Drei Parteien, viele Forderungen: Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD waren ein großes Wunschkonzert, bei dem keine Partei viele Abstriche machen musste - zugunsten zahlreicher Absichtserklärungen und Kompromisse.
Speziell die Reiseindustrie als bedeutendes Wirtschaftssegment und einer der größten Arbeitgeber Deutschlands, schaute gebannt auf die Ergebnisse der langwierigen Verhandlungen: Kommt Seehofers Pkw-Maut und schreckt ausländische Touristen ab? Kommt Gabriels Mindestlohn und gefährdet die Servicequalität besonders in ländlichen Ferienregionen? Bleibt Merkels Luftverkehrssteuer und belastet den Luftfahrtsektor weiterhin? Und die schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen in Hessen? Wie sehr bedrohen sie die Zukunft des größten deutschen Flughafens?
„Alles halb so schlimm", fasst ein Beobachter zusammen. „Koalitionen verschiedener Parteien beruhen immer auf Kompromissen, und eine Große Koalition steht eben für große Kompromisse." Kompromisse zeichnen sich dadurch aus, dass sie möglichst niemandem wehtun. Aus Sicht der deutschen Reisebranche, die mit ihren vielen großen Unternehmen wie Flughäfen, Fluggesellschaften, der Bahn und Touristik-Veranstaltern sowie den unzähligen Hotels und Kleinunternehmen vom Reisebüro bis zum Souvenirshop einen größeren Wirtschaftszweig darstellt als die gesamte Automobilbranche, hätten einige Verhandlungsergebnisse besser ausfallen können - oder schlechter. Diskutiert und in erste Entwürfe aufgenommen wurden viele Wünsche der Verhandlungspartner, die dann sang- und klanglos wieder verschwanden. Das, worauf sich die zukünftigen Koalitionspartner geeinigt haben, und was jetzt noch von den SPD-Mitgliedern abgesegnet werden muss, stellt sich für die deutsche Reiseindustrie als eine solide Basis dar. Faktische Erleichterungen gibt es ebenso wenig wie neue, drastische Benachteiligungen wie zuletzt durch die Flugverkehrssteuer von 2010.
Wenig Konkretes zur künftigen Tourismuspolitik
Immerhin ein Thema auf der Agenda war der Tourismus als solcher. Anerkannt als „wichtiger Wirtschaftsfaktor", wurde die Absicht formuliert, die touristische Infrastruktur weiterhin zu fördern. Positiv für die Reiseindustrie in diesem Zusammenhang ist auch der Verzicht der SPD auf die Forderung, den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen wieder anzuheben.
Auch die Stärkung des Luftverkehrsstandorts Deutschland und der Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sind im Koalitionsvertrag als Absichtserklärungen festgehalten. Eine erste Konsequenz wäre gewesen, die Luftverkehrssteuer wieder abzuschaffen, die seit 2010 alle Flugreisenden und die Reiseindustrie insgesamt erheblich belastet. Hierauf konnten sich die Koalitionspartner leider nicht einigen - auf die Einnahmen zur Quersubventionierung anderer Klientelprojekte wollte wohl niemand verzichten.
Zankäpfel Mindestlohn und Pkw-Maut
Umstritten waren bei den Koalitionären vor allem die Themen Mindestlohn und Pkw-Maut als Prestigeobjekte von SPD und CSU. Hier mussten beide Parteien in einen sauren Apfel beißen, um das gemeinsame Ziel nicht zu gefährden. Eine Pkw-Maut für Ausländer sieht die Tourismusbranche kritisch und hat mehr als einmal deutlich gemacht, dass sie die Einführung nicht unterstützt. Viele Stimmen gehen allerdings auch davon aus, dass die meisten ausländischen Touristen eine Straßen-Maut aus ihren eigenen Ländern gewohnt sind und sie mehr oder weniger klaglos auch bei uns akzeptieren würden. Hier wird es sicher darauf ankommen, wie das Thema letztendlich umgesetzt wird - und ob überhaupt. Der Vorbehalt einer Übereinstimmung mit EU-Recht lässt schließlich alles offen, vorerst.
