Was kann schon schiefgehen?
Dieser Blog erschien auch auf TomDispatch.com.
Kennen Sie diese Art von Witz? Sie beschreiben etwas, das ganz offensichtlich in einem Desaster enden wird - ein Freund durchquert das Death Valley und hat so gut wie kein Benzin mehr im Tank - und fragen dann: „Was könnte hier schiefgehen?"
So ist es heute mit dem Nahen Osten. Die USA sind dort wieder in einen Krieg verwickelt, werfen großzügig Bomben auf den Irak und Syrien, geben hier einen Rat, lassen dort eine Drohne fliegen und gehen in der Region Koalitionen ein, um ein bisschen mehr Feuerpower von einer ganzen Sammlung an bockigen Verbündeten einzusammeln, und suchen verzweifelt nach ein paar nicht-amerikanischen Füßen, die man dort auf den Boden bringen könnte.
Hier sind sieben Worst-Case-Szenarios für einen Teil der Welt, wo der schlimmste Fall meist der einzige war, der zur Debatte stand. Mit all der Militärgewalt, die in diese fragilste Region der Welt geschickt wird, was könnte da möglicherweise schiefgehen?
1. Die Kurden
Das Land, das die Kurden normalerweise als ihre eigenes betrachten, war lange zwischen der Türkei, dem Irak, Syrien und dem Iran aufgeteilt. Keines dieser Länder will irgendein Stück Land an eine nach Unabhängigkeit strebende ethnische Minderheit abgeben, und schon gar nicht einen mächtigen, ölreichen kurdischen Staat an seiner Grenze finden.
In der Türkei war die von Kurden bewohnte Grenzregion zum Irak viele Jahre lang eine eine Art Kriegsgebiet, wo die mächtige türkische Armee schoss, bombte und gelegentlich auch Soldaten hinschickte, um die Rebellen dort anzugreifen.
Im Iran leben weniger Kurden als im Irak und die Grenzregion zwischen den zwei Ländern ist offener für Reisen und Handel. (Die Iraner zum Beispiel sollen Berichten zufolge Öl für die Kurden raffinieren, die es dann auf dem Schwarzmarkt verkaufen und außerdem Erdgas vom Iran kaufen.) Dieses Land hat dennoch die kurdische Grenzregion von Zeit zu Zeit beschossen.
Die Kurden kämpfen seit mindestens 1923 für einen eigenen Staat. Im Irak sind sie heute de facto ein unabhängiger Staat mit eigener Regierung und eigenem Militär. Seit 2003 sind sie stark genug, um die schiitische Regierung in Bagdad viel aggressiver herauszufordern als zuvor. Diesem Wunsch stand der Druck aus Washington entgegen, das den Irak als Ganzes erhalten möchte.
Im Juni hat das kurdische Militär, die Peschmerga, die umkämpfte ölreiche Stadt Kirkuk in Besitz genommen, nachdem die irakischen Armee in Mossul und anderen Städten im Norden unter dem Ansturm der Milizen des Islamischen Staates (IS) zusammengebrochen war. Mangels einer Alternative hat die Regierung unter Obama die Kurden einmarschieren lassen.
Die Peschmerga sind ein großer Teil des aktuellen Problems. In einer schon fast verzweifelten Suche nach einer halbwegs kompetenten Stellvertretermacht bewaffnen und trainieren die USA und ihre Alliierten der NATO die Peschmerga, sie dienen ihnen als Air Force und geben ihnen Rückendeckung, wenn sie - als provisorische Antwort auf das neue „Kalifat" - auf ein Territorium vordringen, über das sie sich noch immer mit Bagdad streiten.
Das bedeutet, dass Washington in Zukunft wird zusehen müssen, wie es den sprichwörtlichen Geist wieder in die Flasche zurückbekommt, wenn der Islamische Staat je zurückgeschlagen oder vernichtet sein wird.
Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak, und nun unter der Kontrolle des Islamischen Staates, ist das offensichtlichste Beispiel dafür. Angesichts des traurigen Zustands der irakischen Armee werden die Kurden die Stadt vielleicht eines Tages einnehmen. Das wird in Bagdad nicht allzu gut ankommen und das Ergebnis könnte massive Gewalt entlang konfessioneller Bruchlinien sein, lang nachdem ISIS verschwunden ist.
Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was passieren könnte, haben wir in der Stadt Hassan Sham bekommen. Die Kruden haben sie vergangenen Monat zurückererobert. Im Zuge dessen haben sich Berichten zufolge einige schiitische Einwohner mit ihren Feinden zusammengetan, den sunnitischen IS-Milizen, statt die sich nähernden Peschmerga zu unterstützen.
Worst-Case-Szenario:
Ein mächtiges Kurdistan geht aus der aktuellen Misere der amerikanischen Politik hervor und befeuert einen weiteren großen Konfessionskrieg im Irak, der über die Landesgrenzen hinausgehen könnte. Egal, ob Kurdistan von den UN anerkannt wird oder nicht, oder ob es ein Staat wie Taiwan wird (praktisch, aber nicht juristisch ein eigener Staat), ein solches Kurdistan wird die Machtverhältnisse in der Region so verändern, dass alle bisherigen Probleme davon in den Schatten gestellt werden könnten.
Ein lange bestehendes Machtgleichgewicht zu ändern, hat immer unbeabsichtigte Folgen, vor allem im Nahen Osten. Fragen Sie George W. Bush nach seiner Invasion im Irak 2003, die die aktuelle Miserere erst so richtig ins Laufen gebracht hat.
2. Die Türkei
Man kann natürlich nicht über die Kurden sprechen, ohne auch über die Türkei zu diskutieren, ein Land, das in der Zwickmühle steckt. Seine Streitkräfte haben jahrelang gegen die kurdische Separatistenbewegung gekämpft, die von der PKK personifiziert wird, einer Gruppe, die die Türkei, die NATO, die Europäische Union und die Vereinigten Staaten alle als Terrororganisation einstufen.
Der Kampf zwischen den Türken und der PKK hat 37.000 Menschenleben in den 1980er- und 90er-Jahren gekostet, bevor die Zahl dank der Diplomatie der EU reduziert wurde. Das „Problem2 in der Türkei ist keine Kleinigkeit - die kurdische Minderheit, etwa 15 Millionen Menschen, stellen fast 20 Prozent der Bevölkerung.
Wenn es darum geht, in Syrien einzugreifen, wird es für die Türkei schwierig, weil Washington den Bodeneinsatz der Kurden abgesegnet hat. Was auch immer die USA zu tun glauben - sie tragen zu einem Erstarken der kurdischen Minderheit in Syrien bei, darunter auch Kräfte der PKK, die entlang der türkischen Grenze stationiert sind, mit neuen Waffen und frischem Training.
Die regierende Partei in der Türkei pflegt keine besondere Zuneigung zu ISIS, aber ihre Abscheu gegenüber dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad ist so groß, dass sie lange gewillt war, ISIS durch Wegschauen zu helfen.
Für einige Zeit war die Türkei offensichtlich die Eingangstür nach Syrien für ausländische Kämpfer die sich ISIS anschließen wollten. Die Türkei war auch die Ausgangstür für viel Schwarzmarkt-Öl - 1,2 bis 2 Millionen US-Dollar pro Tag -, das ISIS für die eigenen Finanzierung nutzte.
Vielleicht als Gegenleistung hat der Islamische Staat 49 türkische Geiseln freigelassen, darunter Diplomaten - und zwar ohne die sonst üblichen Enthauptungsvideos.
