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Von Stolpersteinen und Stolperfallen

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Steineklopfer wurden verachtet, ob sie israelitische Sklaven in Ägypten oder Trümmerfrauen in Deutschland waren, obwohl die Ergebnisse ihrer Arbeit nicht nur von den Herrschern geschätzt worden sind. Der Anblick von hart arbeitenden Trümmerfrauen wusch überzeugten Nationalsozialisten die Sünden ab. Auch manche Trümmerfrau fühlte sich nach getaner Arbeit gereinigt.

Auszug aus einer katholischen Stolpersteinverlegungsrede in Hellenthal


48.000 Pflastersteine mit gestanzter Namen toter Juden hat der Stolpersteinvertreiber, aka Künstler Gunter Demnig in 20 Jahren verlegt, vor allem in Deutschland, obwohl nur ein kleiner Teil der ermordeten Juden aus Deutschland stammt. Von vielen Seiten hat Gunter Demnig Auszeichnungen erhalten, nicht nur von Juden, auch von deren Widersachern.

Für den überschaubaren Betrag von 120 € kann jeder Stolpersteinpate ein gutes Gewissen erwerben. Selbst oder vor allem Israelhasser und Kritiker lebender Juden greifen zu. Der Anblick von in Gehwegen eingelassenen, frisch Messing glänzenden Stolpersteinen läutert bis der Glanz verbleicht.

Der von den Nationalsozialisten getötete und von dessen Nachkommen verewigte Jude wird rückwirkend zum Freund, als er noch gelebt hat. Des Juden Nachkommen sind hochwillkommene Gäste, sogar wenn sie selber noch Juden sind und nicht unbedingt in Israel leben.

Juden, für die keine Stolpersteine verlegt werden, also Juden, die den nationalsozialistischen Terror überlebt haben, sind selten Freunde, da sie und ihre Nachkommen allzu oft in Israel leben, wo Araber von Juden schlimmer behandelt werden sollen als früher die Nazis mit Juden umgegangen sind.

Viele Stolperstein-Liebhaber verbreiten, dass Gaza ein Freiluftgefängnis und Betlehem das wahre Warschauer Ghetto ist. Ohne Nazis wären die Juden nicht nach Palästina ausgewandert, hätten dort keine Siedlungen gebaut und es gäbe somit keinen Islamischen Staat, der eigentlich nur „sogenannter IS" heißt, da Islamisten keine Muslime sind. Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Nie wieder Israel!

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Am 27. Oktober 2014 trifft sich in Vettweiß eine kleine Gruppe Verschworener gegenüber dem Rathaus. Das Treffen ist geheim. Zeit und Ort sind nur wenigen Eingeweihten bekannt. Ein Teil der Anwesenden sind abgeordnete Schüler. Auch ein hochstehender Grüner Politiker steht unschlüssig herum. Drei Stolpersteine werden im Bürgersteig verlegt. Ein Duzend der vorgesehenen Stellen in Vettweiß und Lüxheim, heute ein Stadtteil von Vettweiß, bleiben unbepflastert.

Der Steinlieferant will die bereits bezahlten Steine nicht einmal aus Kulanz zurücknehmen, wie bei Unternehmen mit ähnlichem Umsatz üblich. Die Steine erhalten ein säkulares Asyl, da kirchliches Asyl lebenden Flüchtlingen vorbehalten wird. Alle Vettweißer Anwohner haben sich der Stolpersteinverlegung widersetzt. Die Gründe sind mannigfaltig. Manche befürchten Unannehmlichkeiten durch die starke lokale rechtsextreme Szene, manche mögen keine Stolpersteine mit gestanzten jüdischen Namen, manche fürchten unangenehme Fragen, wie ihre Großeltern das von den Nazis enteignete Haus derart günstig erworben haben.

Manche erinnern sich an den letzten Vettweißer Juden Günter Kratz, geboren im nahen Nideggen, der sich vehement gegen Stolpersteine eingesetzt hat, weil er in den Steinen eine fortgesetzte Erniedrigung von Juden erblickt hat. Das Haus gegenüber dem Rathaus gehört der Stadt. Die Besitzer des Hauses haben als einzige in Vettweiß der Steinverlegung zugestimmt.

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Der Bürgermeister bemüht sich um salbungsvolle Worte, die keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der bekannte Grüne Politiker blickt verwundert. In weniger als 30 Minuten ist die Zeremonie samt Reden beendet.

Am Nachmittag setzt sich die Farce im nahen Hellenthal in der tiefen Nordeifel fort. Bereits vor einem Jahr hat das makabre Schauspiel dort begonnen.


