Ich bin hier, um München zu verteidigen! Denn Sebastian Christ hat unserer bayerischen Landeshauptstadt an dieser Stelle neulich ganz übel mitgespielt. Das kann ich so nicht stehen lassen!
Zunächst einmal: Ich bin keine Münchnerin, sondern Unterfränkin - aufgewachsen an der Grenze zwischen Wein- und Bierfranken.
Ich habe freilich in München studiert, gelebt und gearbeitet und komme noch immer regelmäßig dorthin. Man kann mir aber nicht vorwerfen, dass ich jemandem meine Geburtsstadt verkaufen möchte und daher per se völlig unfähig sei zu unvoreingenommener Betrachtung.
Denk ich an München, und komme hin und wieder dorthin zurück, fällt es mir aber schwer, ist es mir schier vollkommen unmöglich, mich nicht mitreißen zu lassen von der Magie dieser Stadt. Und ich glaube, genau diese Magie, dieses sehr persönliche Wohlbefinden, das sich einstellt, wenn man die großen Prachtstraßen im Zentrum, die kleinen schmaleren Gassen in Altbau-Stadtvierteln, die Touristenpunkte und die stillen kleinen, beinahe unentdeckten und unentdeckbaren Biergärtchen, erlebt, macht die Stadt nicht nur einzigartig, sondern erklärt, warum seit Jahren immer mehr Menschen Teil der Landeshauptstadt sein möchten.
Hier gibt es St. Martinsumzüge, bei denen die Kinder wissen, was sie singen, weil sie die Geschichte dazu kennen. Der Christkindlmarkt heißt so, weil jeder weiß, dass Wintermarkt albern klingt und keiner würde sich hier deshalb verletzt fühlen.
Wenn man kritisiert, dass hier in der Fußgängerzone die Shoppingqueens durch die überteuerten Boutiquen hetzen, dann übersieht man, dass zehn Meter weiter die Menschen im Andechser am Dom, im Bratwurst Glöckl oder im Augustiner gemütlich bei Speis und Trank zusammensitzen und die Hektik mal Hektik sein lassen.
Eine Stadt, in deren Herzen sich über eine Fläche von 800 Quadratmetern ein Eldorado aus Schokolade befindet, kann so schlecht nicht sein. Wer es nicht glaubt, der soll mal zur herrlichen Schrannenhalle gehen, in der es allerlei Leckereien gibt, und nach einer lebensgroßen lila Kuh Ausschau halten.
Wer davon spricht, der Englische Garten sei hoffnungslos überfüllt, der war bisher wohl nur am Chinaturm, aber hat nie die kleinen liebenswürdigen Winkel jenseits der Großbiergärten entdeckt: Der kennt nicht den Eisbach mit seiner vermutlich weltweit einzigartigen Surfwelle, und der war noch nie bei „Fräulein Grüneis", dem sicherlich liebenswürdigsten Kiosk der Stadt.
In München muss man nicht gleich das innovativste aller Startups gründen, um berühmt zu werden. In München geht das auch mit einem Obststand. Einfach, weil man ein Original ist und nett zu den Leuten, - so wie der wirklich allen Münchner Studentinnen und Studenten bekannte Obststandlbesitzer Didi (Dieter Schweiger), der mit seiner bayerisch-jovialen Art inzwischen einen eigenen Imagefilm vorgelegt hat.
Es spiegelt die Liebenswürdigkeit der Münchner wieder, mit der ihnen typischen selbstbewussten Wurschtigkeit die Grenze zwischen Klischee und Authentizität zu feiern und mal auf die eine und mal auf die andere Seite dieser Grenze zu springen - beides immer fest im Blick.
Diese Gratwanderung ist etwas, dass wahrscheinlich nur München kann. Für Außenstehende ist manchmal nicht leicht zu beantworten: Ist das nun ernst gemeint, oder zwinkert da ein Auge mit? Der Münchner weiß es meist sehr genau, und wenn er es nicht weiß, ist es im „wurscht". Was den Bundeshauptstädterinnen und -hauptstädtern ihre Schnoddrigkeit, ist den bayerischen Landeshauptstädterinnen und -hauptstädtern ihre Gleichgültigkeit, wenn es um das Urteil derjenigen geht, die von außen herein blicken.
Im oben erwähnten Artikel von Christ wird behauptet, das Pro-Argument vieler Münchner, man sei von ihrer Stadt aus schnell in den Bergen, entspreche dem Wort Heinrich Heines, Göttingen sei am schönsten wenn man es mit dem Rücken ansehe. Das kann nur jemand behaupten, der sich nicht in die Seele der Münchnerinnen und Münchner hineindenken kann: Die Wahrheit ist, dass die von neidvollen Bayern (auch die gibt es) als „Isar-Preißn" bezeichneten Naturliebhaber die Berge als Teil ihrer Stadt betrachten - als das für weit zu fassende „Umland".