Als Antwort auf die Forderung der USA nun „etwas zu unternehmen", kassiert die Türkei nun Strafen von Ölschmugglern. Allerdings betrugen diese in den vergangenen 15 Monaten nur 5,7 Millionen US-Dollar, was viel über das Verhältnis der Türkei zur Koalition aussagt.
Die Situation in der von ISIS bedrängten Stadt Kobane illustriert das Problem. Die Türken haben sich bislang geweigert, einzugreifen, um den syrischen Kurden zu helfen. Türkische Panzer stehen bewegungslos auf den Hügeln, von denen aus man den Kampf Mann gegen Mann weniger als eine Meile entfernt sehen kann. Türkische Sicherheitskräfte haben türkische Kurden davon abgehalten, zur Stadt zu gelangen, um zu helfen. Türkische Jets haben PKK-Rebellen innerhalb der Türkei bombardiert, nahe der irakischen Grenze.
Inzwischen bringen die US-Luftangriffe wenig mehr als die Einsicht, dass der Effekt von Luftschlägen begrenzt ist, und Material für künftige Historiker, um darüber zu schreiben. Amerikanische Bomben können ISIS bremsen, aber nicht Teile einer Stadt zurückerobern. Kurz davor, Kobane aus der Luft zu zerstören, um es zu retten, ist die Macht der USA ohne türkische Bodentruppen begrenzt. Unter den aktuellen Umständen werden die Kämpfer des Islamischen Staates entweder die Stadt einnehmen oder sie werden sie langsam verbrennen, während sie ihre Kämpfe mit den Kurden austragen.
Die Türkei verlangt für eine Intervention öffentlich eine von den USA durchgesetzte Pufferzone entlang der Grenze. Die Türken müssten diese Zone am Boden besetzen, was bedeuten würde, dass syrisches Territorium an die Türkei geht (mit einer von Kurden besetzten Pufferzone wäre das anders).
Das würde einen weiteren Einsatz Washingtons bedeuten, bei dem möglicherweise amerikanische Kampfflugzeuge in direkten Konflikt mit der syrischen Luftabwehr geraten würden, die wiederum bombardiert werden müsste, was den Krieg noch mehr ausweiten würde.
Eine Pufferzone würde auch irgendwelche geheimen Absprachen hinfällig machen, die vielleicht zwischen den USA und Assad existieren. Diese Zone wäre ein weitere Einsatz mit ungewissem Ausgang, der zusätzliche US-Ressourcen erfordern würde in einem Konflikt, der den amerikanischen Steuerzahler schon mindestens 10 Millionen US-Dollar pro Tag kostet.
Auf der anderen Seite zwingt die aktuelle Politik Washingtons die Türkei dazu, ihre nationalen Ziele zurückzustellen, um uns beim Erreichen unserer Ziele zu helfen. Wir haben gesehen, wie ein solches Szenario in der Vergangenheit funktioniert hat. (Googeln Sie mal „Pakistan und die Taliban.") Aber solange Kobane die Nachrichten beherrscht, könnten die USA Erfolg damit haben, die Türken zu begrenzten Zugeständnissen zu drängen, etwa amerikanischen Kampfflugzeugen zu erlauben, türkische Militärflughäfen zu benutzen, oder den USA zu erlauben, einige syrische Rebellen auf türkischem Boden zu trainieren.
Das wird aber nichts daran ändern, dass die Türkei letztlich ihre eigenen Ziele verfolgt, unabhängig davon, wie viele Kobanes es noch geben wird.
Worst-Case-Szenario:
Künftiges Chaos in der Osttürkei, während die Sonne für Assad und die Kurden scheint. Der Zustrom von Flüchtlingen belastet die Türken jetzt schon. Aktuelle konfessionelle Konflikte innerhalb der Türkei könnten sich extrem aufheizen, die Türken könnten sich in einem offenen Konflikt mit den kurdischen Kräften wiederfinden, während die USA stumm daneben sitzen und zusehen, wie ein Verbündeter den anderen bekämpft - eine unbeabsichtigte Konsequenz ihrer Einmischung im Nahen Osten.
Wenn es die Pufferzone geben sollte, muss man die Möglichkeit direkter Kämpfe zwischen den USA und Assad in Betracht ziehen. Und der russische Präsident Wladimir Putin würde wahrscheinlich wieder eine Möglichkeit finden, sich in der Region zu engagieren.
3. Syrien
Denken Sie an Syrien als den amerikanischen Krieg, den es nie hätte geben sollen. Trotz jahrelanger Rufe nach US-Intervention und ein wenig Getändel um das Training syrischer Rebellengruppen ist es der Regierung Obama - gerade so - gelungen, sich aus diesem Sumpf herauszuhalten. Im September 2013 war Präsident Obama kurz davor, Bomber und Marschflugkörper gegen Assads Militär einzusetzen, nachdem es Berichte über den Einsatz chemischer Waffen gab. Er benutzte dann den unkooperativen Kongress und Putin als Entschuldigung, es doch nicht zu tun.
Die Taktik dieses Jahres - Assad ignorieren, ISIS attackieren - entwickelte sich innerhalb weniger Wochen, als eine begrenzte humanitäre Aktion sich in einen Kampf bis aufs Messer gegen ISIS im Irak verwandelte und dann in ein Bombardement Syriens. Wie bei einem Zaubertrick sahen wir alle zu und können immer noch nicht sagen, wie das eigentlich vor sich gegangen ist.
Syrien ist heute ein Land in Trümmern. Aber irgendwo in diesem Land gibt es Einhörner - Wesen, über die man viel spricht aber nie sieht -, nämlich die von der Regierung Obama viel beschworenen „moderaten syrischen Rebellen". Wo sind sie? Der Arbeitstitel scheint so etwas zu sein wie: Menschen, die gegen Assad sind, die bereit sind, erst einmal nicht ihn sondern ersatzweise den Islamischen Staat zu bekämpfen, und die nicht zu „fundamentalistisch" sind. Die USA wollen sie mit Waffen und Training überschütten, sobald sie sie finden, sie prüfen, und dann nach Saudi-Arabien bringen. Wenn Sie in Syrien einkaufen möchten, suchen Sie nach Leuten mit dem Prädikat „moderater Warlord".
Während die USA und ihre Koalitionäre ISIS angreifen, schieben manche Staaten (oder zumindest wohlhabende Personen) aus eben dieser Koalition dem neuen Kalifat weiter Geld zu, um es in seiner selbst definierten Rolle als Beschützer der Sunniten und willkommener Helfer gegen das Erstarken der Schiiten im Irak zu unterstützen.
US-Vizepräsident Joe Biden hat kürzlich einige der Partner Amerikas dessen beschuldigt - was als einer seiner berühmten Ausrutscher gilt, die wieder haufenweise Entschuldigungen erfordern. Wenn Sie das Best-Case-Szenario für Syriens Zukunft sehen wollen, schauen Sie mal nach Libyen, einem Land, in dem die USA auch interveniert haben, und das nun im Chaos versinkt und von Milizen zerstückelt wird.
Worst-Case-Szenario:
Syrien ist ein Land ohne Regierung, eine neuer sicherer Hafen für Terroristen und kriegerische Banden, die von außen angestiftet werden. (Die pakistanischen Taliban haben schon angekündigt, Kämpfer zur Unterstützung von ISIS zu schicken.) Man stelle sich vor, dass eine Gruppe übrig gebliebene Chemiewaffen oder SCUD-ähnliche Boden-Boden-Raketen aus Assads Beständen erwischt, und das Potential für Tod und Zerstörung wird unendlich groß. Es könnte sogar auf Israel übergreifen.
