Am Ende stürmischer Beifall für die tollen Schauspieler und ebenso stürmischer Beifall für einen großen Theaterabend im depot 2, an dem es handwerklich nichts zu kritisieren gibt und der ein glänzend aufgelegtes Viermannensemble - Johannes Bennecke, Bruno Cathomas, Philipp Plessmann und Magda Lena Schott - in mehr als zwei Dutzend Rollend zeigt, dabei alle letztendlich im Dienste der Puppe und des Romanhelden Karl Rossmanns und im Grunde bereit sich bis zur totalen Lächerlichkeit zu verausgaben, um die ja immer ein wenig exzentrischen Kafka-Figuren zu kennzeichen oder durch urkomisches Chargieren zu kennzeichnen.
Dass die drei gelernten Puppenspieler die Kunst der Puppenspielstimmverstellung beherrschen darf vorausgesetzt werden, aber hier möchte ich doch Bruno Cathomas besonders loben (wenn auch nicht aus einer vollkommen überzeugenden Gesamtleistung und einem tollen Gesamtkunstwerk herausheben), der bis an die Grenzen des Stimmbandkatarrhs mit seinem Sprechorganen zu zaubern bereit ist.
Dass einem die kleine Puppe des Karl Rossmann so ans Herz wächst und die Interpretation so weit in die Tiefe geht, das ist die Kunst des Moritz Soestmann, seines Puppenbauers Hagen Tilp, der puppenführenden Darsteller und auch des unglaublich variablen und präzisen Bühnen- und Kostümbildes von Klemens Kühn, das mithilfe der gekonnt zwischen Photo und bewegtem Bild hin und her pendelnden Videohintergrundarbeit von Hannes Hesse und Musik von Darsteller Philipp Plessmann, ins rechte Licht gesetzt von Hartmut Litzinger, eine atmosphärisch dichte und bilderreiche Reise durch Kafkas Amerika bietet, die ich kaum für möglich gehalten habe.
Die Kunst, das doch recht umfangreiche Romanfragment ohne Verluste auf die perfekte Abendlänge von 120 Minuten zusammen zu streichen (Textfassung Moritz Soestmann und Dramaturgin Sibylle Dudek) und neben etlichen Absahnemomenten für seine Darsteller auch noch das Kunststück fertig zu bringen, die ganze Geschichte in den Rahmen des Oklahoma-Naturtheaters zu packen und den kleinen Karl/Kerl nicht nur zum heimlichen Star des Abends zu inszenieren, sondern auch zum Spielball des Knall-Chargen-Oklahoma-End-Theaters zu machen, das ist aller Ehren wert.
Am Ende steht die "verkleinerte" Rossmann-figur im kleinen Scheinwerferkreis und ist nicht nur ganz groß herausgekommen, nein, es ist das Sinnbild des Theaters vor dem ironisch-üppigen, fast zu schön rot beleuchteten Theatervorhang, das mit den Schlussworten diese Odyssee wenigstens nicht tödlich enden lässt: "Erst jetzt begriff (der kleine und junge) Karl Rossmann, wie groß Amerika war." Licht aus. Dieses Theater hatte wohl jeden zu Anfang "zur künstlerischen Mitarbeit" eingeladen und dann in seinen Bann gezogen.
Wie schon gesagt, am Ende großer Jubel, lang anhaltender Applaus, der Rezensent, der eine ausführlichere Besprechung auf die nächste Woche verschiebt, stimmt erkältungsgeplagt, aber ausdrücklich zu. Bis zur Rezension wird er wohl die kleinen Wackler und Unverständlichkeiten der letzten Viertelstunde, die aber wohl eher seiner laufenden Nase, seinen Niesattacken und seinem Gesamtzustand geschuldet waren, für sich geklärt haben. Er ist ermattet gen Wohnort gefahren, auch erleichtert, dass er nichts erkältungs-gesprengt und behindert hat: Bravo, Bravo Bravissimo....und hoffentlich noch ganz viele Moritz-Soestmann-Inszenierungen mit diesen Puppen und Darstellern, bitte vor allem in Köln.
Ich erinnere mich an einen Kollegen, der über Mike Leighs "Another Year" schrieb, yum Niederknien. Das war heute Abend Puppenmenschentheater vom Feinsten, ebenfalls zum Niederknien.....
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