Auch beim Thema Mindestlohn herrscht keine Einigkeit. So verwies der nordrhein-westfälische Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) darauf, eine Tarifvereinbarung sichere Beschäftigten von der Spülhilfe bis zur Kellnerin bereits jetzt mindestens 8,50 Euro die Stunde zu. In Thüringen warnte der DEHOGA dagegen vor höheren Preisen. Für steigende Lohnkosten müssten dann Hotelgäste und Restaurantbesucher tiefer in die Tasche greifen. Alternativ werden Gastronomen und Hoteliers Personal einsparen müssen, um kostendeckend arbeiten zu können - auf Kosten der Service-Qualität. Im Extremfall droht sogar die Schließung zahlreicher kleinerer Betriebe, die sich den Luxus eines Mindestlohns nicht leisten können. Ganz abgesehen davon, dass gute Servicekräfte in der Gastronomie ihren Lohn durch das Trinkgeld aufstocken können. Hier bleibt abzuwarten, wie sich der Mindestlohn auswirken wird.
Flughafen-Kompromiss in Hessen
Und Hessen? Hier verhandeln derzeit CDU und Grüne den ersten Koalitionsvertrag in einem Flächenstaat. Als einer der größten Knackpunkte gilt der Flughafen Frankfurt, internationaler Verkehrsknotenpunkt im Cargo- und Personentransport und seit eh und je Objekt zahlreicher Auseinandersetzungen. CDU-regierte Gemeinden im Umfeld des Flughafens sehen den weiteren Ausbau ebenso kritisch wie die Grünen oder auch die Frankfurter SPD, seitdem die An- und Abflugrouten vermehrt das Stadtgebiet tangieren. Die Landes-CDU sieht die ökonomischen Aspekte im Vordergrund - und darauf werden auch die Grünen einschwenken müssen. Die herausragende Bedeutung des Flughafens als wichtiger Standortfaktor auch für Arbeitsplätze ist unbestritten und so wird man auch hier Kompromisse finden, um den Flughafen wettbewerbsfähig zu halten und die Belastung für die Anwohner möglichst gering. Die Annäherung von CDU und Grünen in Hessen soll daran nicht scheitern - hier geht es nicht nur um einen Flughafen, sondern um ein Politikmodell für die Zukunft: Nur wirklich ganzheitliches und nachhaltiges Denken und Handeln ist langfristig tragfähig.
Kurz: Vernünftige Lösungen sind gefragt. Lösungen, die niemandem schaden und möglichst vielen nutzen. Hier wurde mit den Koalitionsvereinbarungen im Bund ein größtmöglicher gemeinsamer Nenner gefunden, der vieles offen und hoffen lässt. An der Ausgestaltung können wir alle mitarbeiten. Indem wir unsere Wünsche artikulieren und in die öffentliche Diskussion einbringen. Das ist das Wesen der Demokratie.
Speziell die Reiseindustrie als bedeutendes Wirtschaftssegment und einer der größten Arbeitgeber Deutschlands, schaute gebannt auf die Ergebnisse der langwierigen Verhandlungen: Kommt Seehofers Pkw-Maut und schreckt ausländische Touristen ab? Kommt Gabriels Mindestlohn und gefährdet die Servicequalität besonders in ländlichen Ferienregionen? Bleibt Merkels Luftverkehrssteuer und belastet den Luftfahrtsektor weiterhin? Und die schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen in Hessen? Wie sehr bedrohen sie die Zukunft des größten deutschen Flughafens?
„Alles halb so schlimm", fasst ein Beobachter zusammen. „Koalitionen verschiedener Parteien beruhen immer auf Kompromissen, und eine Große Koalition steht eben für große Kompromisse." Kompromisse zeichnen sich dadurch aus, dass sie möglichst niemandem wehtun. Aus Sicht der deutschen Reisebranche, die mit ihren vielen großen Unternehmen wie Flughäfen, Fluggesellschaften, der Bahn und Touristik-Veranstaltern sowie den unzähligen Hotels und Kleinunternehmen vom Reisebüro bis zum Souvenirshop einen größeren Wirtschaftszweig darstellt als die gesamte Automobilbranche, hätten einige Verhandlungsergebnisse besser ausfallen können - oder schlechter. Diskutiert und in erste Entwürfe aufgenommen wurden viele Wünsche der Verhandlungspartner, die dann sang- und klanglos wieder verschwanden. Das, worauf sich die zukünftigen Koalitionspartner geeinigt haben, und was jetzt noch von den SPD-Mitgliedern abgesegnet werden muss, stellt sich für die deutsche Reiseindustrie als eine solide Basis dar. Faktische Erleichterungen gibt es ebenso wenig wie neue, drastische Benachteiligungen wie zuletzt durch die Flugverkehrssteuer von 2010.
Wenig Konkretes zur künftigen Tourismuspolitik
Immerhin ein Thema auf der Agenda war der Tourismus als solcher. Anerkannt als „wichtiger Wirtschaftsfaktor", wurde die Absicht formuliert, die touristische Infrastruktur weiterhin zu fördern. Positiv für die Reiseindustrie in diesem Zusammenhang ist auch der Verzicht der SPD auf die Forderung, den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen wieder anzuheben.