4. Israel
Israels Grenze zu Syrien, markiert von den Golan-Höhen, war seit dem Krieg 1967 die ruhigste des Landes, aber das ändert sich jetzt. Syrischer Rebellen irgendwelcher Art suchten kürzlich Grenzdörfer und einen Grenzübergang dort heim. Die Friedenstruppe der Vereinten Nation, die einst in der Gegend patrouillierten, wurden größtenteils aufgrund von Sicherheitsbedenken evakuiert. Vergangenen Monat hat Israel ein syrisches Flugzeug abgeschossen, das in seinen Luftraum eingedrungen war, fraglos eher eine Warnung an Assad, sich um seinen eigenen Kram zu kümmern als eine militärische Notwendigkeit.
Vermutlich hat die Regierung Obama sich hinter den Kulissen bemüht, das Land aus den größeren Kämpfen herauszuhalten, eingedenk des Golfkriegs von 1991, in dem irakische Scud-Raketen auf israelische Städte hinabregneten. Jetzt ist aber nicht 1991. Die Beziehungen zwischen den USA und Israel sind viel unberechenbarer und angespannter. Israel ist besser bewaffnet und die Bereitschaft der USA, auf israelische Wünsche Rücksicht zu nehmen, ist zuletzt erheblich zurückgegangen.
Worst-Case-Szenario:
Ein Schachzug Israels - entweder um sicherzustellen, dass der Krieg weit weg bleibt von der Grenze auf den Golanhöhen oder ein aggressiverer, um syrisches Gebiet zu sichern - könnte die ganze Region in die Luft jagen. „Es ist wie eine große Gasflasche inmitten von Kerzen. Man muss nur eine Kerze anstoßen und alles kann in einer Minute in die Luft fliegen", sagte ein ehemaliger israelischer General. Dennoch: Wenn Sie denken, Israel mache sich Sorgen wegen Syrien - das ist nichts gegen die Sorgen, die sich seine Führung angesichts des Aufstiegs des Iran zu einer wie nie starken Regionalmacht macht.
5. Iran
Was kann für den Iran im aktuellen Konflikt schief gehen? Auch wenn im Nahen Osten immer etwas Unerwartetes geschehen kann, sieht das Land derzeit wie der große potenzielle Gewinner der ISIS-Lotterie aus.
Wird in Bagdad eine pro-iranische Schiiten-Regierung an der Macht bleiben? Darauf können Sie wetten. Verfügt der Iran über eine Blankovollmacht, Bodentruppen in den Irak zu senden? Jawohl. Wird die amerikanische Luftwaffe Bombenangriffe für iranische Bodentruppen fliegen, die gegen die ISIS in den Kampf gerückt sind (rein inoffiziell, natürlich)? Keine Zweifel. Werden die USA versuchen, sich ein wenig von ihren nuklearen Verhandlungen zu distanzieren, in denen sie den harten Hund spielen? Wahrscheinlich. Könnte es dazu kommen, dass die Tür einen Spalt weit geöffnet bleibt, wenn eine inoffizielle Lockerung der Wirtschaftssanktionen als Gegenleistung helfen könnte, wenn die Amerikaner im Irak etwas vom Iran brauchen? Warum nicht?
Worst-Case-Szenario:
Eines Tages wird es eine Statue von Barack Obama im Zentrum Teherans geben, nicht im Irak.
6. Der Irak
Der Irak ist für Amerika der offizielle „Friedhof des Imperiums". Washingtons "neuer" Plan für diese Land hängt am Erfolg von ein paar Initiativen, die schon versagt haben, als sie von 2003 bis 2011 ausprobiert wurden. Zu einer Zeit, zu der Amerikas „Nationen-Erbauer" definitiv noch mehr Ressourcen zur Verfügung hatte und das Chaos in der Region noch kleiner war, so schlimm es damals auch war.
Der erste Schritt in dem aktuellen Masterplan der USA ist die Erschaffung einer „inklusiven" Regierung in Bagdad, welche, so erträumen es sich die USA, einen Keil zwischen die rebellierende und unzufriedene sunnitische Bevölkerung und den Islamischen Staat treibt. Nachdem das passiert ist, soll eine (um)trainierte irakische Armee zurück in die Schlacht ziehen, um die Einheiten des neuen Kalifats aus den nördlichen Teilen des Landes zu vertreiben und Mossul zurückzuerobern.
Das ist unrealistisch, wenn nicht sogar irreal.
Washington hat schon 25 Milliarden Dollar für das Training und die Ausrüstung dieser Armee ausgegeben und zusätzlich mehrere Milliarden für die paramilitärische Polizei. Das Ergebnis: Wenig mehr, als dass ISIS ein Arsenal der neusten amerikanischen Waffen an sich reißen konnte, nachdem die irakische Armee im Juni aus den nördlichen Städten geflohen war.
Jetzt zu dieser inklusiven Regierung. Die Vereinigten Staaten scheinen zu denken, dass eine irakische Regierung aufzustellen das Gleiche ist, wie Spieler für eine Fantasie-Football-Team auszusuchen. Sie wissen schon, man gewinnt ein bisschen, man verliert ein bisschen, man tauscht jemanden aus, und wenn nichts davon funktioniert, hat man in einer neuen Liga und mit einem neuen Rekord im nächsten Jahr einen neuen Versuch.
Weil Haider al-Abadi, der jetzige Premierminister und große Hoffnung für eine inklusive Lösung, sowohl ein Schiit und früherer Kollege des einmal hochgelobten, jetzt enttäuschten Nouri al-Maliki, ist, und der gleichen Partei angehört, hat sich an der Spitze nicht wirklich etwas verändert.
Somit ruhen die Hoffnungen auf eine inklusive Lösung nun auf der Besetzung der Schüsselministerien für Verteidigung und Inneres. Beide waren jahrelang Werkzeuge zur Unterdrückung der Sunniten. Im Moment bleibt Abadi Leitender Minister in beiden, so wie Maliki vor ihm.
Wirklich, was könnte schon schief gehen?
Was die Sunniten angeht, bauen amerikanische Strategien darau, dass sie bestochen werden können und dazu gezwungen werden, mit ISIS zu brechen, egal wie die Dinge in Bagdad stehen. Das ist nur schwer vorstellbar, außer sie leiden an Gedächtnisverlust.
So wie al-Qaida im Irak während der amerikanischen Besatzung ist der Islamische Staat jetzt ein sunnitischer Machtfaktor gegenüber der schiitischen Regierung, die wenn sie tun könnte, was sie wollte, fortfahren würde, die Sunniten an den Rand zu drängen, wenn nicht sogar, sie einfach abzuschlachten.
Ab 2007 haben US-Offiziere tatsächlich einige sunnitische Stammesführer bestochen und gezwungen, Waffen und Bezahlungen anzunehmen und im Tausch dafür Rebelleneinrichtungen anzugreifen, einschließlich al-Qaida. Diesen Handel nannten sie das "Anbar Awakening" (die "Erweckung von Anbar") und versicherten, dass die USA ihnen immer beistehen würden. (General John Allen, der den neuesten Krieg Amerikas im Irak koordiniert, war eine Schlüsselfigur bei den Vermittlungen damals.) Amerika stand ihnen nicht bei.
