Der Bau der Mauer in Berlin am 13. August 1961 markierte zugleich das Ende der sozialdemokratischen Wiedervereinigungshoffnungen und den Beginn der neuen Ostpolitik.
Am 30. Juni 1960 hatte der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Herbert Wehner, in einer Grundsatzrede die Westbindung der Bundesrepublik begrüßt und alle früheren Bedenken, dadurch sei die Wiedervereinigung gefährdet, zurückgestellt.
Aber erst durch die Brutalität des Mauerbaus verstummte die auf Wiedervereinigung abzielende Grundhaltung in der Partei gänzlich. Der Mauerbau und die ausbleibende Reaktion der Westmächte signalisierten dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt, dass man jetzt die Dinge selbst in die Hand nehmen müsse.
Die neue Ostpolitik nahm alsbald Gestalt an: Knapp zwei Jahre später, am 15. Juli 1963 hielt Egon Bahr seine berühmte Tutzinger Rede „Wandel durch Annäherung". Und die „Politik der kleinen Schritte" begann mit einem Passierscheinabkommen, das erste Begegnungen zwischen dem Ostteil und dem Westteil der Stadt ermöglichte.
Ostpolitik war kühl kalkuliert
Die neue Ostpolitik war kühl kalkuliert: Sie legitimierte sich nicht in erster Linie durch moralische Überzeugungen, sondern durch das Wirken und die antizipierbaren Folgen, die mit dem eigenmächtigen Handeln als verbunden gedacht wurden.
Der Begründer der deutschen Soziologie, Max Weber, hat für ein solches Vorgehen den Begriff „Verantwortungsethik" geprägt. Für ein Handeln hingegen, das sich nur auf moralische Prinzipien stützt, prägte er den Begriff „Gesinnungsethik". Den meisten Philosophen und Wissenschaftstheoretikern ist die Kategorie Gesinnungsethik heute suspekt. Sie halten sie für ein Relikt voraufklärerischen Denkens, für eine Spielart der Romantik.
Spätestens seit Hans Jonas Buch „Das Prinzip Verantwortung" aus dem Jahr 1979 hat sich die Verantwortungsethik gegen die Gesinnungsethik durchgesetzt.
Lafontaine scheiterte an der Wiedervereinigung
Die Mauer hielt 28 Jahre. Mit ihrem Fall, der deutschen Vereinigung und das damals schon vorsichtig erahnbare Ende des Kommunismus wurde zugleich eine steile Karriere beendet: Die Karriere des damaligen stellvertretenden Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partei, Oskar Lafontaine.
Dieser trat 1990 als Kanzlerkandidat gegen Helmut Kohl an und ohne die deutsche Vereinigung hätte er die Wahl vermutlich gewonnen.
Lafontaine wurde damals verdächtigt, die Wiedervereinigung nicht zu wollen, aber das ist zu kurz um zu schließen, mithin ein Kurzschluss. Es waren nur andere Fragen, die sich ihm aufdrängten. Er wollte die Frage nach der Wiedervereinigung entscheiden im Lichte der antizipierbaren Folgen: Eine schnelle Wiedervereinigung und ein unrealistischer Umtauschkurs zwischen den beiden deutschen Währungen, so vermutete er, würde die ohnehin brachliegende Wirtschaft in der DDR zerstören.
Für Oskar Lafontaine war die Entwicklung und Sicherung einheitlicher Lebensverhältnisse wichtiger als die „nur politische Einheit".
Nach meiner Erinnerung - ich arbeitete zu dieser Zeit in der Staatskanzlei des Saarlands -, sagte Lafontaine sinngemäß: Wenn wir die soziale und ökonomische Vereinigung dadurch leichter organisieren können, wenn das Land vorübergehend geteilt bleibt, dann machen wir das so. Wenn dieser Prozess durch die politische Vereinigung erleichtert wird, dann machen wir Vereinigung.
Lafontaine stand damals nicht allein: Viele Künstler, Nobelpreisträger gar, dachten und fühlten so wie er. Und auch der Autor dieses Artikels muss bekennen, dass er zeitweise auch von der Krankheit befallen war, die er jetzt beklagt.
Lafontaine hatte damals eine rationale, aufgeklärte Position, eine Position, die alle Kriterien der Verantwortungsethik von Max Weber erfüllte. Sehen wir einmal davon ab, dass es eine Illusion war, alles in der eigenen Hand zu haben. Sehen wir davon ab, dass in dieser Illusion das Selbstbestimmungsrecht der Bürger in der DDR kastriert worden wäre (was Willy Brandt massiv in Erinnerung brachte). Es war nicht die fehlende Urteilskraft, für die Lafontaine abgestraft wurde.
