Das ist eine gute Idee«, sagte der erste, nahm meinen Fahrausweis und ging telefonieren.

»Haben Sie sich denn mal bei der Polizei beworben?« fragte der andere.

»Ich hatte die Unterlagen damals angefordert ...«, antwortete ich, »... aber es nahm dann einen anderen Weg«.

»Sie können ja immer noch?« Er hielt mich offenbar für geeignet.

»Ich bin Achtunddreißig«, sagte ich betrübt.

»Ja, dann geht's leider nicht mehr«, sagte er, ebenfalls etwas traurig.

Der erste Polizist kam zurück. Es lag nichts gegen mich vor.

»Also«, sagte er. »Wir machen das jetzt so. Sie bringen jetzt dieses Kind zur Welt und legen den Frontblitzer zuhause in eine Vitrine oder sowas. Aber Sie werden ihn nie wieder benutzen.«

»Verstanden«, sagte ich.

»Sehr gut. Was gibt es? Mädchen oder Junge?«

»Wir wissen es nicht.«

»Viel Glück«, sagten die Polizisten und stiegen in ihren schönen BMW mit dem schönen Dachbalken ein.

Zehn Stunden später kam Levi Max zur Welt. Und ich werde ihm eines Tages eine ziemlich gute Geschichte erzählen können.

2014-06-02-LeviMax.jpg
Levi Max

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