Stattdessen übergab es das Programm an die schiitische Regierung und bewegte sich in Richtung der Tür mit der Aufschrift "Ausgang". Die Schiiten kündigten das Versprechen sofort auf.
Ein gebranntes Kind scheut das Feuer, warum also sollten die Sunniten nur ein paar Jahre später etwas annehmen, was nach genau dem gleichen schlechten Handel aussah?
Zunächst einmal scheint das aus dem Blickwinkel der USA einen besonders kontraproduktiven Eindruck zu machen. Laut den aktuellen Plänen wollen die USA eine sunnitische "Nationalgarde" formen - aufgerüstete sunnitische Milizen mit einem besser vermarktbaren Namen - damit sie ISIS bekämpfen, wofür sie die USA ausrüsten und bezahlen.
Diese Milizen sollen nur auf sunnitischem Gebiet und unter sunnitischer Führung kämpfen. Sie sollen nicht mehr Verbindung zur Regierung in Bagdad haben als Sie.
Wie soll das dem Irak helfen, ein inklusiver, geschlossener Staat zu werden? Was wird langfristig passieren, wenn noch mehr konfessionsgebundene, bewaffnete Milizen losgeschickt werden?
Was könnte nur schiefgehen?
Trotz seiner unmissverständlichen Geschichte des Scheiterns hält sich der Mythos vom Erfolg der "Erweckung von Anbar" hartnäckig unter konservativen amerikanischen Denkern.
Also lassen Sie sich nicht kurzfristig von Medienberichten über lokale Beispiele von der Zusammenarbeit von Sunniten und Schiiten gegen ISIS täuschen.
Betrachten Sie es als temporäre Allianz der Bequemlichkeit, die die nächste Attacke vielleicht nicht überdauert. Das ist nicht mal annähernd eine Strategie für einen nationalen Sieg. Das war es damals nicht und das wird es heute nicht sein.
Worst-Case-Szenario:
Die Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten erreicht ein neues Level, eines das außenstehende dritte Parteien mit hineinzieht, vielleicht die sunnitischen Golf-Staaten, die versuchen, ein Massaker zu verhindern.
Würden die schiitischen Iraner, die bereits eine Armee im Land haben, nutzlos herumstehen? Wer kann vorhersagen, wie viel Blut vergossen werden würde, alles nur wegen noch eines dummen amerikanischen Krieges im Irak?
7. Die USA
Sollte der Iran der große geopolitische Gewinner dieses mehrstaatlichen Konflikts sein, dann wären die USA der große Verlierer. Präsident Obama (oder sein Nachfolger) wird am Ende zwischen einem Luftkrieg und dem Einsatz von US-Bodentruppen in diesem Konflikt entscheiden müssen. Keiner der beiden Ansätze wird zu den gewünschten Ergebnissen führen, aber Bodentruppen würden die Größenordnung der darauf folgenden Tragödie erhöhen.
Seit den Anschlägen vom 11. September ist es die Vision von Washington, dass sich die geopolitische Landschaft mit militärischer Macht - egal ob mit groß angelegten Invasionen oder "chirurgischen" Drohnenangriffen - auf vorhersehbare Weise verändern last. In Wirklichkeit sind aber mehr Tote die einzige Gewissheit. Alles andere, das haben die letzten 13 Jahre deutlich gemacht, ist reiner Zufall, und auf diesen kann sich Washington garantiert nicht verlassen.
Zu den wahrscheinlichsten Szenarien zählen die folgenden: ISIS-Kräfte sind derzeit nur wenige Meilen vom internationalen Flughafen Bagdads entfernt. Dieser wiederum liegt nur knapp 14 Meilen vom grünen Stadtkern der Hauptstadt. (Beachten Sie, dass die M198-Haubitzen, die ISIS von den zurückweichenden Irakern erbeutet haben, eine Reichweite von 14 Meilen haben).
Der Flughafen ist eine kritische Pforte zur Evakuierung von Botschaftspersonal im Hinblick auf einen möglichen zukünftigen Situation wie in Bengazi, und zum Einfliegen weiteren Militärpersonals, wie beispielsweise der schnellen Eingreifreserve der Marine, die vor Kurzem in das nahe Kuwait verlegt wurde. Der Flughafen wird bereits von 300 bis 500 US-Soldaten gesichert, die mit Apache-Kampfhubschraubern und Drohnen unterstützt werden. Die Apache-Hubschrauber, die vor Kurzem in den Kampf in der Nähe der Provinz Anbar geschickt wurden, sind wahrscheinlich von dort aus gestartet.
Wenn ISIS-Militante versuchen würden, den Flughafen zu stürmen, müssten die USA ihn verteidigen. Das würde zu Kämpfen zwischen den beiden Kräften führen. Durch eine solche Aktion würde ISIS zwar an Boden verlieren, aber auch die USA tiefer in den Sumpf ziehen. Im größeren Kontext kann die derzeitige von den USA zusammengeflickte Allianz gegen ISIS aus "mehr als 60 Ländern" nicht bestehen. Sie ist dazu bestimmt, unter einem Haufen widersprüchlicher langfristiger Ziele zusammenzubrechen. Früher oder später werden die USA wahrscheinlich wieder allein dastehen, wie es im letzten Irakkrieg irgendwann der Fall war.
Das wahrscheinlichste Ergebnis all dieses Tötens, wie auch immer das Schicksal von ISIS aussehen mag, ist ein noch schlimmeres Chaos im Irak, in Syrien und anderen Ländern der Region, darunter möglicherweise auch in der Türkei. Wie Andrew Bacevich beobachtet: "Selbst wenn wir gewinnen, verlieren wir. Mit einem Sieg über den Islamischen Staat würden sich die Vereinigten Staaten nur noch tiefer für ein jahrzehntealtes Unternehmen verpflichten, das sich als teuer und kontraproduktiv erwiesen hat." Der Kontrollverlust über die tatsächlichen Kosten dieses Krieges verlangt nach der Frage: Hatten die USA das jemals in Griff?
Im September wurde Syrien zum 14. Land der islamischen Welt, das seit 1980 von US-Streitkräften überfallen, besetzt oder bombardiert wurde. In diesen vielen Jahren der amerikanischen Kriegsführung wurden die Ziele endlos verschoben, während sich die Lage im Nahen und Mittleren Osten nur verschlechterte. Aufbau von Demokratie? Das werden Sie nicht mehr oft hören. Öl? Die USA sind auf dem Weg, zum Netto-Exporteur zu werden. Bekämpfung des Terrorismus? Das ist die derzeitige Erklärung, aber es gibt bereits Beweise, dass Kämpfe in der Region den Terror und Terrorismus nur fördern.
Zu Hause werden die Stimmen der Panikmacher immer lauter, was zu einem verstärkten nationalen Sicherheitsstaat und zu unzähligen Rechtfertigungsgründen für die Überwachung unserer Gesellschaft führt.
Worst-Case-Szenario:
Amerikas Krieg im Nahen Osten bewegt sich auf das dritte Jahrzehnt zu. Ein Ende ist nicht in Sicht. Ein Strudel, der Leben, Kulturgüter, und Washingtons geistigen Raum zum Atmen verschlingt, selbst wenn dabei andere wichtige Fragen ignoriert werden. Und was könnte hier noch schief gehen?
Folgen Sie TomDispatch auf Twitter und Facebook.
Dieser Blog erschien auch auf TomDispatch.com.
Kennen Sie diese Art von Witz? Sie beschreiben etwas, das ganz offensichtlich in einem Desaster enden wird - ein Freund durchquert das Death Valley und hat so gut wie kein Benzin mehr im Tank - und fragen dann: „Was könnte hier schiefgehen?"
