Die Züge fahren wieder, heißt es in den Medien.
Aber vielleicht muss man es einfach mal anders ausdrücken, um die Dinge geradezurücken. Die Züge fahren nicht wieder, sie werden gefahren, von Menschen. Die Bahn ist kein Geschenk der Götter, das uns wie von Geisterhand von A nach B und zurück befördert. Es ist eine Arbeitsleistung.
Das muss man in letzter Zeit immer wieder betonen. Wir haben uns sehr daran gewöhnt, in diesem Land auf Schienen zu unserem Ziel zu gelangen - und das, in aller Regel, schnell und pünktlich. Wir erwarten das mittlerweile mit einer gewissen Selbstverständlichkeit. Wehe, es kommt Sand ins Getriebe.
Eigentlich wissen alle, dass die Menschen bei der Bahn nicht aus reinem Spaß arbeiten, sondern damit ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Aber uneigentlich schauen wir nur auf die Uhr und unseren Terminkalender. Dann werden Menschen schnell zu Getrieberädchen, die gefälligst zu funktionieren haben. Anders kann man das Statement eines erbosten Fahrgastes kaum erklären, der in einem handelsüblichen TV-Fünfminüter wie folgt sprach: „Zum Glück fahr' ich bald zurück in die USA, da muss man sich so was nicht bieten lassen!"
Mit „so was" ist, in letzter Konsequenz, das deutsche Grundgesetz gemeint, denn daraus leitet sich das Streikrecht ab. Bahnangestellte, allen voran die Lokführer, gehen anscheinend einem sehr wichtigen Beruf nach. Wenn sie entscheiden, dass sie ihre Forderungen nach verbesserten Arbeitsbedingungen nicht anders nachkommen können, dürfen sie streiken. Sogar die Forderung nach „Macht" ist prinzipiell legitim, denn Macht bedeutet ja in diesem Zusammenhang Verhandlungsspielraum. Eine Gewerkschaft ohne Macht wäre ziemlich sinnlos.
Die Menschen haben dafür bis zu einem bestimmten Punkt Verständnis, danach ist Schluss. Für einen wuchtigen „Scheiß GdL!"-Post auf Facebook gibt es zur Zeit viel Applaus und Daumen nach oben. Am Bahnhof entlädt sich die Wut des Kunden in die Fernsehkameras.
Womit wir dann beim Medienthema wären.
Der Kampf gegen 'Geiselnehmer'
Man kann im Augenblick keine Debatte über Medien führen, ohne gleichzeitig über die grassierende Glaubwürdigkeitskrise zu sprechen, die man auch, von Fall zu Fall und aus unterschiedlichen Perspektiven, als eine Art Forentrollkrise bezeichnen kann.
Einige Menschen (viele?) vertrauen den Leitmedien („Systemmedien") grundsätzlich nicht mehr. Sie wittern permanent Verschwörungen und Kampagnen. In ihrer Vorstellung sitzen alle Medienmacher in einem riesigem 'war room', wie in Stanley Kubricks „Dr. Seltsam", mit einer ebenso riesigen Weltbeherrschungsweltkarte im Hintergrund.
Man mag dieses Thema im Augenblick nicht mal mit der Kneifzange anfassen. Denn manchmal vermischen sich legitime Kritik und geistesschwacher Meinungskrawall so dermaßen, dass man nur noch kapitulieren und nie wieder seine Nase in Forenkommentare stecken mag.
Wer diesen Leuten etwas anderes beweisen oder wenigstens zu Besonnenheit aufrufen möchte, sucht seine Beispiele besser woanders, aber nicht hier. Denn es ist bezeichnend, in welch einseitigem Gleichschritt viele Medien in den letzten Tagen über dieses Thema informierten.
Und es waren nicht nur die großen Leitkommentare in den Zeitungen oder die Stellungnahmen in den Talk Shows. Es waren auch die kleinen Dinge, die den Ton der Musik ausmachten. Zum Beispiel diverse Anmoderationen in den TV-Magazinen: Die Lokführer „ärgern weiterhin die Bahnkunden", stellen ihre Geduld „auf eine harte Probe".
Aus einem legalen Arbeitskampf wird eine Geschichte aus der beliebten Reihe 'Service-Wüste Deutschland'. Aus Arbeitnehmern, die ihr Recht wahrnehmen, werden Erpresser, die ein ganzes Land „in Geiselhaft" nehmen (Welt, Deutschlandfunk, und so einige mehr.)
Ursachenforschung und Hintergrundbeleuchtung? Sind die Forderungen der Streikenden berechtigt oder nicht? Wie ist das Verhalten des Bahn-Vorstandes zu bewerten? Und warum macht man einer Gewerkschaft etwas zum Vorwurf, was bei Arbeitgebern als naturgegeben hingenommen wird (nämlich das 'Ausspielen der Macht')?