Eben weil sie so nah dran sind, die von Gottes Segenshand geschaffenen Alpen, und weil man sie bestens sehen kann, wenn siegestrunken und trotz des Kantersiegs nicht unkritisch gegenüber der Leistung der eigenen Mannschaft, die Esplanade der Allianz-Arena herunterschreitet, nimmt man kaum war, dass sie sich eigentlich deutlich außerhalb der Stadtgrenzen befinden. Der Speckgürtel als sehr dehnbares Accessoire.
Sicher: niemand ist perfekt.
Es gibt viele hässliche Wahrheiten über München. So wie es auch viele hässliche Wahrheiten über Berlin, Köln, Hamburg, Bamberg oder jede andere Stadt der Welt gibt.
Und gleichzeitig gibt es so viele Gründe, warum München großartig ist. So, wie es so viele Gründe gibt, warum auch Berlin, Köln, Hamburg, Bamberg oder viele anderen Städte großartig sind - Würzburg zum Beispiel. Oder Bad Kissingen!
Den FC Bayern möchte ich hier schon gar nicht mehr für jene Einzigartigkeit nennen, am Rande aber schon notieren, dass Deutschland ohne München nie Weltmeister geworden wäre.
München ist nicht nur eine Stadt, München ist ein Lebensgefühl. Trotz der Größe und der an vielen Stellen immer schneller wachsenden Metropolenhaftigkeit, hat man das Gefühl, jeden Winkel zu kennen, stellt sich immer ein wärmendes Gefühl von Vertrautheit ein, ohne, dass man ins Provinzielle abdriftet. Wenn es eine Stadt gibt, die das Motto „heimatverbunden und weltoffen" wie keine Zweite verkörpert, ja geradezu feiert, dann ist es München.
Sebastian Christ schreibt für mich aus einem typischen Berliner Blickwinkel. Lange Zeit glaubte ich, man könne nur entweder München oder Berlin mögen. Die Gegensätze seien zu groß, um sich wirklich in beiden Städten wohl zu fühlen. Das Leben ist aber nicht schwarz-weiß. Ich liebe den Englischen Garten genauso wie den Tiergarten, die Theatinerstraße genauso wie die Friedrichstraße, das Lenbach-Haus genauso wie den Gropius-Bau. Ohne Gegensätze wäre jeder Mensch, jede Stadt, jedes Land langweilig.
Und übrigens - um hier mal über etwas zu sprechen, das wirklich jeder und jede von uns Deutschen liebt (oder etwa nicht?): Der Vorspann des TATORT wurde 1970 gedreht: in München-Riem. Wie cool ist das denn bitte?
Zunächst einmal: Ich bin keine Münchnerin, sondern Unterfränkin - aufgewachsen an der Grenze zwischen Wein- und Bierfranken.
Ich habe freilich in München studiert, gelebt und gearbeitet und komme noch immer regelmäßig dorthin. Man kann mir aber nicht vorwerfen, dass ich jemandem meine Geburtsstadt verkaufen möchte und daher per se völlig unfähig sei zu unvoreingenommener Betrachtung.
Denk ich an München, und komme hin und wieder dorthin zurück, fällt es mir aber schwer, ist es mir schier vollkommen unmöglich, mich nicht mitreißen zu lassen von der Magie dieser Stadt. Und ich glaube, genau diese Magie, dieses sehr persönliche Wohlbefinden, das sich einstellt, wenn man die großen Prachtstraßen im Zentrum, die kleinen schmaleren Gassen in Altbau-Stadtvierteln, die Touristenpunkte und die stillen kleinen, beinahe unentdeckten und unentdeckbaren Biergärtchen, erlebt, macht die Stadt nicht nur einzigartig, sondern erklärt, warum seit Jahren immer mehr Menschen Teil der Landeshauptstadt sein möchten.
Hier gibt es St. Martinsumzüge, bei denen die Kinder wissen, was sie singen, weil sie die Geschichte dazu kennen. Der Christkindlmarkt heißt so, weil jeder weiß, dass Wintermarkt albern klingt und keiner würde sich hier deshalb verletzt fühlen.
Wenn man kritisiert, dass hier in der Fußgängerzone die Shoppingqueens durch die überteuerten Boutiquen hetzen, dann übersieht man, dass zehn Meter weiter die Menschen im Andechser am Dom, im Bratwurst Glöckl oder im Augustiner gemütlich bei Speis und Trank zusammensitzen und die Hektik mal Hektik sein lassen.
Eine Stadt, in deren Herzen sich über eine Fläche von 800 Quadratmetern ein Eldorado aus Schokolade befindet, kann so schlecht nicht sein. Wer es nicht glaubt, der soll mal zur herrlichen Schrannenhalle gehen, in der es allerlei Leckereien gibt, und nach einer lebensgroßen lila Kuh Ausschau halten.