So ist es heute mit dem Nahen Osten. Die USA sind dort wieder in einen Krieg verwickelt, werfen großzügig Bomben auf den Irak und Syrien, geben hier einen Rat, lassen dort eine Drohne fliegen und gehen in der Region Koalitionen ein, um ein bisschen mehr Feuerpower von einer ganzen Sammlung an bockigen Verbündeten einzusammeln, und suchen verzweifelt nach ein paar nicht-amerikanischen Füßen, die man dort auf den Boden bringen könnte.
Hier sind sieben Worst-Case-Szenarios für einen Teil der Welt, wo der schlimmste Fall meist der einzige war, der zur Debatte stand. Mit all der Militärgewalt, die in diese fragilste Region der Welt geschickt wird, was könnte da möglicherweise schiefgehen?
1. Die Kurden
Das Land, das die Kurden normalerweise als ihre eigenes betrachten, war lange zwischen der Türkei, dem Irak, Syrien und dem Iran aufgeteilt. Keines dieser Länder will irgendein Stück Land an eine nach Unabhängigkeit strebende ethnische Minderheit abgeben, und schon gar nicht einen mächtigen, ölreichen kurdischen Staat an seiner Grenze finden.
In der Türkei war die von Kurden bewohnte Grenzregion zum Irak viele Jahre lang eine eine Art Kriegsgebiet, wo die mächtige türkische Armee schoss, bombte und gelegentlich auch Soldaten hinschickte, um die Rebellen dort anzugreifen.
Im Iran leben weniger Kurden als im Irak und die Grenzregion zwischen den zwei Ländern ist offener für Reisen und Handel. (Die Iraner zum Beispiel sollen Berichten zufolge Öl für die Kurden raffinieren, die es dann auf dem Schwarzmarkt verkaufen und außerdem Erdgas vom Iran kaufen.) Dieses Land hat dennoch die kurdische Grenzregion von Zeit zu Zeit beschossen.
Die Kurden kämpfen seit mindestens 1923 für einen eigenen Staat. Im Irak sind sie heute de facto ein unabhängiger Staat mit eigener Regierung und eigenem Militär. Seit 2003 sind sie stark genug, um die schiitische Regierung in Bagdad viel aggressiver herauszufordern als zuvor. Diesem Wunsch stand der Druck aus Washington entgegen, das den Irak als Ganzes erhalten möchte.
Im Juni hat das kurdische Militär, die Peschmerga, die umkämpfte ölreiche Stadt Kirkuk in Besitz genommen, nachdem die irakischen Armee in Mossul und anderen Städten im Norden unter dem Ansturm der Milizen des Islamischen Staates (IS) zusammengebrochen war. Mangels einer Alternative hat die Regierung unter Obama die Kurden einmarschieren lassen.
Die Peschmerga sind ein großer Teil des aktuellen Problems. In einer schon fast verzweifelten Suche nach einer halbwegs kompetenten Stellvertretermacht bewaffnen und trainieren die USA und ihre Alliierten der NATO die Peschmerga, sie dienen ihnen als Air Force und geben ihnen Rückendeckung, wenn sie - als provisorische Antwort auf das neue „Kalifat" - auf ein Territorium vordringen, über das sie sich noch immer mit Bagdad streiten.
Das bedeutet, dass Washington in Zukunft wird zusehen müssen, wie es den sprichwörtlichen Geist wieder in die Flasche zurückbekommt, wenn der Islamische Staat je zurückgeschlagen oder vernichtet sein wird.
Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak, und nun unter der Kontrolle des Islamischen Staates, ist das offensichtlichste Beispiel dafür. Angesichts des traurigen Zustands der irakischen Armee werden die Kurden die Stadt vielleicht eines Tages einnehmen. Das wird in Bagdad nicht allzu gut ankommen und das Ergebnis könnte massive Gewalt entlang konfessioneller Bruchlinien sein, lang nachdem ISIS verschwunden ist.
Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was passieren könnte, haben wir in der Stadt Hassan Sham bekommen. Die Kruden haben sie vergangenen Monat zurückererobert. Im Zuge dessen haben sich Berichten zufolge einige schiitische Einwohner mit ihren Feinden zusammengetan, den sunnitischen IS-Milizen, statt die sich nähernden Peschmerga zu unterstützen.
Worst-Case-Szenario:
Ein mächtiges Kurdistan geht aus der aktuellen Misere der amerikanischen Politik hervor und befeuert einen weiteren großen Konfessionskrieg im Irak, der über die Landesgrenzen hinausgehen könnte. Egal, ob Kurdistan von den UN anerkannt wird oder nicht, oder ob es ein Staat wie Taiwan wird (praktisch, aber nicht juristisch ein eigener Staat), ein solches Kurdistan wird die Machtverhältnisse in der Region so verändern, dass alle bisherigen Probleme davon in den Schatten gestellt werden könnten.
Ein lange bestehendes Machtgleichgewicht zu ändern, hat immer unbeabsichtigte Folgen, vor allem im Nahen Osten. Fragen Sie George W. Bush nach seiner Invasion im Irak 2003, die die aktuelle Miserere erst so richtig ins Laufen gebracht hat.
2. Die Türkei
Man kann natürlich nicht über die Kurden sprechen, ohne auch über die Türkei zu diskutieren, ein Land, das in der Zwickmühle steckt. Seine Streitkräfte haben jahrelang gegen die kurdische Separatistenbewegung gekämpft, die von der PKK personifiziert wird, einer Gruppe, die die Türkei, die NATO, die Europäische Union und die Vereinigten Staaten alle als Terrororganisation einstufen.
Der Kampf zwischen den Türken und der PKK hat 37.000 Menschenleben in den 1980er- und 90er-Jahren gekostet, bevor die Zahl dank der Diplomatie der EU reduziert wurde. Das „Problem2 in der Türkei ist keine Kleinigkeit - die kurdische Minderheit, etwa 15 Millionen Menschen, stellen fast 20 Prozent der Bevölkerung.
Wenn es darum geht, in Syrien einzugreifen, wird es für die Türkei schwierig, weil Washington den Bodeneinsatz der Kurden abgesegnet hat. Was auch immer die USA zu tun glauben - sie tragen zu einem Erstarken der kurdischen Minderheit in Syrien bei, darunter auch Kräfte der PKK, die entlang der türkischen Grenze stationiert sind, mit neuen Waffen und frischem Training.
Die regierende Partei in der Türkei pflegt keine besondere Zuneigung zu ISIS, aber ihre Abscheu gegenüber dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad ist so groß, dass sie lange gewillt war, ISIS durch Wegschauen zu helfen.
Für einige Zeit war die Türkei offensichtlich die Eingangstür nach Syrien für ausländische Kämpfer die sich ISIS anschließen wollten. Die Türkei war auch die Ausgangstür für viel Schwarzmarkt-Öl - 1,2 bis 2 Millionen US-Dollar pro Tag -, das ISIS für die eigenen Finanzierung nutzte.
Vielleicht als Gegenleistung hat der Islamische Staat 49 türkische Geiseln freigelassen, darunter Diplomaten - und zwar ohne die sonst üblichen Enthauptungsvideos.
Als Antwort auf die Forderung der USA nun „etwas zu unternehmen", kassiert die Türkei nun Strafen von Ölschmugglern. Allerdings betrugen diese in den vergangenen 15 Monaten nur 5,7 Millionen US-Dollar, was viel über das Verhältnis der Türkei zur Koalition aussagt.