Wer in der letzten Woche die Suchworte „Streik", „GdL" und „Forderungen" googelte, um solchen Geheimnissen auf die Spur zu kommen, bekam auf Seite 1 in erster Linie folgende Suchtreffer:
„Lokführerstreik der GdL: Deutschlands dümmste Gewerkschaft" (Spiegel); „Deutsche Bahn hält GdL-Forderungen für überzogen" (FAZ);
„GdL-Forderungen sind 'utopisch'" (n-tv);
„Bahnstreik: Wer kann den GdL-Chef überhaupt noch stoppen?" (Focus);
„Der Forderungskatalog der GdL ist lang" (Handelsblatt)
Kommt man da als Mediennutzer eventuell auf die Idee, nicht ganz so sachlich informiert zu werden?
Wohin will der Schwarm?
Damit keine Missverständnisse entstehen: Es geht nicht darum, so etwas wie 'GdL-TV' zu fordern. Aber ausgewogen war das alles kaum, und das ist Besorgnis erregend. Die Medien konzentrierten sich derart auf die Gewerkschaft, vor allem auf die Verballhornung ihres Chefs Claus Weselsky, dass sich der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Michael Konken, zu einem Aufruf für faire Berichterstattung veranlasst sah. Darauf gehört haben so einige nicht.
Ursache und Wirkung auseinanderzuhalten fällt schwer. Nach wenigen Tagen Streik hieß es, das Verständnis der Kunden würde schwinden. Vielleicht auch deshalb, weil der Streikführer in Deutschlands auflagenstärkstem Printerzeugnis als „Größen-Bahnsinniger" tituliert wurde? War es schlichtweg einfacher, den erzürnten Bahnkunden nach dem Mund zu reden, anstatt sich der schwierigeren Aufgabe zu stellen, der Öffentlichkeit ein ausgewogenes Pro und Contra zu präsentieren?
Ist es am Ende nicht so, wie es Monitor-Redaktionsleiter Georg Restle in einem Blog-Eintrag so schön auf den Punkt brachte, nämlich dass es für solche Phänomene wahrlich keine Meinungskartelle braucht, sondern schlicht und ergreifend „im Alltagsgeschäft einfacher ist, im lauen Wind der herrschenden Meinung zu segeln"? Wenn es Schwarmintelligenz gibt, gibt es dann auch Schwarmoberflächlichkeit?
Und, eine Frage die mich seit einigen Tagen umtreibt: Wenn alle Macher der Bild-Zeitung mal eine Woche streiken würden - reicht da ein lausiger ARD-Brennpunkt aus?
Aber vielleicht muss man es einfach mal anders ausdrücken, um die Dinge geradezurücken. Die Züge fahren nicht wieder, sie werden gefahren, von Menschen. Die Bahn ist kein Geschenk der Götter, das uns wie von Geisterhand von A nach B und zurück befördert. Es ist eine Arbeitsleistung.
Das muss man in letzter Zeit immer wieder betonen. Wir haben uns sehr daran gewöhnt, in diesem Land auf Schienen zu unserem Ziel zu gelangen - und das, in aller Regel, schnell und pünktlich. Wir erwarten das mittlerweile mit einer gewissen Selbstverständlichkeit. Wehe, es kommt Sand ins Getriebe.
Eigentlich wissen alle, dass die Menschen bei der Bahn nicht aus reinem Spaß arbeiten, sondern damit ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Aber uneigentlich schauen wir nur auf die Uhr und unseren Terminkalender. Dann werden Menschen schnell zu Getrieberädchen, die gefälligst zu funktionieren haben. Anders kann man das Statement eines erbosten Fahrgastes kaum erklären, der in einem handelsüblichen TV-Fünfminüter wie folgt sprach: „Zum Glück fahr' ich bald zurück in die USA, da muss man sich so was nicht bieten lassen!"
Mit „so was" ist, in letzter Konsequenz, das deutsche Grundgesetz gemeint, denn daraus leitet sich das Streikrecht ab. Bahnangestellte, allen voran die Lokführer, gehen anscheinend einem sehr wichtigen Beruf nach. Wenn sie entscheiden, dass sie ihre Forderungen nach verbesserten Arbeitsbedingungen nicht anders nachkommen können, dürfen sie streiken. Sogar die Forderung nach „Macht" ist prinzipiell legitim, denn Macht bedeutet ja in diesem Zusammenhang Verhandlungsspielraum. Eine Gewerkschaft ohne Macht wäre ziemlich sinnlos.
Die Menschen haben dafür bis zu einem bestimmten Punkt Verständnis, danach ist Schluss. Für einen wuchtigen „Scheiß GdL!"-Post auf Facebook gibt es zur Zeit viel Applaus und Daumen nach oben. Am Bahnhof entlädt sich die Wut des Kunden in die Fernsehkameras.
Womit wir dann beim Medienthema wären.
