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Die Bunte. Warum Claudia Roth der Nachhaltigkeit die Langeweile nimmt

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Ihre Einzigartigkeit trägt sie am Leib und kommt mit nur wenigen Markenzeichen aus: Claudia Roth. Sie ist für ihre bunten Kleider und Kostüme bekannt - ihren ästhetischen Code gilt es in besonderer Weise zu lesen, zumal er Tradition hat: von George Sand bis zu Else Lasker-Schüler. Ihre modischen Auftritte, die ihre Individualität öffentlich machten, waren berühmt und berüchtigt - und ein Zeichen der Emanzipation.

Für Claudia Roth drückt die heutige Mode, wenn sie ökologisch ist, auch eine Haltung aus, die für sie keine Verkleidung ist: „Mode kann politisch sein, Mode ist Leben, Mode ist auch Selbstbestimmung, Authentizität, Lust, Leidenschaft, Provokation und Emotion, radikal und politisch! Nicht um das Bestehende zu bestätigen, sondern um Lust auf Veränderung zu machen", sagte sie anlässlich des Tradewinds Style Awards 2010. Auch als Bundestagsvizepräsidentin möchte sie sich nicht verkleiden und bringt ihre Emotionalität und Empathie weiterhin mit ein. Ein CSU-Kollege bedankte sich nach ihrer ersten Sitzungsleitung im Plenum sogar mit einer Umarmung, weil die Debatte von ihr „aufgemischt" wurde.

Was hat die frühere Stimme und das Gesicht der Grünen mit Kommunikation über Nachhaltigkeit zu tun? Der Begriff ist durch seinen inflationären Gebrauch in Verruf geraten, ihm fehlt die Definitionsmacht, was dazu führt, dass das Besondere verlorengeht. Claudia Roth hat die Sprache verändert, mit der die damit verbundenen Herausforderungen formuliert sind und füllt diesen Begriff mit Leben. Sie kritisiert, dass es oft zu einer beliebigen und mitunter sogar irreführenden Begriffsverwendung kommt, die sich mitunter im sogenannten "Green-Washing" zeigt - also dem Versuch, sich bloß einen "grünen Anstrich" zu geben.

Sie plädiert deshalb für einen konstruktiven und kritischen Nachhaltigkeitsdiskurs, der auch den Lernprozess, für den der Begriff steht, im Blick behält. Die Idee der Nachhaltigkeit kann nur wirken, wenn sie in einen umfangreichen gesellschaftspolitischen Ansatz eingebettet ist, der das „Organisationshandeln" von Institutionen, aber auch die individuellen Äußerungen und Aktivitäten von Menschen umfasst und dabei auch schwierige Themen berücksichtigt.

Der Werbeslogan "Da weiß man, was man hat" gilt für sie genauso wie für eine verlässliche Marke, die nicht nur eine sachlichen Botschaft vermittelt, sondern auch Assoziationen auslöst und Emotionen weckt. Was einzigartig ist und Relevanz hat, schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Das gilt auch für Claudia Roth, über die Parteifreunde im Berliner Velodrom zum Abschied sagten: "Du bist eine wahrlich große Vorsitzende, eine eigene Marke, einzigartig, du bist echt. Du bist ein Popstar. Du bist Kult."

Sie hat immer eine erfrischende Stimmung in die Nachhaltigkeitsdiskussion gebracht, ja hat sie sogar - in der Sprache des Fußballs - offensiv ausgerichtet und, wo es möglich war, auch von taktischen Zwängen befreit. An ihrem Beispiel zeigt sich, was Nachhaltigkeitskommunikation als Konstante der Kultur einer Organisation oder eines Unternehmens ausmacht. Dabei geht es um

• Taten statt Worte
• Eindeutigkeit statt Mehrdeutigkeit
• Vielfalt statt Einfalt
• Dynamik statt Konservierung
• Gestaltung statt Reparatur
• Kooperation statt Konfrontation
• Entscheidungsfreudigkeit statt Risikovermeidung

In einer Studie hat das UNEP/Wuppertal Institute Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) 2010 die mögliche Integration von Nachhaltigkeitsthemen in die Massenmedien untersucht. Das Ergebnis: Die Nutzer von Massenmedien stammen in der Regel aus mittleren bis niedrigen sozio-ökonomischen Schichten und erwarten, Informationen auf emotionale und affektive Weise übermittelt zu bekommen. Sie wünschen sich außerdem Berichte, die auf ihre persönliche Lebenssituation Bezug nehmen und alltagstauglich sind.

Und es braucht prominente Mitstreiter_innen, die den emotionalen Faden aufnehmen, um ihn weiterzuspinnen und vielfältigste Knoten zu schaffen in einem Netz, das auch Störungen von außen abfedert. Dazwischen darf es auch bunt sein, was - wie bei Claudia Roth - nicht mit Oberflächlichkeit zu verwechseln ist, denn sie ist auch nachdenklich und strategisch. Hugo von Hofmannsthal prägte das schöne Wort von der Tiefe an der Oberfläche.