Die Situation in der von ISIS bedrängten Stadt Kobane illustriert das Problem. Die Türken haben sich bislang geweigert, einzugreifen, um den syrischen Kurden zu helfen. Türkische Panzer stehen bewegungslos auf den Hügeln, von denen aus man den Kampf Mann gegen Mann weniger als eine Meile entfernt sehen kann. Türkische Sicherheitskräfte haben türkische Kurden davon abgehalten, zur Stadt zu gelangen, um zu helfen. Türkische Jets haben PKK-Rebellen innerhalb der Türkei bombardiert, nahe der irakischen Grenze.
Inzwischen bringen die US-Luftangriffe wenig mehr als die Einsicht, dass der Effekt von Luftschlägen begrenzt ist, und Material für künftige Historiker, um darüber zu schreiben. Amerikanische Bomben können ISIS bremsen, aber nicht Teile einer Stadt zurückerobern. Kurz davor, Kobane aus der Luft zu zerstören, um es zu retten, ist die Macht der USA ohne türkische Bodentruppen begrenzt. Unter den aktuellen Umständen werden die Kämpfer des Islamischen Staates entweder die Stadt einnehmen oder sie werden sie langsam verbrennen, während sie ihre Kämpfe mit den Kurden austragen.
Die Türkei verlangt für eine Intervention öffentlich eine von den USA durchgesetzte Pufferzone entlang der Grenze. Die Türken müssten diese Zone am Boden besetzen, was bedeuten würde, dass syrisches Territorium an die Türkei geht (mit einer von Kurden besetzten Pufferzone wäre das anders).
Das würde einen weiteren Einsatz Washingtons bedeuten, bei dem möglicherweise amerikanische Kampfflugzeuge in direkten Konflikt mit der syrischen Luftabwehr geraten würden, die wiederum bombardiert werden müsste, was den Krieg noch mehr ausweiten würde.
Eine Pufferzone würde auch irgendwelche geheimen Absprachen hinfällig machen, die vielleicht zwischen den USA und Assad existieren. Diese Zone wäre ein weitere Einsatz mit ungewissem Ausgang, der zusätzliche US-Ressourcen erfordern würde in einem Konflikt, der den amerikanischen Steuerzahler schon mindestens 10 Millionen US-Dollar pro Tag kostet.
Auf der anderen Seite zwingt die aktuelle Politik Washingtons die Türkei dazu, ihre nationalen Ziele zurückzustellen, um uns beim Erreichen unserer Ziele zu helfen. Wir haben gesehen, wie ein solches Szenario in der Vergangenheit funktioniert hat. (Googeln Sie mal „Pakistan und die Taliban.") Aber solange Kobane die Nachrichten beherrscht, könnten die USA Erfolg damit haben, die Türken zu begrenzten Zugeständnissen zu drängen, etwa amerikanischen Kampfflugzeugen zu erlauben, türkische Militärflughäfen zu benutzen, oder den USA zu erlauben, einige syrische Rebellen auf türkischem Boden zu trainieren.
Das wird aber nichts daran ändern, dass die Türkei letztlich ihre eigenen Ziele verfolgt, unabhängig davon, wie viele Kobanes es noch geben wird.
Worst-Case-Szenario:
Künftiges Chaos in der Osttürkei, während die Sonne für Assad und die Kurden scheint. Der Zustrom von Flüchtlingen belastet die Türken jetzt schon. Aktuelle konfessionelle Konflikte innerhalb der Türkei könnten sich extrem aufheizen, die Türken könnten sich in einem offenen Konflikt mit den kurdischen Kräften wiederfinden, während die USA stumm daneben sitzen und zusehen, wie ein Verbündeter den anderen bekämpft - eine unbeabsichtigte Konsequenz ihrer Einmischung im Nahen Osten.
Wenn es die Pufferzone geben sollte, muss man die Möglichkeit direkter Kämpfe zwischen den USA und Assad in Betracht ziehen. Und der russische Präsident Wladimir Putin würde wahrscheinlich wieder eine Möglichkeit finden, sich in der Region zu engagieren.
3. Syrien
Denken Sie an Syrien als den amerikanischen Krieg, den es nie hätte geben sollen. Trotz jahrelanger Rufe nach US-Intervention und ein wenig Getändel um das Training syrischer Rebellengruppen ist es der Regierung Obama - gerade so - gelungen, sich aus diesem Sumpf herauszuhalten. Im September 2013 war Präsident Obama kurz davor, Bomber und Marschflugkörper gegen Assads Militär einzusetzen, nachdem es Berichte über den Einsatz chemischer Waffen gab. Er benutzte dann den unkooperativen Kongress und Putin als Entschuldigung, es doch nicht zu tun.
Die Taktik dieses Jahres - Assad ignorieren, ISIS attackieren - entwickelte sich innerhalb weniger Wochen, als eine begrenzte humanitäre Aktion sich in einen Kampf bis aufs Messer gegen ISIS im Irak verwandelte und dann in ein Bombardement Syriens. Wie bei einem Zaubertrick sahen wir alle zu und können immer noch nicht sagen, wie das eigentlich vor sich gegangen ist.
Syrien ist heute ein Land in Trümmern. Aber irgendwo in diesem Land gibt es Einhörner - Wesen, über die man viel spricht aber nie sieht -, nämlich die von der Regierung Obama viel beschworenen „moderaten syrischen Rebellen". Wo sind sie? Der Arbeitstitel scheint so etwas zu sein wie: Menschen, die gegen Assad sind, die bereit sind, erst einmal nicht ihn sondern ersatzweise den Islamischen Staat zu bekämpfen, und die nicht zu „fundamentalistisch" sind. Die USA wollen sie mit Waffen und Training überschütten, sobald sie sie finden, sie prüfen, und dann nach Saudi-Arabien bringen. Wenn Sie in Syrien einkaufen möchten, suchen Sie nach Leuten mit dem Prädikat „moderater Warlord".
Während die USA und ihre Koalitionäre ISIS angreifen, schieben manche Staaten (oder zumindest wohlhabende Personen) aus eben dieser Koalition dem neuen Kalifat weiter Geld zu, um es in seiner selbst definierten Rolle als Beschützer der Sunniten und willkommener Helfer gegen das Erstarken der Schiiten im Irak zu unterstützen.
US-Vizepräsident Joe Biden hat kürzlich einige der Partner Amerikas dessen beschuldigt - was als einer seiner berühmten Ausrutscher gilt, die wieder haufenweise Entschuldigungen erfordern. Wenn Sie das Best-Case-Szenario für Syriens Zukunft sehen wollen, schauen Sie mal nach Libyen, einem Land, in dem die USA auch interveniert haben, und das nun im Chaos versinkt und von Milizen zerstückelt wird.
Worst-Case-Szenario:
Syrien ist ein Land ohne Regierung, eine neuer sicherer Hafen für Terroristen und kriegerische Banden, die von außen angestiftet werden. (Die pakistanischen Taliban haben schon angekündigt, Kämpfer zur Unterstützung von ISIS zu schicken.) Man stelle sich vor, dass eine Gruppe übrig gebliebene Chemiewaffen oder SCUD-ähnliche Boden-Boden-Raketen aus Assads Beständen erwischt, und das Potential für Tod und Zerstörung wird unendlich groß. Es könnte sogar auf Israel übergreifen.