Damals erhalten die Hälfte der Judensteine Kirchenasyl, da ein Hausbesitzer der Verlegung widerspricht. Es heißt, er befürchtet den Wertverlust seines Anwesens. Der Wertverlust entstehe jedoch nicht durch die unbedeutenden Steine, die nach kurzer Zeit ihren Glanz verlieren, sondern werde durch häufige nächtliche Besuche rechter Hooligans bedingt, die als Mahnung mehrere Male das Synagogendenkmal in Hellenthal-Blumenthal zerstört haben.

Das Kirchenasyl der Judensteine wird auf unbestimmte Zeit verlängert, da nach Aussage des Bürgermeisters heute zum letzten Mal an vier verschiedenen Stellen in Hellenthal Stolpersteine verlegt werden. Diesmal geht es nicht nur um Juden. Ein Paradigmenwechsel deutet sich an, um das lukrative Stolpersteingeschäft zu sichern, welches 300.000 € im Jahr umsetzt. Abzüglich der Sach- und Arbeitskosten, zuzüglich Zuwendungen und Preise, wäre es unverantwortlich, das Geschäftsmodell aufzugeben, nur weil es derzeit auf tote Juden begrenzt ist.

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Statt am Haus im Kirschseiffen 29 werden die Judensteine erklärungslos vor dem Nachbarhaus verlegt. Hat der jetzige Besitzer des Hauses im Kirschseiffen 29 sein Veto eingelegt? Keiner der über 100 Zuschauer stört sich daran. Dann wird ein hebräisches Lied „Hevenu schalom aleichem" (Wir bringen euch Frieden) mit starkem deutschen Akzent gesungen, welches passend vom Lärm naher unaufschieblicher städtischer Arbeiten übertönt wird.

Jüdische Nachkommen der im heute sauberen Gehweg Verewigten sind zugegen. Wenige Meter weiter auf dem schmalen Bürgersteig vor der evangelischen Kirche wird der nächste Stein in das schmale Trottoir gesetzt. Er trägt den Namen eines evangelischen Pfarrers, der zunächst ein glühender Anhänger der Hitler verehrenden Deutschen Christen gewesen ist.

Als er seinen Fehler einsieht, muss er Hellenthal verlassen und wird, von den Nazis ungestört, bekennender Christ in Wuppertal, wo er mehr als 20 Jahre nach Ende des tausendjährigen Reiches im gesegneten Alter stirbt. Er wird bepflastert, weil er Hellenthal verlassen musste. Kein Familienangehöriger des für Hellenthal herausragenden Widerstandskämpfers ist bei der Gedenkfeier zugegen.

http://www.huffingtonpost.de/nathan-warszawski-/hellenthal-erneutes-geden_b_5143560.html

Es folgt eine kleine Wanderung, die an den vor einem Jahr verlegten Stolpersteinen vorbeiführt. Die alten Steine haben ihren Glanz verloren, heben sich kaum vom schmutzigen Gehweg vor der Dönerbude ab. Kein Gedenkfeierteilnehmer bleibt vor den alten Judensteinen stehen oder blickt sie an. Es gibt frische Steine zu bestaunen.
[Politiker bevorzugen es, neue Autobahnen einzuweihen, statt alte zu sanieren.]

Auf der anderen Straßenseite wird eines katholischen Geistlichen mittels glänzend neuem Pflasterstein gedacht. Der ehrbare Mann hat sich gegen die Nazis und wurde zunächst von seinen eigenen Gemeindemitgliedern kalt gestellt, dann von seinen kirchlichen Vorgesetzten gemobbt. Er wurde verhaftet und durfte seinen Beruf nicht ausüben. Kurz nach Ende der Nazizeit beging er in einer depressiven Phase Selbstmord, was die Katholische Kirche ihm bis heute nicht verziehen hat. Er wird als Opfer des Nationalsozialismus im Pflasterstein verewigt, wofür heute kein Hellenthaler Katholik die Schuld trägt, denn die Nationalsozialisten haben sich 1945 in Luft aufgelöst, die Juden hingegen in Rauch.

Die Zeremonie in Hellenthal dauert zwei Stunden. Anschließend folgt ein Umtrunk im Rathaus.

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Auch in Nideggen, zwischen Vettweiß und Hellenthal gelegen, besteht der dringende reinigende Wunsch, der Juden mittels Stolpersteinen zu gedenken. Der bereits oben erwähnte in Nideggen geborene Jude Günter Kratz hat nach dem Krieg versucht, das Haus seiner Eltern zurück zu erhalten. Auf juristische Schritte hat er verzichtet, als ihm klar geworden ist, dass er das Ende des Verfahrens trotz bestem Alters nicht erleben würde. Er verstarb in Vettweiß.

Sollten in Nideggen Pflastersteine verlegt werden, so empfiehlt es sich, den die Nazizeit überlebenden Nidegger Juden aus Vettweiß bei dem Stolperstein-Gedenken unerwähnt zu lassen.

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