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Chronischer Schlafmangel macht dick, dumm, krank und alt

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Schlafen ist in unserer erfolgssorientierten Leistungsgesellschaft zum absoluten Luxusgut geworden. Wer viel arbeitet schläft weniger - das ist wissenschaftlich belegt und nur logisch, schließlich wollen wir nicht auf unsere wertvolle Freizeit verzichten. Stattdessen verzichten wir freiwillig auf Schlaf und setzen uns einer ganzen Reihe von gesundheitlichen und psychischen Risiken aus.

Der Durchschnittsdeutsche wird um 6.18 Uhr aus dem Schlaf gerissen. Das ist aber viel zu früh, sagt Biologe und Schlafforscher Peter Spork in einem Interview mit der Huffington Post.


Huffington Post: Herr Spork, wie viele Stunden sollte ein Mensch schlafen?

Peter Spork: Für die meisten Menschen ist eine Nachtruhe von sieben bis acht Stunden optimal.

HuffPost: Ich kenn kaum jemanden, der das schafft.

Spork: Genau. Der durchschnittliche Deutsche schläft an Werktagen etwa eine halbe Stunde bis Stunde weniger, als er eigentlich müsste.

Das Problem ist, dass sich all diese Zeit aufaddiert. Es gibt eine Art Gedächtnis für Schlafmangel. Das baut sich von Tag zu Tag auf, und wir schaffen es nicht, das am Wochenende auszugleichen.

HuffPost: Warum merken viele Menschen das erst so spät?

Spork: Weil wir kein Sinnesorgan für chronische Unausgeschlafenheit haben. Das heißt, Körper und Geist lernen es, über Tage hinweg mit einer oder zwei Stunden weniger Schlaf zurecht zu kommen. Man hat dann nicht mehr das Gefühl, dass man immer müder wird, sondern man gewöhnt sich an den Zustand, bis man ihn irgendwann als normal empfindet. Biopsychologen und Schlafforscher können aber objektiv nachweisen, dass die Leistungsfähigkeit von Körper und Gehirn von Tag zu Tag nachlässt. Wir werden immer dümmer und merken es noch nicht einmal.

HuffPost: Wir laufen also nur noch als eine Art Zombie durch die Welt - und finden das ganz normal?

Spork: Es gibt Warnsignale. Wenn Sie zum Beispiel um die Mittagszeit immer extrem müde werden und das Gefühl haben, dass Sie dringend einen Mittagsschlaf brauchen. Es ist normal, dass der Körper in dieser Zeit abbaut. Aber wenn Sie so müde sind, dass Sie Schwierigkeiten haben, sich wach zu halten, dann ist das ein Zeichen dafür, dass Sie extrem unausgeschlafen sind. Wenn Sie am Nachmittag oder Abend von der Arbeit kommen, sich aufs Sofa setzen und während der Nachrichten einschlafen, ist das ebenfalls ein deutliches Warnsignal. In der Zeit zwischen 17 und 20 Uhr sind wir normalerweise sehr wach. Wenn Sie nicht chronisch übermüdet wären, könnten Sie zu dieser Zeit gar nicht schlafen.

HuffPost: Wie gefährlich ist diese chronische Übermüdung für unseren Körper?

Spork: Es steigen Risiken für Krankheiten. Der Stoffwechsel gerät aus dem Gleichgewicht, denn die Organe brauchen den Schlaf, damit sie sich regenerieren und verjüngen können. Wir altern also schneller, wenn wir zu wenig schlafen. Außerdem steigt das Risiko für Übergewicht, auf lange Sicht für Diabetes und andere Stoffwechsel-Krankheiten, sowie für Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Schlaganfall und Herzinfarkt. Chronischer Schlafmangel ist Dauerstress für den Körper.

HuffPost: Wirkt sich dieser Dauerstress auch auf die Psyche aus?

Spork: Der Schlaf ist vor allem für das Gehirn wichtig und dafür, dass das Gehirn weiter optimal arbeiten kann. Deshalb ist es nur logisch, dass fast jede psychische Krankheit durch chronischen Schlafmangel begünstigt wird.

HuffPost: Wenn ich also zu wenig schlafe, ist es wahrscheinlicher, dass ich Depressionen bekomme?

Spork: Schlafmangel ist nicht allein ursächlich für Depressionen. Aber er kann das Risiko erhöhen, daran zu erkranken. Das Gehirn ist überlastet, wenn wir dauerhaft zu wenig schlafen. Und wenn bereits eine Anlage für eine psychische Krankheit vorhanden ist, kann sie durch chronischen Schlafmangel ausgelöst werden.

HuffPost: Zusammengefasst macht chronischer Schlafmangel dann also dick, dumm, krank und lässt uns schneller altern?

Spork: Ja, aber man kann es auch positiv formulieren: Schlafen Sie sich jung, schlank, gesund und intelligent.

HuffPost: Klingt verlockend. Warum schlafen wir dann nicht einfach mehr?

Spork: Weil etwa vier Fünftel unserer Gesellschaft sich morgens einen Wecker stellen müssen, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Die heutigen Arbeitszeiten sind eher für Frühaufsteher gemacht, die ohne Wecker wach werden und trotzdem pünktlich bei der Arbeit sind. Die sind relativ ausgeschlafen und verstehen nicht, warum der Großteil der Gesellschaft darüber klagt, dass die Arbeit so früh anfängt. Dann sollen sie doch früher ins Bett gehen, so die These. Das können diese vier Fünftel aber nicht, weil ihre innere Uhr erst später in den Nacht-Modus umschaltet.

HuffPost: Die meisten von uns sind gut getarnte Langschläfer?

Spork: So kann man es ausdrücken. Das Problem ist, dass die meisten von uns um acht Uhr morgens noch nicht leistungsfähig sind, weil ihr biologischer Rhythmus das nicht zulässt und sie zudem unausgeschlafen sind.

HuffPost: Gibt es eine Lösung für das Problem?

Spork: Die einzig vernünftige Lösung sind flexiblere Arbeitszeiten. Wenn man dafür sorgen würde, dass mehr Menschen ohne Wecker aufwachen könnten, dann wäre die Gesellschaft als ganze sehr viel gesünder. Das Gesundheitssystem würde Kosten sparen, und die Unternehmen hätten viel leistungsfähigere und kreativere Mitarbeiter, die seltener krank wären. Das würde voraussetzen, dass Menschen je nach ihrer Biologie schon um sieben oder erst um zwölf zur Arbeit erscheinen könnten. Das ist natürlich nicht in jeder Branche möglich. Aber da wo es geht, könnte man es doch einmal ausprobieren.

wake up



In seinem aktuellen Buch "Wake Up!" plädiert Peter Spork für eine ausgeschlafenere Gesellschaft. Erhältlich beim Hanser Verlag, 18,90 Euro.

Folgen Sie Peter Spork auf Facebook oder besuchen Sie seine Website www.peter-spork.de!







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Video: Schlafen, Fernsehen, Quatschen: So verbringen die Deutschen ihre Lebenszeit








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