Quantcast
Channel: Huffington Post Germany Athena
Viewing all articles
Browse latest Browse all 40759

Zinsverlierer: Bürgerliche Mehrheit auf dem Kriegspfad

$
0
0
Die bürgerliche Mehrheitsbevölkerung geht auf den Kriegspfad. Denn für die Sparer gibt es keine Zinsen mehr. Die bürgerliche Mehrheit hat dadurch jedoch viel zu verlieren. Deshalb kocht der Rentner am Sparkassenschalter bereits vor Wut über seine entgangenen Zinseinnahmen. Aber auch die junge Frau daneben sieht erschrocken auf ihren abgemagerten Kontoauszug.

Nehmen Sie Ihr Geld doch mit...

Die Schuldige ist schnell im Visier. Es ist die Europäische Zentralbank. Deshalb tut sich der Sparkassenmitarbeiter auch leicht mit der Drohung des Rentners, sein Geld vom Sparbuch abzuheben. „Nehmen Sie ihr Geld doch mit nach Hause", sagt der Sparkassenmann gönnerhaft, „dann müssen wir dafür wenigstens keinen Strafzins an die Europäische Zentralbank bezahlen."

Das Schicksal des Rentners teilt die bürgerliche Mehrheitsbevölkerung. Denn sie erhält derzeit Mitteilungen über weitere Zinssenkungen für ihre Tagesgelder. So hat eine Genossenschaftsbank den Zinssatz zum Monatswechsel bereits auf 0,10 % reduziert. Wer soll da noch fürs Alter vorsorgen? Und wer kann damit am Lebensabend noch die Rente aufbessern? Die bürgerliche Mehrheitsbevölkerung ist empört.

Reiche als Gutmenschen

Ganz anders das Großbürgertum mit den dicken Aktienpaketen und dem wertvollen Immobilienbesitz. Wer einen ganzen Straßenzug an Häusern sein Eigen nennt, den juckt bei satten Mieteinnahmen die Zinsmisere nicht.

Aber auch die Politiker mit ihren dicken Gehältern und den Riesenpensionen können den Zinsraub mit Gelassenheit betrachten. Sie haben so viel finanziellen Speck angesetzt, dass sie davon lange gut leben können, ohne auf Zinseinnahmen angewiesen zu sein.

Großbürgertum und Politiker gehören deshalb zu den Gutmenschen, die dem wütenden Sparer zu mehr Gelassenheit raten. Sein Zinsopfer rette nämlich Arbeitsplätze und beflügle die Konjunktur, heißt es. Außerdem sei die Europäische Zentralbank unabhängig. Man könne deshalb - leider, leider - gar nichts gegen ihre Politik machen.

Jetzt auch noch faule Kreditpakete

Schlimmer geht immer. Das ist eine alte Volksweisheit. Und sie bewahrheitet sich im Augenblick. Denn die ach so um Arbeitsplätze und Konjunktur besorgte Europäische Zentralbank hat sich was Neues einfallen lassen. Sie will jetzt den Banken alte Kreditpakete abkaufen, damit sie neue Kredite vergeben können.

Gut so, könnte man sagen, ein Schelm, der Böses dabei denkt. So ein Bösewicht könnte gar zu der Auffassung kommen, dass die Banken der Europäischen Zentralbank gerade die Kreditpakete verkaufen, in denen das größte Pleiterisiko steckt. Dann würde der Steuerzahler den Verlust tragen und nicht die Bank. Dann winkt dem Sparer nach dem Zinsraub auch noch die Steuererhöhung.

Auf der Straße des Protests

Doch die bürgerliche Mehrheitsbevölkerung ist an ihrer Schmerzgrenze angelangt. Sie reagiert inzwischen immer deutlicher auf die Signale, die von weniger Zins und mehr Steuern künden. Und wenn das Bundesverfassungsgericht nicht für Frieden sorgt, dann ist Karlsruhe nur ein Zwischenstopp auf der Straße des Widerstands.

Denn immer mehr Institutionen schließen sich dem Protest der bürgerlichen Mehrheitsbevölkerung an und übernehmen ihre Argumente. So beschwert sich bereits die Industrie über die Negativzinsen der Europäischen Zentralbank. Auch die Kreditwirtschaft stimmt in diesen Chor mit ein. Doch die meiste Unterstützung bekommen die Sparer aus der Wissenschaft.

Die Bad Bank Europas

So hat Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn den Kauf von Kreditverbriefungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) scharf kritisiert. Die EZB werde damit vollends zu einer Bad Bank Europas, sagte er in München.

„Die EZB will offenbar auch Schrott kaufen und erhöht auf diese Weise die Belastung für die Steuerzahler, wenn es Ausfälle gibt." Denn diese müssen für die reduzierten Gewinnausschüttungen der EZB aufkommen, warnt Hans-Werner Sinn.

Nicht mehr investitionswürdig

Diese Käufe seien auch nicht durch das Mandat der EZB gedeckt. Denn es handele sich dabei um eine fiskalische und keine geldpolitische Maßnahme, „zur Unterstützung der Finanzsysteme nahezu bankrotter Länder".

Auch Griechenland und Zypern werde geholfen, „obwohl die Ratingagenturen die Staaten nicht mehr als investitionswürdig einstufen". Deshalb betreibt die EZB in den Augen von Hans-Werner Sinn eine fiskalische Rettungspolitik.

Bundesverfassungsgericht braucht größeren Briefkasten

Die Mandatsüberschreitung der EZB ist für Hans-Werner Sinn somit offenkundig. Der Ratschlag des Spitzenökonomen ist deshalb knallhart: „Die Bundesregierung ist verpflichtet, aktiv dagegen vorzugehen, und wenn sie es nicht tut, kann sie jeder Bürger vor dem Bundesverfassungsgericht verklagen, es zu tun."

Die bürgerliche Mehrheitsbevölkerung weiß jetzt, was sie zu tun hat. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wäre deshalb gut beraten, wenn es sich einen größeren Briefkasten anschaffen würde.

2014-10-07-Zinsverlierer.JPG


Lehnt sich mit seiner EZB-Kritik weit hinaus: Spitzenökonom Prof. Hans-Werner Sinn (Foto: Ifo-Institut)


Mehr für Verbraucher und Sparer auf www.finanz-blog-online.de und www.finanz-pressedienst.de

Viewing all articles
Browse latest Browse all 40759

Trending Articles