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6 Gründe, warum die Schule viel zu früh anfängt

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Bildungspolitiker und Pädagogen haben in den vergangenen Jahrzehnten fast alle Bereiche des Schullebens reformiert, modernisiert - und einer neuen Zeit angepasst. Ganztagsschulen wurden eingeführt, Lehrpläne entrümpelt. Mal war es erfolgreich, mal nicht.

Nur ein Thema wurde bei alledem nie wirklich angepackt: Der Schulbeginn. In den meisten Klassenzimmern müssen die Schüler spätestens um acht Uhr antreten. Manchmal sogar früher.

Das quält nicht nur Schüler, Eltern und Lehrer. Es ist ein Relikt aus einer längst vergangenen Gesellschaft. Denn die Regel wurde vor nunmehr 100 Jahren eingeführt. In einer Zeit, in der Mütter Zuhause blieben, während die Männer auf dem Feld oder in der Fabrik arbeiten gingen.

Diese Zeit ist vorbei und deshalb müssen wir dringend über einen späteren Schulbeginn reden. Und nicht nur reden, wir müssen handeln - und die enormen Beharrungskräfte überwinden.

Denn es gibt kaum einen vernünftigen Grund, am frühen Schulbeginn festzuhalten. Aber es gibt 6 gute Argumente dagegen:

1. Mangelnde Leistungsfähigkeit

Wissenschaftler warnen schon seit Jahren, dass Kinder so früh am Morgen noch nicht leistungsfähig sind. "Die meisten Jugendlichen ab zwölf Jahren sind so genannte Eulen, also Abendtypen. Um acht Uhr sind sie gerade mal so leistungsfähig wie um Mitternacht", sagt etwa Jürgen Zulley vom Schlafmedizinischen Zentrum der Universität Regensburg.

2. Mehr Konzentration

Es ist kein Geheimnis, dass ausreichend Schlaf eine Voraussetzung für erfolgreiches Lernen - und die nötige Konzentration ist.

Aus diesem Grund forderte Grünen-Chef Cem Özdemir bereits vor einigen Jahren einen späteren Schulstart: "Ich persönlich kann einem späteren Schulbeginn einiges abgewinnen", sagte er und verwies auf Forschungen, die gezeigt haben, dass Kinder “bei einem späteren Schulbeginn wie 8.30 oder neun Uhr konzentrierter und besser bei der Sache sind".

Auch Schlafforscher Zulley ist davon überzeugt, dass der Schulgebinn um acht Uhr zu früh angesetzt ist. Er ist davon überzeugt, dass sich die innere Uhr der Kinder nicht beliebig verstellen lässt und es deshalb auch nicht hilft, die Kinder früher ins Bett zu stecken.

Ein späterer Schulbeginn sei mit dem Biorythmus der Kinder schlichtweg besser zu vereinbaren.

3. Mit Beginn der Pubertät ändert sich der Biorythmus

Wenn Kinder in die Pubertät kommen, verändert sich ihr Biorythmus. Sie sind abends länger aktiv, weil sie später müde werden, und sie können morgens länger schlafen. Doch das dürfen sie nicht.

Dabei wird Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren empfohlen, mindestens sieben Stunden pro Nacht zu schlafen.

Doch das ist durch den frühen Schulstart fast unmöglich. Abgesehen davon, dass übermüdete Schüler schlechtere Leistungen erbringen, ist Schlafmangel auch schlichtweg ungesund - für Schüler wie für ihre Eltern.

4. Schon 20 Minuten mehr Schlaf können einen Unterschied machen

Studien aus den USA und auch aus Deutschland haben gezeigt, dass Schüler, die nur eine halbe Stunde mehr schlafen, motivierter sind, bessere Leistungen erbringen und seltener schwänzen.

Ab der Pubertät sei ein früher Schulstart eher schädlich als sinnvoll, meinen die Wissenschaftler um Ärztin und Psychologin Judith Owen, die ihre Forschungsergebnisse 2010 im Wissenschaftsmagazin "Archives of Pediatrics & Adolescent Medicine" veröffentlichten.

Kritiker wenden ein, dass Schüler bei einem späteren Schulstart einfach länger aufbleiben würden. Doch das ist Blödsinn, wie die Forscher am Hasbro Kinderkrankenhaus im US-Bundesstaat Rhode Island belegen konnten.

Bei ihren Tests mit 201 Jugendlichen der Klassen 9 bis 12 beobachteten die Wissenschaftler, dass Schüler bei einem späteren Schulstart nicht länger wach blieben, . Stattdessen schliefen 80 Prozent der Schüler in der Testphase länger als sieben Stunden.

Mit der Umstellung verbesserte sich sogar der allgemeine Gemütszustand der Schüler. Übrigens fanden auch die Lehrer Gefallen an dem Modell, weil sie besser mit den Jugendlichen zusammenarbeiten konnten.

5. Die Regelung ist schlichtweg nicht mehr zeitgemäß

Aber nicht nur Schüler leiden unter den Unterrichtszeiten, sonder auch ihre Eltern. Häufig fällt bei Diskussionen über einen späteren Schulbeginn das Argument, dass sich dann die Unterrichtszeiten in den Nachmittag verschieben.

Doch genau das würde viele Probleme lösen. Denn zwei von drei Müttern in Deutschland sind berufstätig. Viele von ihnen haben enorme Probleme, ihre Kinder nachmittags zu betreuen.

Dass Schüler so früh nach Hause kommen ist daher auch aus gesellschaftlichen Gründen längst nicht mehr zeitgemäß. Der frühe Unterrichtsbeginn atmet noch den Geist einer Gesellschaft, in der Männer arbeiten gingen und Frauen selbstverständlich Zuhause blieben, um sich um den Haushalt zu kümmern.

Dieses Lebensmodell wird - außer vielleicht in der bayrischen Provinz - heute von keinem vernünftigen Menschen mehr propagiert.

6. Schulzeiten rauben Familien gemeinsame Zeit

Ein anderes wichtiges Argument gegen den frühen Schulstart stammt von dem ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger: Schüler und Eltern hätten mehr Zeit miteinander, zum Beispiel für ein gemeinsames Frühstück, wenn die Schule später beginnen würde.

Familie und Beruf ließen sich besser miteinander vereinbaren. Auch das Argument trifft einen wahren Kern.

Das schlimme daran: Die Debatte um einen späteren Schulstart ist - trotz der guten Gründe - in den vergangenen Jahren eingeschlafen.

Vorstöße von Politikern wie Oettinger oder Özdemir waren die Ausnahme.

Und warum? Weil die Beharrungskräfte so groß sind.

Für die neuen Unterrichtszeiten hätten Schulen die Struktur ihres Unterrichts grundlegend überarbeiten müssen. Das versuchen sie mit aller Macht zu verhindern.

Es wird Zeit, dieses Thema wieder auf die Agenda zu setzen. Denn wir produzieren mit den Regeln eine übermüdete Schüler-Generation nach der anderen. Das schadet uns allen.


Video: So unterschiedlich sehen Klassenzimmer auf der ganzen Welt aus




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