Das hat viel mit ihr zu tun, denn die „Echten" haben es nicht nötig, mit intellektuellem Tiefgang zu beeindrucken. Sie sind, was sie tun durch ihre eigene Geschichte. Und die war bei Claudia Roth genauso bewegt wie sie selbst: Die ehemalige Theater-Dramaturgin und Managerin von „Ton, Steine, Scherben" begann 1985 bei den bayerischen Grünen als Pressesprecherin. Nachdem sie 1998 ins Europa-Parlament gewählt wurde, reiste sie in Flüchtlingslager, sprach mit Oppositionellen im Irak, in Tunesien oder in Kurdistan. Seit 2001 war sie mit kurzer Unterbrechung Chefin der Grünen.
Vorwürfe, dass sie überall präsent ist - vom Bierzelt bis zum Fußballstadion - machen ihr nichts aus. Denn wo sie ist, bewegt sich „nachhaltig" etwas: So war sie maßgeblich daran beteiligt, dass im Bereich Nachhaltigkeit unter dem damaligen DFB-Präsidenten Dr. Theo Zwanziger mit den zwei großen Fußballturnieren in Deutschland, der Weltmeisterschaft der Männer 2006 und der Frauen 2011, neue Maßstäbe gesetzt werden konnten.

Es wurden erstmalig Nachhaltigkeitskriterien in die Turnierplanungen integriert und umgesetzt. Mit "Green Goal" wurde 2006 erstmalig eine eigenständige Umweltkampagne entwickelt, die eine klimafaire Ausrichtung zum Ziel hatte. Das ist für sie auch ein Beispiel, dass solche Maßnahmen nur dann langfristig erfolgreich sein können, wenn ihnen auch Zeit gegeben wird und sie in „haltbare" Strukturen integriert sind - so wie es der DFB damals unter Theo Zwanziger mit der FIFA, dem Öko-Institut und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt getan hat.

Claudia Roth spielt nichts vor - sie „ist". Und dafür wird sie geliebt. Zum Beispiel von Karl Bär, der über ihren CSD-Besuch in München im Sommer 2013 auf seiner Homepage schrieb: „Claudia Roth kämpft für uns, hält ihr Gesicht für uns hin... Alle wollen ein Foto mit ihr machen, ihr die Hand schütteln, und selbst die Älteren Leute und die jungen Frauen mit Kopftuch, die dem CSD etwas befremdet folgen, freuen sich, Claudia Roth auf dem Grünen Wagen zu sehen und winken."
Nein, halbherzig ist sie nie (gewesen). Und sie geht zu denen, die es auch nicht sind: Menschen aus der Mitte der Gesellschaft. Karl Valentin und Liesl Karlstadt sind dabei ihre geistigen Begleiter. Bodenständig, skurril, aber immer mit Tiefgang. Das ist auch ein Zeichen ihrer Glaubwürdigkeit, die nur durch eine offene Kommunikation erreicht werden kann, die verständlich und ehrlich Zusammenhänge darstellt, Dinge hinterfragt und Probleme beim Namen nennt.

Von Claudia Roth lässt sich lernen, dass Nachhaltigkeit eine „Handschrift" braucht und nur über eine eindeutige Sprache vermittelt werden kann, weil Mehrdeutigkeiten Aussagen verwässern. Die Fähigkeit, selektieren und sortieren zu können, sollte ebenso ausgeprägt sein, denn es müssen Modeerscheinungen von echten Trends unterschieden werden. Es gibt aber auch viele Beispiele, die inhaltlich Substanz haben, aber langweilen. So werden viele Nachhaltigkeitsberichte von den gleichen Agenturen gemacht (was man ihnen auch ansieht) und Sonderbeilagen zum Thema Nachhaltigkeit erscheinen als versteckte Anzeigen.

Spricht das jemanden wirklich an? Wohl kaum. Und das ist der springende Punkt: Solche Ansätze machen das Thema kaputt und reichen nicht aus, um Menschen für gemeinsame Ziele zu begeistern. Vielmehr sorgen die Ansätze aus überlebten Zeiten für Ablehnung. Gleiche Angebote, Inhalte und Zugänge führen zu Gleichgültigkeit und Mittelmaß. Und so erhalten die Redaktionen und „Kooperationspartner" auch nur das, was alle bekommen: wenig oder nur durchschnittliche Aufmerksamkeit.

Viele verpassen gerade den Anschluss an eine Entwicklung, die durch Social Media wie Facebook, XING, Blogs, Wikis oder Twitter wesentlich beeinflusst wird. Es reicht heute nicht mehr aus, Pressemitteilungen gegen Bezahlung abzudrucken oder User für allgemein zugängliche Informationen bezahlen zu lassen. Vielmehr trägt eine veränderte Form der interaktiven Meinungsbildung zu einem Wandel der gegenwärtigen Informationskultur bei. Es geht es bei einer nachhaltigen Auseinandersetzung nicht um reines Senden, sondern auch um Empfangen und aktive Teilhabe. Klassische Kommunikation beansprucht für sich, „einen Dialog zwischen dem Absender und der Zielgruppe herzustellen. Leider trifft das nicht zu - allein schon aus dem Grund, dass mit klassischen Kommunikationskanälen keine Zwiesprache aufgebaut werden kann", schreibt Philipp Riederle als Vertreter der Generation Y „Wer wir sind und was wir wollen".