Auch die Stärkung des Luftverkehrsstandorts Deutschland und der Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sind im Koalitionsvertrag als Absichtserklärungen festgehalten. Eine erste Konsequenz wäre gewesen, die Luftverkehrssteuer wieder abzuschaffen, die seit 2010 alle Flugreisenden und die Reiseindustrie insgesamt erheblich belastet. Hierauf konnten sich die Koalitionspartner leider nicht einigen - auf die Einnahmen zur Quersubventionierung anderer Klientelprojekte wollte wohl niemand verzichten.
Zankäpfel Mindestlohn und Pkw-Maut
Umstritten waren bei den Koalitionären vor allem die Themen Mindestlohn und Pkw-Maut als Prestigeobjekte von SPD und CSU. Hier mussten beide Parteien in einen sauren Apfel beißen, um das gemeinsame Ziel nicht zu gefährden. Eine Pkw-Maut für Ausländer sieht die Tourismusbranche kritisch und hat mehr als einmal deutlich gemacht, dass sie die Einführung nicht unterstützt. Viele Stimmen gehen allerdings auch davon aus, dass die meisten ausländischen Touristen eine Straßen-Maut aus ihren eigenen Ländern gewohnt sind und sie mehr oder weniger klaglos auch bei uns akzeptieren würden. Hier wird es sicher darauf ankommen, wie das Thema letztendlich umgesetzt wird - und ob überhaupt. Der Vorbehalt einer Übereinstimmung mit EU-Recht lässt schließlich alles offen, vorerst.
Auch beim Thema Mindestlohn herrscht keine Einigkeit. So verwies der nordrhein-westfälische Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) darauf, eine Tarifvereinbarung sichere Beschäftigten von der Spülhilfe bis zur Kellnerin bereits jetzt mindestens 8,50 Euro die Stunde zu. In Thüringen warnte der DEHOGA dagegen vor höheren Preisen. Für steigende Lohnkosten müssten dann Hotelgäste und Restaurantbesucher tiefer in die Tasche greifen. Alternativ werden Gastronomen und Hoteliers Personal einsparen müssen, um kostendeckend arbeiten zu können - auf Kosten der Service-Qualität. Im Extremfall droht sogar die Schließung zahlreicher kleinerer Betriebe, die sich den Luxus eines Mindestlohns nicht leisten können. Ganz abgesehen davon, dass gute Servicekräfte in der Gastronomie ihren Lohn durch das Trinkgeld aufstocken können. Hier bleibt abzuwarten, wie sich der Mindestlohn auswirken wird.
Flughafen-Kompromiss in Hessen
Und Hessen? Hier verhandeln derzeit CDU und Grüne den ersten Koalitionsvertrag in einem Flächenstaat. Als einer der größten Knackpunkte gilt der Flughafen Frankfurt, internationaler Verkehrsknotenpunkt im Cargo- und Personentransport und seit eh und je Objekt zahlreicher Auseinandersetzungen. CDU-regierte Gemeinden im Umfeld des Flughafens sehen den weiteren Ausbau ebenso kritisch wie die Grünen oder auch die Frankfurter SPD, seitdem die An- und Abflugrouten vermehrt das Stadtgebiet tangieren. Die Landes-CDU sieht die ökonomischen Aspekte im Vordergrund - und darauf werden auch die Grünen einschwenken müssen. Die herausragende Bedeutung des Flughafens als wichtiger Standortfaktor auch für Arbeitsplätze ist unbestritten und so wird man auch hier Kompromisse finden, um den Flughafen wettbewerbsfähig zu halten und die Belastung für die Anwohner möglichst gering. Die Annäherung von CDU und Grünen in Hessen soll daran nicht scheitern - hier geht es nicht nur um einen Flughafen, sondern um ein Politikmodell für die Zukunft: Nur wirklich ganzheitliches und nachhaltiges Denken und Handeln ist langfristig tragfähig.
Kurz: Vernünftige Lösungen sind gefragt. Lösungen, die niemandem schaden und möglichst vielen nutzen. Hier wurde mit den Koalitionsvereinbarungen im Bund ein größtmöglicher gemeinsamer Nenner gefunden, der vieles offen und hoffen lässt. An der Ausgestaltung können wir alle mitarbeiten. Indem wir unsere Wünsche artikulieren und in die öffentliche Diskussion einbringen. Das ist das Wesen der Demokratie.