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An die wütende Mutter auf dem Supermarkt-Parkplatz

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Von Lisa Sadikman für das "Brain, Child Magazine"

Ich sehe dich aus dem Supermarkt stürmen, deinen schreienden Jungen auf dem Arm, während drei weitere Kinder, alle unter 7 Jahren, auf dem Weg über den Parkplatz um dich herumwuseln. Ich sehe dich ohne einen Einkaufswagen, ohne eine einzige Tasche.

Ich sehe dein vor Ärger und Anstrengung knallrotes Gesicht, als du deinen Jungen - ein bisschen zu grob - auf dem vor Hitze flimmernden Asphalt absetzt und nach deinen Schlüsseln kramst. Ich sehe, wie du ihn in Richtung Minivan schiebst und ihn anbrüllst, dass er Jetzt. Sofort. Ins. Auto. Steigen. Soll.

Ich sehe die Wut in deinen Augen, als ich auf der Suche nach einem Parkplatz langsam an dir vorbeirolle. Ich sehe deine Grobheit und sie schockiert mich, nicht weil ich dich verurteile, sondern weil mir das alles so sehr bekannt vorkommt - dieser Gesichtsausdruck, dieses Gefühl. Ich war auch an diesem Punkt - glaub mir.

Als meine älteste Tochter ungefähr zwei Jahre alt war, bekam sie jedes Mal einen Tobsuchsanfall auf dem Weg zum Supermarkt. Sie wollte raus. Sie bog ihren Rücken durch, lief rot an, schrie und versuchte, sich aus dem Gurt zu befreien. Ich versuchte ihr zu erklären, dass wir gleich da seien und dass sie dann sofort aussteigen könne.

Ich versuchte ihr zu erklären, dass wir mehr Milch bräuchten, aber sie hörte einfach nicht auf. Ihr Kreischen erfüllte das ganze Auto und mich überkam das Gefühl, eine Verräterin zu sein. Nun verlor ich die Beherrschung. Ich brüllte, dass sie aufhören solle zu schreien.

Ich fuhr rechts ran und schrammte gegen den Randstein. Ich hatte keinen Plan, ich war einfach wütend, verbittert und frustriert. Ich stampfte zur hinteren Autotür, zerrte sie auf und schnallte sie ab, immer noch brüllend. Als sie aus dem Sitz nach hinten in den Kofferraum kletterte, wollte ich sie packen und schütteln und wer weiß was noch.

Stattdessen schloss ich die Autotür und kehrte zum Fahrersitz zurück. Wir würden nicht zum Supermarkt fahren. In diesem Moment war ich mir nicht mal sicher, wie wir nach Hause kommen sollten.

Zehn Jahre später kämpfe ich noch immer mit den emotionalen Herausforderungen des Mutterseins. Ich wache auf und nehme mir fest vor, heute nicht auszurasten, wenn die älteren Mädels wieder anfangen zu streiten, die 3-Jährige nicht anzuschreien, wenn sie sich zum dritten Mal weigert, die Küchenschublade zu schließen, in der die Messer sind.

Meine Wut hinterlässt einen bitteren Geschmack in meinem Mund und ein Schuldgefühl in meinem Herzen. Ich hasse dieses Gefühl und ich wette, dir geht das genauso. Aber manchmal steht deine Welt einfach in Flammen und du kannst nichts weiter tun als da stehen und brennen.

Ich sehe dich direkt an und möchte, dass du siehst, wie ich dich anschaue. Ich möchte, dass du durch mein Autofenster genau in mein Gesicht guckst, denn vielleicht, ja vielleicht kann der Blick, den wir tauschen, deinen Ärger ein bisschen mildern.

Manchmal ist es das, was wir brauchen: Gesehen zu werden, in unseren schönsten oder reinsten oder schlimmsten Eltern-Momenten. Dann schlägt etwas um, ob von Stolz oder Dankbarkeit oder Scham oder Trauer, und wir sehen uns auf einmal durch anderer Leute Augen. Wir richten uns neu aus.

Als ich vorbeifahre, beobachte ich dich weiter durch mein Seitenfenster. Dann sehe ich, wie du einen Schritt von deinem kleinen Jungen zurücktrittst, der dich so wütend macht, der dich dazu gebracht hat, deinen Shoppingtrip abzubrechen um Schulmaterialien oder neue Schuhe oder Toilettenpapier zu kaufen, ich sehe, wie du an die Rückseite deines Minivans schleichst und da stehen bleibst, still und vor Wut schäumend.

Du sagst kein Wort und bewegst dich nicht. Du hältst dich unter Kontrolle. Das ist mit das Härteste für uns Mütter: uns zusammenreißen, unser Temperament zügeln, unsere Trauer und unsere Einsamkeit im Zaum halten.

Wir tun das für uns und für unsere Kinder. Wir müssen uns daran erinnern, dass unsere Liebe größer und strahlender ist als ein zurückgelassener Einkaufswagen in Supermarktregal 12.

Ein paar Autos weiter hinten finde ich einen Parkplatz und stelle den Motor ab. Als ich zurückschaue, hast du schon ausgeparkt. Ich weiß nicht, was in deinem Auto passiert ist, nachdem du alle Kinder angeschnallt und die Türen geschlossen hast. Vielleicht hast du in dein Lenkrad geweint oder über Konsequenzen nachgedacht oder deine Kinder über ihr inakzeptables Benehmen belehrt.

Ich werde es nie wissen. Was ich weiß, ist, dass ich dich mit deinem Ärger habe ringen sehen dort auf dem Parkplatz, anstatt ihn an deinen Kinder auszulassen. Und nur das zählt. Das tut es wirklich. Ich weiß das. Ich habe das auch durchgemacht.

Lisa Sadikman ist Autorin und lebt mit ihrem Mann, einem Labradoodle und ihren drei Töchtern in in Nordkalifornien. Ihre Texte wurden auf Huffington Post Eltern, Kveller und Scary Mommy veröffentlicht. Mehr von ihr können Sie lesen auf ihrem Blog Flingo und indem Sie ihr auf Twitter folgen (@LisaSadikman).

Dieser Text erschien ursprünglich in "Brain, Child".

Dieser Blog ist ursprünglich bei der Huffington Post USA erschienen und wurde von Lea Kosch aus dem Englischen übersetzt.

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