Bei der digitalen Transformation kommt es entscheidend darauf an, die Mitarbeiter beim Veränderungsprozess mitzunehmen.
Angesichts vieler Studien, die belegen, dass eine Vielzahl von Berufen und Arbeitsplätzen durch Automatisierung und Roboterisierung in den nächsten Jahren entfallen könnten, ist die Unsicherheit unter Arbeitskräften groß.
Deshalb sollten Unternehmen gewährleisten, dass ihre Mitarbeiter richtig aus- und weitergebildet werden - lebenslang. Je eher sie neu qualifiziert werden, desto größer ist die Chance, dass die digitale Revolution gelingt und zu einer Chance für alle wird.
Dies war auch das Leitthema des 3. Handelsblatt Industriegipfels am 9. und 10. November 2017, bei dem aufgezeigt wurde, wie sich der Arbeitsmarkt spalten könnte: Künftig wird es weniger Mitarbeiter brauchen, die einfache Aufgaben erledigen.
„Wir rechnen damit, dass alle Arten von Standardtätigkeiten nicht mehr von Menschen, sondern von Maschinen ausgeführt werden", sagte die Innovationsforscherin Univ-Prof. Marion A. Weissenberger-Eibl - das betreffe „zunehmend auch kognitive Tätigkeiten".
Andererseits werden Experten benötigt, die die Technik programmieren oder mit ihr zusammenarbeiten können. Auch die Arbeit in der Fabrik wird somit immer anspruchsvoller.
Univ.-Prof. Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl (l.) am 9. November 2017 auf dem Industriegipfel (Foto: privat)
Als Leiterin des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung und Professorin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) betrachtet sie das Thema aus einer ganzheitlichen Perspektive. Für sie ist die Digitalisierung grundsätzlich eine großartige Chance, „Dinge besser zu machen."
Sollten entscheidende Teile der Berufstätigen in Zukunft nicht mehr im gesetzten Rahmen einer Unternehmung beschäftigt sein, wird dies allerdings entscheidende Auswirkungen auf die Zugehörigkeit, das Wir-Gefühl und damit auf die Identität haben.
Zwar können auch Maschinen lernen, aber hier sind noch enge Grenzen gesetzt. ISI-Studien zeigen, dass sich nur einige Berufsprofile mit sehr geringen Qualifizierungsanforderungen wirklich automatisieren lassen. Wenn es um die Zukunft der Arbeit geht, ist also „Wandel" das entscheidende Stichwort.
Es sei nach Ansicht der Wissenschaftlerin zu erwarten, dass die Digitalisierung in der Ökonomie unsere altbekannten Organisationsstrukturen grundlegend verändern wird. Es wäre allerdings noch zu diskutieren, ob Industrie 4.0 an diesem Prozess „nur beteiligt ist, diesen ermöglicht oder ihn gar auslöst."
Grundsätzlich wird es nach ihrer Ansicht darum gehen, mit digitaler Unterstützung Infrastrukturen, Kapazitäten und Kompetenzpotenziale von Firmen in ihrer Gesamtheit möglichst optimal auszunutzen. Aktuell analysiert sie mit ihrem Team die Konsequenzen dieser sogenannten industriell-kollaborativen Wirtschaft.
Bereits heute zeigt sich, dass bei dieser Art der Arbeitsteilung die Vernetzung das A und O für nachhaltigen Erfolg sein wird. Künftig „wird derjenige den Stich machen, dem die Orchestrierung von Kooperationsnetzwerken am effizientesten gelingt", so Weissenberger-Eibl.
Außerdem wird die Wirtschaftsstruktur künftig kleinteiliger werden - parallel wird sich die Spezialisierung weiter vertiefen. Sharing economy wird auch zunehmend die Industrie erreichen: „Dann werden Firmen auf Plattformen ihre hoch spezifischen Maschinen und Produktionsanlagen zur entgeltlichen Nutzung anbieten." Für Startups ergeben sich dadurch neue Möglichkeiten beispielsweise im B-to-B-Bereich.
Aus Forschungssicht verwies sie darauf, dass in Zukunft weniger die Technologie den Kern der Innovation darstellen wird, sondern eher die Lösungsbeitrag von bestimmten Fragestellungen - dies sei insbesondere im Bereich der Business-to-Business Märkte schon heute zunehmend der Fall. Technologien würden zwar zur Lösung beitragen, doch im Fokus des Innovationsgeschehens steht der Kunde.
