SARAJEVO - Nach den gewaltsamen Demonstrationen in ganz Bosnien tun sich Politiker und Experten schwer, den "Tsunami der bestohlenen Bürger" einzuordnen. Von "Hungeraufständen" sprechen einige heimische Wissenschaftler. Innenminister Fahrudin Radoncic bezeichnet die Proteste als einen "Schlag des Volkes gegen die staatliche Mafia". Zeitungen wie "Blic" und "Kurir" im benachbarten Serbien sehen bereits einen "bosnischen Frühling" heraufziehen.
Jedenfalls haben die Demonstranten erstmals politische Forderungen vorgelegt, was in diese Richtung deutet. Ihr Kern: Abdankung aller Politiker, die mit ihrer Unfähigkeit und ihrem Nationalismus an der zwei Jahrzehnte langen Misere schuld sein sollen, Umkehrung der "kriminellen Privatisierungen", Enteignung der "Wirtschaftskriminellen" sowie minimale soziale Sicherung der Bürger.
"Bosnischer Topf" kurz vor der Explosion
Jedenfalls sind sich alle einig, dass der "Bosnische Topf", eine traditionelle Bezeichnung des Landes in Anspielung auf das Nationalgericht, vor der Explosion steht.
In der Stadt Bihac im Westen des Landes hatten Demonstranten das Hotel Emporium demoliert, das einem Verwandten des regionalen Regierungschefs gehört. In Mostar im Süden wurden die Parteizentralen der muslimischen SDA und der kroatischen HDZ verwüstet. Beide Parteien haben die Stadt, im Sommer Ziel Zigtausender ausländischer Touristen, streng unter sich aufgeteilt und damit blockiert.
"In den letzten 20 Jahren haben sich Wut und Aufruhr angehäuft"
"In den letzten 20 Jahren haben sich Wut und Aufruhr sowie eine große soziale Unzufriedenheit angehäuft", sagt Philosophieprofessor Salih Foco in Sarajevo und nennt gleich einen der vielen Gründe: "Das war keine Privatisierung (der Staatsbetriebe), sondern ein Diebstahl von Eigentum des Staates, der Gesellschaft und der Arbeiter". "Die Existenz der Bevölkerungsmehrheit ist so bedroht, dass die Menschen um ihr biologisches Überleben kämpfen", stößt der Dekan der Fakultät für Politische Wissenschaften, Sacir Filandra, ins gleiche Horn.
Erst in der vergangenen Woche hatte das EU-Parlament in Straßburg wieder auf die Übel der bosnischen Misere hingewiesen. Es forderte die heillos zerstrittenen Politiker der muslimischen Bosniaken, der orthodoxen Serben und der katholischen Kroaten auf, endlich für ein halbwegs funktionierendes Gemeinwesen zu sorgen. Die EU-Kommission strich aus Verärgerung über mangelnden Reformwillen sogar 45 Millionen Euro an Zuschüssen - immerhin die Hälfte der bitter benötigten Brüsseler Finanzhilfen.
Ein gespaltenes Land
Doch die beiden Landesteile, die von Serben auf der einen und Bosniaken sowie Kroaten auf der anderen Seite kontrolliert werden, behindern sich nach Kräften. Dazu kommen noch elf fast autonome Kantone. Der Bundesstaat hat nichts, die regionalen und lokalen Politikfürsten alles zu sagen. Die bis ins Mark korrupte Verwaltung verschlingt fast das gesamte Staatsbudget. Durch kriminelle Privatisierung ist die Industrie zerstört, die Infrastruktur liegt am Boden. Je nachdem wie man rechnet, sind ein Drittel oder sogar noch mehr Menschen ohne Arbeit.
Und was das Schlimmste ist: Politische Alternativen gibt es nicht, weil ausnahmslos alle Parteien auf den Nationalismus als Herrschaftsinstrument setzen. Ein sozialer Aufruhr könnte diesen Teufelskreis durchbrechen.
Jedenfalls haben die Demonstranten erstmals politische Forderungen vorgelegt, was in diese Richtung deutet. Ihr Kern: Abdankung aller Politiker, die mit ihrer Unfähigkeit und ihrem Nationalismus an der zwei Jahrzehnte langen Misere schuld sein sollen, Umkehrung der "kriminellen Privatisierungen", Enteignung der "Wirtschaftskriminellen" sowie minimale soziale Sicherung der Bürger.
"Bosnischer Topf" kurz vor der Explosion
Jedenfalls sind sich alle einig, dass der "Bosnische Topf", eine traditionelle Bezeichnung des Landes in Anspielung auf das Nationalgericht, vor der Explosion steht.
In der Stadt Bihac im Westen des Landes hatten Demonstranten das Hotel Emporium demoliert, das einem Verwandten des regionalen Regierungschefs gehört. In Mostar im Süden wurden die Parteizentralen der muslimischen SDA und der kroatischen HDZ verwüstet. Beide Parteien haben die Stadt, im Sommer Ziel Zigtausender ausländischer Touristen, streng unter sich aufgeteilt und damit blockiert.
"In den letzten 20 Jahren haben sich Wut und Aufruhr angehäuft"
"In den letzten 20 Jahren haben sich Wut und Aufruhr sowie eine große soziale Unzufriedenheit angehäuft", sagt Philosophieprofessor Salih Foco in Sarajevo und nennt gleich einen der vielen Gründe: "Das war keine Privatisierung (der Staatsbetriebe), sondern ein Diebstahl von Eigentum des Staates, der Gesellschaft und der Arbeiter". "Die Existenz der Bevölkerungsmehrheit ist so bedroht, dass die Menschen um ihr biologisches Überleben kämpfen", stößt der Dekan der Fakultät für Politische Wissenschaften, Sacir Filandra, ins gleiche Horn.
Erst in der vergangenen Woche hatte das EU-Parlament in Straßburg wieder auf die Übel der bosnischen Misere hingewiesen. Es forderte die heillos zerstrittenen Politiker der muslimischen Bosniaken, der orthodoxen Serben und der katholischen Kroaten auf, endlich für ein halbwegs funktionierendes Gemeinwesen zu sorgen. Die EU-Kommission strich aus Verärgerung über mangelnden Reformwillen sogar 45 Millionen Euro an Zuschüssen - immerhin die Hälfte der bitter benötigten Brüsseler Finanzhilfen.
Ein gespaltenes Land
Doch die beiden Landesteile, die von Serben auf der einen und Bosniaken sowie Kroaten auf der anderen Seite kontrolliert werden, behindern sich nach Kräften. Dazu kommen noch elf fast autonome Kantone. Der Bundesstaat hat nichts, die regionalen und lokalen Politikfürsten alles zu sagen. Die bis ins Mark korrupte Verwaltung verschlingt fast das gesamte Staatsbudget. Durch kriminelle Privatisierung ist die Industrie zerstört, die Infrastruktur liegt am Boden. Je nachdem wie man rechnet, sind ein Drittel oder sogar noch mehr Menschen ohne Arbeit.
Und was das Schlimmste ist: Politische Alternativen gibt es nicht, weil ausnahmslos alle Parteien auf den Nationalismus als Herrschaftsinstrument setzen. Ein sozialer Aufruhr könnte diesen Teufelskreis durchbrechen.