Es war das Kalkulieren als solches: Viele Menschen spürten wohl, dass man einer historischen Situation nicht alleine mit doppelter Buchführung gerecht werden kann.
Am 30. Juni 1960 hatte der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Herbert Wehner, in einer Grundsatzrede die Westbindung der Bundesrepublik begrüßt und alle früheren Bedenken, dadurch sei die Wiedervereinigung gefährdet, zurückgestellt.
Aber erst durch die Brutalität des Mauerbaus verstummte die auf Wiedervereinigung abzielende Grundhaltung in der Partei gänzlich. Der Mauerbau und die ausbleibende Reaktion der Westmächte signalisierten dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt, dass man jetzt die Dinge selbst in die Hand nehmen müsse.
Die neue Ostpolitik nahm alsbald Gestalt an: Knapp zwei Jahre später, am 15. Juli 1963 hielt Egon Bahr seine berühmte Tutzinger Rede „Wandel durch Annäherung". Und die „Politik der kleinen Schritte" begann mit einem Passierscheinabkommen, das erste Begegnungen zwischen dem Ostteil und dem Westteil der Stadt ermöglichte.
Ostpolitik war kühl kalkuliert
Die neue Ostpolitik war kühl kalkuliert: Sie legitimierte sich nicht in erster Linie durch moralische Überzeugungen, sondern durch das Wirken und die antizipierbaren Folgen, die mit dem eigenmächtigen Handeln als verbunden gedacht wurden.
Der Begründer der deutschen Soziologie, Max Weber, hat für ein solches Vorgehen den Begriff „Verantwortungsethik" geprägt. Für ein Handeln hingegen, das sich nur auf moralische Prinzipien stützt, prägte er den Begriff „Gesinnungsethik". Den meisten Philosophen und Wissenschaftstheoretikern ist die Kategorie Gesinnungsethik heute suspekt. Sie halten sie für ein Relikt voraufklärerischen Denkens, für eine Spielart der Romantik.
Spätestens seit Hans Jonas Buch „Das Prinzip Verantwortung" aus dem Jahr 1979 hat sich die Verantwortungsethik gegen die Gesinnungsethik durchgesetzt.
Lafontaine scheiterte an der Wiedervereinigung
Die Mauer hielt 28 Jahre. Mit ihrem Fall, der deutschen Vereinigung und das damals schon vorsichtig erahnbare Ende des Kommunismus wurde zugleich eine steile Karriere beendet: Die Karriere des damaligen stellvertretenden Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partei, Oskar Lafontaine.
Dieser trat 1990 als Kanzlerkandidat gegen Helmut Kohl an und ohne die deutsche Vereinigung hätte er die Wahl vermutlich gewonnen.
Lafontaine wurde damals verdächtigt, die Wiedervereinigung nicht zu wollen, aber das ist zu kurz um zu schließen, mithin ein Kurzschluss. Es waren nur andere Fragen, die sich ihm aufdrängten. Er wollte die Frage nach der Wiedervereinigung entscheiden im Lichte der antizipierbaren Folgen: Eine schnelle Wiedervereinigung und ein unrealistischer Umtauschkurs zwischen den beiden deutschen Währungen, so vermutete er, würde die ohnehin brachliegende Wirtschaft in der DDR zerstören.
Für Oskar Lafontaine war die Entwicklung und Sicherung einheitlicher Lebensverhältnisse wichtiger als die „nur politische Einheit".
Nach meiner Erinnerung - ich arbeitete zu dieser Zeit in der Staatskanzlei des Saarlands -, sagte Lafontaine sinngemäß: Wenn wir die soziale und ökonomische Vereinigung dadurch leichter organisieren können, wenn das Land vorübergehend geteilt bleibt, dann machen wir das so. Wenn dieser Prozess durch die politische Vereinigung erleichtert wird, dann machen wir Vereinigung.
Lafontaine stand damals nicht allein: Viele Künstler, Nobelpreisträger gar, dachten und fühlten so wie er. Und auch der Autor dieses Artikels muss bekennen, dass er zeitweise auch von der Krankheit befallen war, die er jetzt beklagt.
Lafontaine hatte damals eine rationale, aufgeklärte Position, eine Position, die alle Kriterien der Verantwortungsethik von Max Weber erfüllte. Sehen wir einmal davon ab, dass es eine Illusion war, alles in der eigenen Hand zu haben. Sehen wir davon ab, dass in dieser Illusion das Selbstbestimmungsrecht der Bürger in der DDR kastriert worden wäre (was Willy Brandt massiv in Erinnerung brachte). Es war nicht die fehlende Urteilskraft, für die Lafontaine abgestraft wurde.
Es war das Kalkulieren als solches: Viele Menschen spürten wohl, dass man einer historischen Situation nicht alleine mit doppelter Buchführung gerecht werden kann.