„Die Digitalisierung wird diese kundenzentrierte Herangehensweise an den Innovationsprozess noch einmal beflügeln." Open Innovation Plattformen gewährleisten, Kunden als Akteure ins Wertschöpfungsgeschehen einzubeziehen. Zunehmend kommen Vorstöße in diese Richtung aus der Maker-Bewegung.
Auch im Softwarebereich machen toolbasierte Verfahren schon jetzt partizipative Entwicklungsprozesse möglich. In Zukunft werden Mass Customization und On-Demand Produktion den Consumerbereich prägen.
Bis 2030 könnte das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland durch intelligente Roboter und selbstlernende Computer enorm wachsen. Bildung ist dabei ein entscheidender Faktor, sie erhält in Zukunft „einen noch höheren Stellenwert": Weil sich das Umfeld immer schneller wandle, spiele die Anpassungsfähigkeit eine zentrale Rolle. Lebenslanges Lernen werde wichtiger denn je. Ihr Appell lautete deshalb: „Wir müssen verstehen, wie der Wandel funktioniert."
Wenn nur noch selten Standardaufgaben zu erfüllen sind, stellt das hohe Anforderungen an die Flexibilität der wertschöpfenden Tätigkeit. Wissen und insbesondere Kompetenzen müssen up-to-date gehalten werden. Dies ist zwar auch schon heute der Fall; Nicht umsonst hat das Thema „lebenslanges Lernen" Konjunktur.
Das entscheidende Ziel dürfe jedoch nicht aus dem Auge verloren werden: Es geht vor allem darum, eine nachhaltige, „gesunde" Gesellschaft zu fördern, der die Digitalisierung nur „dient". Der Mensch mit seinen Bedürfnissen muss nach Weissenberger-Eibl im Fokus der Entwicklung stehen - und dies auch auf lange Sicht.
CSR und Digitalisierung
Auf dem Industriegipfel sprach auch Siemens-Vorstand Klaus Helmrich, der im Herausgeberband „CSR und Digitalisierung" mit einem Fachbeitrag vertreten ist und darauf verweist, dass sich aufgrund der Entwicklung zu immer individuelleren und kundenorientierteren Angeboten die Rolle der Industriebetriebe grundlegend verändern wird:
„Waren sie in der Vergangenheit im Wesentlichen Produktionsunternehmen mit eigenem Service, so werden sie zukünftig zunehmend Dienstleistungsunternehmen mit eigener Produktion sein."
Bereits heute setzen viele Maschinen- und Anlagenbauer die im Kundenbetrieb generierten Daten für eine optimierte Produktion und neue Geschäftsmodelle ein. Für ihn sind es im Wesentlichen drei Faktoren, die über Erfolg und Misserfolg des digitalen Wandels in Deutschland entscheiden werden: eine moderne Infrastruktur, exzellent ausgebildete Menschen und ein gesellschaftlicher und unternehmerischer Kulturwandel.
Um Arbeitskräfte für die neue Produktionswelt zu rüsten, sei ein Umdenken in der schulischen, akademischen und betrieblichen Bildung und Weiterbildung erforderlich. Benötigt werden neue Bildungsinhalte angepasste schulische Lehrpläne, tertiäre Ausbildungsgänge sowie eine intensivere betriebliche Aus- und Weiterbildung.
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Um den digitalen Wandel meisterlich zu gestalten, bedarf es aber auch mutiger strategischer Managemententscheidungen: „zum einen bei der Ausrichtung des Portfolios auf Industrie 4.0, zum anderen bei der Anpassung der internen Prozesse und der finanziellen Investitionen auf die Notwendigkeiten der Digitalisierung." Vor allem aber braucht es - wie auch der Industriegipfel zeigte - regulatorische Unterstützung durch die Politik, eine Modernisierung des Bildungssystems und einen gesellschaftlichen Mentalitätswechsel.
Weitere Informationen:
Marion A. Weissenberger-Eibl: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Gesellschaft. Ein Spannungsfeld aus systemischer Innovationsperspektive. In: Handelsblatt Journal. Eine Sonderveröffentlichung der EUROFORUM Deutschland (November 2017), S. 14-15.
Klaus Helmrich: Wie die Digitalisierung Geschäftsmodelle und Kundenbeziehungen der Industrie verändert. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2017, S. 85- 100.
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