4. Israel
Israels Grenze zu Syrien, markiert von den Golan-Höhen, war seit dem Krieg 1967 die ruhigste des Landes, aber das ändert sich jetzt. Syrischer Rebellen irgendwelcher Art suchten kürzlich Grenzdörfer und einen Grenzübergang dort heim. Die Friedenstruppe der Vereinten Nation, die einst in der Gegend patrouillierten, wurden größtenteils aufgrund von Sicherheitsbedenken evakuiert. Vergangenen Monat hat Israel ein syrisches Flugzeug abgeschossen, das in seinen Luftraum eingedrungen war, fraglos eher eine Warnung an Assad, sich um seinen eigenen Kram zu kümmern als eine militärische Notwendigkeit.
Vermutlich hat die Regierung Obama sich hinter den Kulissen bemüht, das Land aus den größeren Kämpfen herauszuhalten, eingedenk des Golfkriegs von 1991, in dem irakische Scud-Raketen auf israelische Städte hinabregneten. Jetzt ist aber nicht 1991. Die Beziehungen zwischen den USA und Israel sind viel unberechenbarer und angespannter. Israel ist besser bewaffnet und die Bereitschaft der USA, auf israelische Wünsche Rücksicht zu nehmen, ist zuletzt erheblich zurückgegangen.
Worst-Case-Szenario:
Ein Schachzug Israels - entweder um sicherzustellen, dass der Krieg weit weg bleibt von der Grenze auf den Golanhöhen oder ein aggressiverer, um syrisches Gebiet zu sichern - könnte die ganze Region in die Luft jagen. „Es ist wie eine große Gasflasche inmitten von Kerzen. Man muss nur eine Kerze anstoßen und alles kann in einer Minute in die Luft fliegen", sagte ein ehemaliger israelischer General. Dennoch: Wenn Sie denken, Israel mache sich Sorgen wegen Syrien - das ist nichts gegen die Sorgen, die sich seine Führung angesichts des Aufstiegs des Iran zu einer wie nie starken Regionalmacht macht.
5. Iran
Was kann für den Iran im aktuellen Konflikt schief gehen? Auch wenn im Nahen Osten immer etwas Unerwartetes geschehen kann, sieht das Land derzeit wie der große potenzielle Gewinner der ISIS-Lotterie aus.
Wird in Bagdad eine pro-iranische Schiiten-Regierung an der Macht bleiben? Darauf können Sie wetten. Verfügt der Iran über eine Blankovollmacht, Bodentruppen in den Irak zu senden? Jawohl. Wird die amerikanische Luftwaffe Bombenangriffe für iranische Bodentruppen fliegen, die gegen die ISIS in den Kampf gerückt sind (rein inoffiziell, natürlich)? Keine Zweifel. Werden die USA versuchen, sich ein wenig von ihren nuklearen Verhandlungen zu distanzieren, in denen sie den harten Hund spielen? Wahrscheinlich. Könnte es dazu kommen, dass die Tür einen Spalt weit geöffnet bleibt, wenn eine inoffizielle Lockerung der Wirtschaftssanktionen als Gegenleistung helfen könnte, wenn die Amerikaner im Irak etwas vom Iran brauchen? Warum nicht?
Worst-Case-Szenario:
Eines Tages wird es eine Statue von Barack Obama im Zentrum Teherans geben, nicht im Irak.
6. Der Irak
Der Irak ist für Amerika der offizielle „Friedhof des Imperiums". Washingtons "neuer" Plan für diese Land hängt am Erfolg von ein paar Initiativen, die schon versagt haben, als sie von 2003 bis 2011 ausprobiert wurden. Zu einer Zeit, zu der Amerikas „Nationen-Erbauer" definitiv noch mehr Ressourcen zur Verfügung hatte und das Chaos in der Region noch kleiner war, so schlimm es damals auch war.
Der erste Schritt in dem aktuellen Masterplan der USA ist die Erschaffung einer „inklusiven" Regierung in Bagdad, welche, so erträumen es sich die USA, einen Keil zwischen die rebellierende und unzufriedene sunnitische Bevölkerung und den Islamischen Staat treibt. Nachdem das passiert ist, soll eine (um)trainierte irakische Armee zurück in die Schlacht ziehen, um die Einheiten des neuen Kalifats aus den nördlichen Teilen des Landes zu vertreiben und Mossul zurückzuerobern.
Das ist unrealistisch, wenn nicht sogar irreal.
Washington hat schon 25 Milliarden Dollar für das Training und die Ausrüstung dieser Armee ausgegeben und zusätzlich mehrere Milliarden für die paramilitärische Polizei. Das Ergebnis: Wenig mehr, als dass ISIS ein Arsenal der neusten amerikanischen Waffen an sich reißen konnte, nachdem die irakische Armee im Juni aus den nördlichen Städten geflohen war.
Jetzt zu dieser inklusiven Regierung. Die Vereinigten Staaten scheinen zu denken, dass eine irakische Regierung aufzustellen das Gleiche ist, wie Spieler für eine Fantasie-Football-Team auszusuchen. Sie wissen schon, man gewinnt ein bisschen, man verliert ein bisschen, man tauscht jemanden aus, und wenn nichts davon funktioniert, hat man in einer neuen Liga und mit einem neuen Rekord im nächsten Jahr einen neuen Versuch.
Weil Haider al-Abadi, der jetzige Premierminister und große Hoffnung für eine inklusive Lösung, sowohl ein Schiit und früherer Kollege des einmal hochgelobten, jetzt enttäuschten Nouri al-Maliki, ist, und der gleichen Partei angehört, hat sich an der Spitze nicht wirklich etwas verändert.
Somit ruhen die Hoffnungen auf eine inklusive Lösung nun auf der Besetzung der Schüsselministerien für Verteidigung und Inneres. Beide waren jahrelang Werkzeuge zur Unterdrückung der Sunniten. Im Moment bleibt Abadi Leitender Minister in beiden, so wie Maliki vor ihm.
Wirklich, was könnte schon schief gehen?
Was die Sunniten angeht, bauen amerikanische Strategien darau, dass sie bestochen werden können und dazu gezwungen werden, mit ISIS zu brechen, egal wie die Dinge in Bagdad stehen. Das ist nur schwer vorstellbar, außer sie leiden an Gedächtnisverlust.
So wie al-Qaida im Irak während der amerikanischen Besatzung ist der Islamische Staat jetzt ein sunnitischer Machtfaktor gegenüber der schiitischen Regierung, die wenn sie tun könnte, was sie wollte, fortfahren würde, die Sunniten an den Rand zu drängen, wenn nicht sogar, sie einfach abzuschlachten.
Ab 2007 haben US-Offiziere tatsächlich einige sunnitische Stammesführer bestochen und gezwungen, Waffen und Bezahlungen anzunehmen und im Tausch dafür Rebelleneinrichtungen anzugreifen, einschließlich al-Qaida. Diesen Handel nannten sie das "Anbar Awakening" (die "Erweckung von Anbar") und versicherten, dass die USA ihnen immer beistehen würden. (General John Allen, der den neuesten Krieg Amerikas im Irak koordiniert, war eine Schlüsselfigur bei den Vermittlungen damals.) Amerika stand ihnen nicht bei.
Stattdessen übergab es das Programm an die schiitische Regierung und bewegte sich in Richtung der Tür mit der Aufschrift "Ausgang". Die Schiiten kündigten das Versprechen sofort auf.
Ein gebranntes Kind scheut das Feuer, warum also sollten die Sunniten nur ein paar Jahre später etwas annehmen, was nach genau dem gleichen schlechten Handel aussah?