Denn nachhaltige Kommunikation bedeutet nicht, nur an die Vermittlung der eigenen Botschaft zu denken, sondern auch daran, was Internetnutzer wissen möchten, was sie im Innersten berührt. Das hat mit Herzblut und Leidenschaft zu tun - Attribute, die auch mit Claudia Roth in Verbindung gebracht werden. Die traditionellen „Nachhaltigkeitsmedien" sollten sie symbolisch vor Augen haben und sich fragen:

• Was macht uns unverwechselbar?
• Wie können wir uns emotionaler darstellen?
• Wie „ticken" unsere „Fans", die künftig keine „Zielgruppen" mehr sein werden?
• Wie können wir dafür sorgen, dass unsere Leser_innen die Marke, die das Medium darstellt, „leben"?
• Inwiefern bilden Marke und Motto eine Einheit?
• Wer sind die Gesichter „dahinter"?

Positiv und lebendig umgesetzt werden Nachhaltigkeitsthemen beispielsweise von Love Green, Deutschlands größter Medieninitiative zur Nachhaltigkeit. Dahinter stehen Markus Schmidt (Managing Director und Creative Director) und Philipp Thode (Chefredakteur Online-Magazin). Die Marke ist: „Positiv. Verständlich. Inspirierend. Und hellgrün." Das Medium ist für die breite Masse der Bevölkerung, die noch einen großen Beitrag leisten kann, wenn jeder nur ein wenig bewusster und nachhaltiger lebt. Getreu dem Motto von Love Green: „Wir retten die Welt. Jeder ein bisschen." Herzstück von Love Green ist das bildstarke Online-Magazin, in dem täglich Nachrichten rund um die Themen Energie, Mobilität, Ernährung, Lifestyle, Wohnen, Freizeit und Ressourcen veröffentlicht werden.

Unternehmen und Institutionen, die im Bereich Nachhaltigkeit vorangehen und der Entwicklung nicht hinterherlaufen, schätzen diesen emotionalen Ansatz, den es für die Vermittlung eines solchen Themas unbedingt braucht. Dabei geht es auch um die Übersetzung komplexer Themen. Den Wunsch nach Verständlichkeit, Normalität und Einfachheit, aber auch Anschlussfähigkeit in die Mitte der Medien betont auch Claudia Silber, Leiterin Unternehmenskommunikation bei der memo AG in Greußenheim. Dazu bedarf es Neugier und Offenheit. Gewünscht ist ein Austausch, der über die eigenen Denk-, Unternehmens- und Branchengrenzen hinausgeht.

Andere Öko-Pioniere wie der Versandhändler für ökologisch und ethisch korrekte Kleidung und Mode hessnatur (Butzbach) setzen auf direkten Austausch mit ihren Kunden (z. B. über den Kundenbeirat) und sinnvolle Medienkooperationen wie mit BRIGITTE, dem Marktführer der Frauenzeitschriften, die im vergangenen Jahr den Aufruf startete „Grüne Mode: Machen Sie mit beim Wollwandern!" hessnatur und BRIGITTE haben zehn Plätze für das Projekt "Wollwandern" (ein Test zu Bio-Schurwolle) verlost. Das Beispiel zeigt, was „Teil-Habe" im besten Wortsinn bedeutet: miteinander Prozesse zu gestalten, um die Welt im Sinne von Love Green ein bisschen besser zu machen.

So gehören auch Nachhaltigkeit und BUNTE(s) zusammen, die regelmäßig über diese Themen berichtet, ohne ein grünes Lesezeichen einzufügen. Wenn hier über Michael Otto, Hannes Jaenicke, Uschi Glas oder Jutta Speidel und ihr gesellschaftliches Engagement geschrieben wird, dann ist es selbstverständlich. Das gilt auch für die Berichterstattung über Claudia Roth, die ein schweres Thema zwar „leicht" macht, aber inhaltlich nicht ausdünnt, sondern zum Verständnis dessen beiträgt, was ein erfülltes Leben und eine nachhaltige Gesellschaft ausmacht.

Als Bundestagsvizepräsidentin sei für sie nun auch eine Phase der Entschleunigung und der Vertiefung angebrochen, die mit neuen Handlungsmöglichkeiten verbunden ist, sagte sie vor einiger Zeit in einem Interview mit dem Magazin „Cicero". Dabei verwies sie auf Rita Süßmuth, die als Präsidentin gesellschaftspolitische Initiativen maßgeblich mitgeprägt hat. Sie hofft (und es sei ihr zu wünschen), dass es ihr ebenso gelingt. Ihr Satz gibt Hoffnung: „Ich will aber auch weiterhin provozieren, ich will weiterhin polarisieren. Sie werden mich auch künftig im Gezi-Park, auf Demos oder im Fußballstadion sehen. Ich bleibe weiterhin ich selbst, auch wenn ich jetzt eine andere Funktion habe."

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