Wer davon spricht, der Englische Garten sei hoffnungslos überfüllt, der war bisher wohl nur am Chinaturm, aber hat nie die kleinen liebenswürdigen Winkel jenseits der Großbiergärten entdeckt: Der kennt nicht den Eisbach mit seiner vermutlich weltweit einzigartigen Surfwelle, und der war noch nie bei „Fräulein Grüneis", dem sicherlich liebenswürdigsten Kiosk der Stadt.
In München muss man nicht gleich das innovativste aller Startups gründen, um berühmt zu werden. In München geht das auch mit einem Obststand. Einfach, weil man ein Original ist und nett zu den Leuten, - so wie der wirklich allen Münchner Studentinnen und Studenten bekannte Obststandlbesitzer Didi (Dieter Schweiger), der mit seiner bayerisch-jovialen Art inzwischen einen eigenen Imagefilm vorgelegt hat.
Es spiegelt die Liebenswürdigkeit der Münchner wieder, mit der ihnen typischen selbstbewussten Wurschtigkeit die Grenze zwischen Klischee und Authentizität zu feiern und mal auf die eine und mal auf die andere Seite dieser Grenze zu springen - beides immer fest im Blick.
Diese Gratwanderung ist etwas, dass wahrscheinlich nur München kann. Für Außenstehende ist manchmal nicht leicht zu beantworten: Ist das nun ernst gemeint, oder zwinkert da ein Auge mit? Der Münchner weiß es meist sehr genau, und wenn er es nicht weiß, ist es im „wurscht". Was den Bundeshauptstädterinnen und -hauptstädtern ihre Schnoddrigkeit, ist den bayerischen Landeshauptstädterinnen und -hauptstädtern ihre Gleichgültigkeit, wenn es um das Urteil derjenigen geht, die von außen herein blicken.
Im oben erwähnten Artikel von Christ wird behauptet, das Pro-Argument vieler Münchner, man sei von ihrer Stadt aus schnell in den Bergen, entspreche dem Wort Heinrich Heines, Göttingen sei am schönsten wenn man es mit dem Rücken ansehe. Das kann nur jemand behaupten, der sich nicht in die Seele der Münchnerinnen und Münchner hineindenken kann: Die Wahrheit ist, dass die von neidvollen Bayern (auch die gibt es) als „Isar-Preißn" bezeichneten Naturliebhaber die Berge als Teil ihrer Stadt betrachten - als das für weit zu fassende „Umland".
Eben weil sie so nah dran sind, die von Gottes Segenshand geschaffenen Alpen, und weil man sie bestens sehen kann, wenn siegestrunken und trotz des Kantersiegs nicht unkritisch gegenüber der Leistung der eigenen Mannschaft, die Esplanade der Allianz-Arena herunterschreitet, nimmt man kaum war, dass sie sich eigentlich deutlich außerhalb der Stadtgrenzen befinden. Der Speckgürtel als sehr dehnbares Accessoire.
Sicher: niemand ist perfekt.
Es gibt viele hässliche Wahrheiten über München. So wie es auch viele hässliche Wahrheiten über Berlin, Köln, Hamburg, Bamberg oder jede andere Stadt der Welt gibt.
Und gleichzeitig gibt es so viele Gründe, warum München großartig ist. So, wie es so viele Gründe gibt, warum auch Berlin, Köln, Hamburg, Bamberg oder viele anderen Städte großartig sind - Würzburg zum Beispiel. Oder Bad Kissingen!
Den FC Bayern möchte ich hier schon gar nicht mehr für jene Einzigartigkeit nennen, am Rande aber schon notieren, dass Deutschland ohne München nie Weltmeister geworden wäre.
München ist nicht nur eine Stadt, München ist ein Lebensgefühl. Trotz der Größe und der an vielen Stellen immer schneller wachsenden Metropolenhaftigkeit, hat man das Gefühl, jeden Winkel zu kennen, stellt sich immer ein wärmendes Gefühl von Vertrautheit ein, ohne, dass man ins Provinzielle abdriftet. Wenn es eine Stadt gibt, die das Motto „heimatverbunden und weltoffen" wie keine Zweite verkörpert, ja geradezu feiert, dann ist es München.
Sebastian Christ schreibt für mich aus einem typischen Berliner Blickwinkel. Lange Zeit glaubte ich, man könne nur entweder München oder Berlin mögen. Die Gegensätze seien zu groß, um sich wirklich in beiden Städten wohl zu fühlen. Das Leben ist aber nicht schwarz-weiß. Ich liebe den Englischen Garten genauso wie den Tiergarten, die Theatinerstraße genauso wie die Friedrichstraße, das Lenbach-Haus genauso wie den Gropius-Bau. Ohne Gegensätze wäre jeder Mensch, jede Stadt, jedes Land langweilig.
Und übrigens - um hier mal über etwas zu sprechen, das wirklich jeder und jede von uns Deutschen liebt (oder etwa nicht?): Der Vorspann des TATORT wurde 1970 gedreht: in München-Riem. Wie cool ist das denn bitte?
Video: Anlaufpunkt für Wiesn-Opfer: "Frauen irren umher und legen sich dann einfach hin"