Zunächst einmal scheint das aus dem Blickwinkel der USA einen besonders kontraproduktiven Eindruck zu machen. Laut den aktuellen Plänen wollen die USA eine sunnitische "Nationalgarde" formen - aufgerüstete sunnitische Milizen mit einem besser vermarktbaren Namen - damit sie ISIS bekämpfen, wofür sie die USA ausrüsten und bezahlen.
Diese Milizen sollen nur auf sunnitischem Gebiet und unter sunnitischer Führung kämpfen. Sie sollen nicht mehr Verbindung zur Regierung in Bagdad haben als Sie.
Wie soll das dem Irak helfen, ein inklusiver, geschlossener Staat zu werden? Was wird langfristig passieren, wenn noch mehr konfessionsgebundene, bewaffnete Milizen losgeschickt werden?
Was könnte nur schiefgehen?
Trotz seiner unmissverständlichen Geschichte des Scheiterns hält sich der Mythos vom Erfolg der "Erweckung von Anbar" hartnäckig unter konservativen amerikanischen Denkern.
Also lassen Sie sich nicht kurzfristig von Medienberichten über lokale Beispiele von der Zusammenarbeit von Sunniten und Schiiten gegen ISIS täuschen.
Betrachten Sie es als temporäre Allianz der Bequemlichkeit, die die nächste Attacke vielleicht nicht überdauert. Das ist nicht mal annähernd eine Strategie für einen nationalen Sieg. Das war es damals nicht und das wird es heute nicht sein.
Worst-Case-Szenario:
Die Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten erreicht ein neues Level, eines das außenstehende dritte Parteien mit hineinzieht, vielleicht die sunnitischen Golf-Staaten, die versuchen, ein Massaker zu verhindern.
Würden die schiitischen Iraner, die bereits eine Armee im Land haben, nutzlos herumstehen? Wer kann vorhersagen, wie viel Blut vergossen werden würde, alles nur wegen noch eines dummen amerikanischen Krieges im Irak?
7. Die USA
Sollte der Iran der große geopolitische Gewinner dieses mehrstaatlichen Konflikts sein, dann wären die USA der große Verlierer. Präsident Obama (oder sein Nachfolger) wird am Ende zwischen einem Luftkrieg und dem Einsatz von US-Bodentruppen in diesem Konflikt entscheiden müssen. Keiner der beiden Ansätze wird zu den gewünschten Ergebnissen führen, aber Bodentruppen würden die Größenordnung der darauf folgenden Tragödie erhöhen.
Seit den Anschlägen vom 11. September ist es die Vision von Washington, dass sich die geopolitische Landschaft mit militärischer Macht - egal ob mit groß angelegten Invasionen oder "chirurgischen" Drohnenangriffen - auf vorhersehbare Weise verändern last. In Wirklichkeit sind aber mehr Tote die einzige Gewissheit. Alles andere, das haben die letzten 13 Jahre deutlich gemacht, ist reiner Zufall, und auf diesen kann sich Washington garantiert nicht verlassen.
Zu den wahrscheinlichsten Szenarien zählen die folgenden: ISIS-Kräfte sind derzeit nur wenige Meilen vom internationalen Flughafen Bagdads entfernt. Dieser wiederum liegt nur knapp 14 Meilen vom grünen Stadtkern der Hauptstadt. (Beachten Sie, dass die M198-Haubitzen, die ISIS von den zurückweichenden Irakern erbeutet haben, eine Reichweite von 14 Meilen haben).
Der Flughafen ist eine kritische Pforte zur Evakuierung von Botschaftspersonal im Hinblick auf einen möglichen zukünftigen Situation wie in Bengazi, und zum Einfliegen weiteren Militärpersonals, wie beispielsweise der schnellen Eingreifreserve der Marine, die vor Kurzem in das nahe Kuwait verlegt wurde. Der Flughafen wird bereits von 300 bis 500 US-Soldaten gesichert, die mit Apache-Kampfhubschraubern und Drohnen unterstützt werden. Die Apache-Hubschrauber, die vor Kurzem in den Kampf in der Nähe der Provinz Anbar geschickt wurden, sind wahrscheinlich von dort aus gestartet.
Wenn ISIS-Militante versuchen würden, den Flughafen zu stürmen, müssten die USA ihn verteidigen. Das würde zu Kämpfen zwischen den beiden Kräften führen. Durch eine solche Aktion würde ISIS zwar an Boden verlieren, aber auch die USA tiefer in den Sumpf ziehen. Im größeren Kontext kann die derzeitige von den USA zusammengeflickte Allianz gegen ISIS aus "mehr als 60 Ländern" nicht bestehen. Sie ist dazu bestimmt, unter einem Haufen widersprüchlicher langfristiger Ziele zusammenzubrechen. Früher oder später werden die USA wahrscheinlich wieder allein dastehen, wie es im letzten Irakkrieg irgendwann der Fall war.
Das wahrscheinlichste Ergebnis all dieses Tötens, wie auch immer das Schicksal von ISIS aussehen mag, ist ein noch schlimmeres Chaos im Irak, in Syrien und anderen Ländern der Region, darunter möglicherweise auch in der Türkei. Wie Andrew Bacevich beobachtet: "Selbst wenn wir gewinnen, verlieren wir. Mit einem Sieg über den Islamischen Staat würden sich die Vereinigten Staaten nur noch tiefer für ein jahrzehntealtes Unternehmen verpflichten, das sich als teuer und kontraproduktiv erwiesen hat." Der Kontrollverlust über die tatsächlichen Kosten dieses Krieges verlangt nach der Frage: Hatten die USA das jemals in Griff?
Im September wurde Syrien zum 14. Land der islamischen Welt, das seit 1980 von US-Streitkräften überfallen, besetzt oder bombardiert wurde. In diesen vielen Jahren der amerikanischen Kriegsführung wurden die Ziele endlos verschoben, während sich die Lage im Nahen und Mittleren Osten nur verschlechterte. Aufbau von Demokratie? Das werden Sie nicht mehr oft hören. Öl? Die USA sind auf dem Weg, zum Netto-Exporteur zu werden. Bekämpfung des Terrorismus? Das ist die derzeitige Erklärung, aber es gibt bereits Beweise, dass Kämpfe in der Region den Terror und Terrorismus nur fördern.
Zu Hause werden die Stimmen der Panikmacher immer lauter, was zu einem verstärkten nationalen Sicherheitsstaat und zu unzähligen Rechtfertigungsgründen für die Überwachung unserer Gesellschaft führt.
Worst-Case-Szenario:
Amerikas Krieg im Nahen Osten bewegt sich auf das dritte Jahrzehnt zu. Ein Ende ist nicht in Sicht. Ein Strudel, der Leben, Kulturgüter, und Washingtons geistigen Raum zum Atmen verschlingt, selbst wenn dabei andere wichtige Fragen ignoriert werden. Und was könnte hier noch schief gehen?
Peter Van Buren hat Verschwendung und Mismanagement im US-Außenministerium während des Wiederaufbaus im Irak in seinem ersten Buch öffentlich gemacht, We Meant Well: How I Helped Lose the Battle for the Hearts and Minds of the Iraqi People.
Auf TomDispatch regular, schreibt er über aktuelle Ereignisse, We Meant Well. Sein neuestes Buch istGhosts of Tom Joad: A Story of the #99Percent.
Folgen Sie TomDispatch auf Twitter und Facebook.
Video: Terrormiliz: ISIS richtet nun auch eigene Kämpfer hin