
Auch die Konservativen scheinen in der Lage, umzudenken: Der offen schwule CSU-Politiker Dr. Bernd Fabritius ist zum Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV) gewählt worden. Der BdV gilt als sehr konservativ. Fabritius Vorgängerin im Amt, Erika Steinbach, fiel immer wieder mit Tiraden gegen die rechtliche Gleichstellung Homosexueller auf. Welchen Kurs will Fabritius einschlagen? Interview: Christian Mentz
Herr Fabritius, war ihre Homosexualität je ein Thema bei der BdV-Präsidentschaftswahl?
Nein. In den Verbänden sind sicher konservative Menschen dabei, aber genauso auch liberale und aufgeschlossene. Es gehören Schwule genauso dazu wie Heteros. Der BdV bildet die gesamte vertriebene Zivilgesellschaft einer Region in ihrer Vielfalt ab. Ich denke sogar, dass die Stimmung allgemein toleranter ist. Wir haben Ausgrenzung historisch erlebt.
Sie sagen, dass im BdV auch ein Generationswechsel beabsichtigt sei. Auch ein Themenwechsel?
Ein wesentliches Argument der BdV-Gründung - unmittelbare Starthilfe nach Flucht und Vertreibung - hat sich durch Zeitablauf und gelungene Integration längst erfüllt. Wichtig bleibt der Erinnerungstransfer. Es gibt auch neue Aufgaben. Eine ganz eigene Kompetenz der Aussiedler und Spätaussiedler prädestiniert diese zu geborenen Brückenbauern für ein friedliches Europa. Deutsche Aussiedler wissen wie die Herkunftsgesellschaft funktioniert, wie man dort denkt und welche Befindlichkeiten bestehen. Dieses Wissen können sie einbringen.
Wäre der BdV mit diesem riesigen Erfahrungsschatz nicht ideal, bei heutigen Flüchtlingsströmen etwa aus Afrika Hilfestellung zu geben?
Das aktuelle Weltgeschehen führt zu einer Flüchtlingskatastrophe, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben. Ich denke, Vertriebene haben besonders viel Verständnis für Menschen, die ihre Heimat kollektiv verlassen müssen und engagieren sich in besonderem Maße in den bestehenden Hilfsaktionen.
Zurück zum Thema: Sie sind auch Bundestagsabgeordneter, sind Sie dort offen schwul?
Ich finde diese Frage unsinnig, sie wird ja auch nur Schwulen so gestellt. Oder wurde jemals ein Hetero gefragt, ob er „offen hetero" lebt? Ich lebe, wie es meiner Menschenwürde entspricht, selbstbestimmt, in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Das darf auch jeder wissen.
Engagieren Sie sich homopolitisch?
Als Mitglied im EU- sowie im Menschenrechtsausschuss, wo ich auch Berichterstatter für Nichtdiskriminierung bin, schreite ich schon von Berufs wegen ein, wenn ich eine Diskriminierung wahrnehme. Ich würde jedoch der Aussage widersprechen, dass ich Homopolitik mache. Ich mache Menschenrechtspolitik. Schwule und Lesben sind eine Facette menschlicher Gesellschaft, deren Rechte ich ebenso schützen will, weil ich für eine Politik stehe, die die Gesellschaft als Ganzes im Blick hat. Diesem Ziel widme ich mich auch im Kuratorium der Magnus-Hirschfeld-Stiftung.
Sie sind viel in osteuropäischen Ländern unterwegs, die als homophob gelten.
Unumwunden richtig. Egal ob in Polen, Rumänien, der Ukraine oder der Moldau. Wann immer es darum geht, gemeinsame Projekte voranzutreiben, spreche ich auch die Frage der Menschenrechte und damit auch der Nichtdiskriminierung von LGBT an. Das sorgt manchmal für Überraschung. Insgesamt merkt man dennoch, dass auch hier die letzten 20 Jahre nicht spurlos vorbeigegangen sind.
In Deutschland wird Homosexualität als Asylgrund debattiert, was ist Ihre Haltung?
Selbstbestimmtes Leben - auch Homosexualität - ist ein Menschenrecht. Jeder, der aufgrund dieser Eigenschaft seiner Identität verfolgt wird, muss Asylrecht genießen dürfen.
Ihre Position bei Eheöffnung und Adoption?
Auf der rechtlichen Gleichstellung bestehe ich, ob die jeweilige Institution dann Ehe oder Eingetragene Partnerschaft heißt, ist mir gleichgültig. An dem Begriff „Partnerschaft" kann ich nichts aussetzen. Die Debatte um das Adoptionsrecht wird nach meiner Überzeugung falsch geführt: Es geht um das Recht der Adoptivkinder auf die besten Eltern und nicht um Begehrlichkeiten von Erwachsenen und mögliches Konkurrenzdenken. Hier sollten wir den zur Entscheidung berufenen Gerichten eine Einzelfallentscheidung aufgrund von Sachkompetenz zugestehen und ermöglichen, Verbote abseits davon benötigt unsere Gesellschaft nicht. Auch Schwule und Lesben können im Einzelfall „beste Eltern" sein.
(c) Foto: Horatiu Sava, München