Der Kampf gegen 'Geiselnehmer'
Man kann im Augenblick keine Debatte über Medien führen, ohne gleichzeitig über die grassierende Glaubwürdigkeitskrise zu sprechen, die man auch, von Fall zu Fall und aus unterschiedlichen Perspektiven, als eine Art Forentrollkrise bezeichnen kann.
Einige Menschen (viele?) vertrauen den Leitmedien („Systemmedien") grundsätzlich nicht mehr. Sie wittern permanent Verschwörungen und Kampagnen. In ihrer Vorstellung sitzen alle Medienmacher in einem riesigem 'war room', wie in Stanley Kubricks „Dr. Seltsam", mit einer ebenso riesigen Weltbeherrschungsweltkarte im Hintergrund.
Man mag dieses Thema im Augenblick nicht mal mit der Kneifzange anfassen. Denn manchmal vermischen sich legitime Kritik und geistesschwacher Meinungskrawall so dermaßen, dass man nur noch kapitulieren und nie wieder seine Nase in Forenkommentare stecken mag.
Wer diesen Leuten etwas anderes beweisen oder wenigstens zu Besonnenheit aufrufen möchte, sucht seine Beispiele besser woanders, aber nicht hier. Denn es ist bezeichnend, in welch einseitigem Gleichschritt viele Medien in den letzten Tagen über dieses Thema informierten.
Und es waren nicht nur die großen Leitkommentare in den Zeitungen oder die Stellungnahmen in den Talk Shows. Es waren auch die kleinen Dinge, die den Ton der Musik ausmachten. Zum Beispiel diverse Anmoderationen in den TV-Magazinen: Die Lokführer „ärgern weiterhin die Bahnkunden", stellen ihre Geduld „auf eine harte Probe".
Aus einem legalen Arbeitskampf wird eine Geschichte aus der beliebten Reihe 'Service-Wüste Deutschland'. Aus Arbeitnehmern, die ihr Recht wahrnehmen, werden Erpresser, die ein ganzes Land „in Geiselhaft" nehmen (Welt, Deutschlandfunk, und so einige mehr.)
Ursachenforschung und Hintergrundbeleuchtung? Sind die Forderungen der Streikenden berechtigt oder nicht? Wie ist das Verhalten des Bahn-Vorstandes zu bewerten? Und warum macht man einer Gewerkschaft etwas zum Vorwurf, was bei Arbeitgebern als naturgegeben hingenommen wird (nämlich das 'Ausspielen der Macht')?
Wer in der letzten Woche die Suchworte „Streik", „GdL" und „Forderungen" googelte, um solchen Geheimnissen auf die Spur zu kommen, bekam auf Seite 1 in erster Linie folgende Suchtreffer:
„Lokführerstreik der GdL: Deutschlands dümmste Gewerkschaft" (Spiegel); „Deutsche Bahn hält GdL-Forderungen für überzogen" (FAZ);
„GdL-Forderungen sind 'utopisch'" (n-tv);
„Bahnstreik: Wer kann den GdL-Chef überhaupt noch stoppen?" (Focus);
„Der Forderungskatalog der GdL ist lang" (Handelsblatt)
Kommt man da als Mediennutzer eventuell auf die Idee, nicht ganz so sachlich informiert zu werden?
Wohin will der Schwarm?
Damit keine Missverständnisse entstehen: Es geht nicht darum, so etwas wie 'GdL-TV' zu fordern. Aber ausgewogen war das alles kaum, und das ist Besorgnis erregend. Die Medien konzentrierten sich derart auf die Gewerkschaft, vor allem auf die Verballhornung ihres Chefs Claus Weselsky, dass sich der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Michael Konken, zu einem Aufruf für faire Berichterstattung veranlasst sah. Darauf gehört haben so einige nicht.
Ursache und Wirkung auseinanderzuhalten fällt schwer. Nach wenigen Tagen Streik hieß es, das Verständnis der Kunden würde schwinden. Vielleicht auch deshalb, weil der Streikführer in Deutschlands auflagenstärkstem Printerzeugnis als „Größen-Bahnsinniger" tituliert wurde? War es schlichtweg einfacher, den erzürnten Bahnkunden nach dem Mund zu reden, anstatt sich der schwierigeren Aufgabe zu stellen, der Öffentlichkeit ein ausgewogenes Pro und Contra zu präsentieren?
Ist es am Ende nicht so, wie es Monitor-Redaktionsleiter Georg Restle in einem Blog-Eintrag so schön auf den Punkt brachte, nämlich dass es für solche Phänomene wahrlich keine Meinungskartelle braucht, sondern schlicht und ergreifend „im Alltagsgeschäft einfacher ist, im lauen Wind der herrschenden Meinung zu segeln"? Wenn es Schwarmintelligenz gibt, gibt es dann auch Schwarmoberflächlichkeit?
Und, eine Frage die mich seit einigen Tagen umtreibt: Wenn alle Macher der Bild-Zeitung mal eine Woche streiken würden - reicht da ein lausiger ARD-Brennpunkt aus?