Mit Witz und Satire gegen das Militärregime
20.30 Uhr, Mandalay. Das kleine Garagenatelier in der nordburmesischen Stadt füllt sich. Wie jeden Abend kommen Touristen oder Geschäftsreisende. Es sind nur fremde Gäste. Sie alle sitzen auf ungemütlichen Plastikstühlen einen Steinwurf von der Bühne entfernt. Und warten auf die berühmten Moustache Brothers.
Für Einheimische birgt der Besuch des kleinen Theaters ein zu hohes Risiko. Noch, oder besser: Wie lange noch? Denn die Situation in dem einst vollkommen isolierten Land bessert sich nur langsam. Immer noch sind Verhaftungen von Regimekritikern an der Tagesordnung.
Das Regime auslachen
Doch die Moustache-Brüder - so genannt wegen ihrer Schnurrbärte - fürchten sich nicht. Sie haben schon mehrmals dem Tod ins Auge geblickt. Das Schlimmste haben sie nun überstanden. Mutig lachen sie jeden Tag das Regime an und aus. Mit Scherzen, mit Rollenspielen, mit komödiantischem Schabernack. Im ganzen Land sind sie bekannt. Sie begeistern mit einer Mischung aus Satire und Protest. Sie wissen, dass jede Pointe und jeder Witz sie wieder ins Gefängnis bringen kann. Wie früher auch. Doch die vielen Fremden, die täglich in ihre Vorstellung kommen, bieten Schutz und Sicherheit. Zumindest symbolisch.
Denn eine Verhaftung der beiden Komödianten käme einem Gesichtsverlust des südostasiatischen Staates gleich. Der will sich modern geben, die Generäle sind zahm geworden. Millionen von Entwicklungsdollars sind im Spiel. Die Devise lautet, sich anzupassen, nicht mehr unangenehm aufzufallen, keine Demonstranten mehr zu töten.
Denn das könnte dem Land Entwicklungsgelder kosten. Und die sind hoch. Zurzeit gehört Burma zu den Lieblingen der internationalen Entwicklungspolitik. Ein Land im Aufbruch. Ein Staat, der zum Rollenmodell werden könnte. Wenn sich die früheren Bösewichte nur ruhig verhalten. Die Moustache-Brüder profitieren davon, zumindest im Moment.
Demokratischer Anstrich
In der Tat, Burma will sich in der Öffentlichkeit einen demokratischen Anstrich geben. Und eine Internierung der beiden kann sich das Regime nicht leisten. Nicht mehr. Man nimmt die Scherze in Kauf. Zwangsweise. Doch die Angst begleitet die Schnurrbärtigen trotzdem bei jeder Vorstellung.
Einst waren sie zu dritt - die Brüder Par Par Lay und Lu Zaw sowie ihr Neffe Lu Maw. Schon als junge Männer überzeugten sie ihr Publikum durch Witz und unterschiedliche Verkleidungen. Bald kannte man sie im ganzen Land. Lu Maw deutet auf ein Zeitungsfoto an der Wand. Es zeigt ihn mit Burmas Freiheitsikone Aung San Suu Kyi. "1996 lud sie uns zu einer Feier anlässlich des Unabhängigkeitstages in ihr Haus ein. Wir spielten unsere Sketche und wurden plötzlich verhaftet", erinnert sich der 64-Jährige heute. Nichts war mehr so wie einst.
Die zwei Komödianten Par Par Lay und Lu Zaw wurden zu sieben Jahren Arbeitslager verurteilt. Unterstützung von außen und Protestschreiben bekannter Hollywood-Schauspieler an die Generäle halfen nichts.
Sieben Jahre Schwerstarbeit
Im entlegenen Norden des Landes mussten die beiden sieben Jahre Schwerstarbeit ableisten. Lu Maw blieb verschont und führte das kleine Theater gemeinsam mit seiner Frau weiter. Schließlich war das die Lebensgrundlage für die ganze Familie. Pointe und Sketche wurden entschärft und verharmlost. Aus Angst vor weiteren Repressalien, vor Verhaftungen.
Lu Maw und der Rest der Familie blieben auf der Hut, denn viele Künstlerfreunde waren bereits verschwunden und tauchten nie mehr auf. Das Publikum wurde weniger und die Einnahmen ließen nach. Doch Luw Maw und seine Familie gaben nicht auf. Traditioneller Bühnentanz war bald Bestandteil der Aufführungen, denn Lu Maws Frau Ni Ni Lin war ausgebildete Tänzerin.
Währenddessen kämpften die zwei Brüder im Arbeitslager um ihr Leben. Malaria, verseuchtes Wasser und Mangelernährung setzten ihnen zu. "Mein Bruder wurde damals todkrank", erinnert sich Lu Zaw heute. Nach ihrer Freilassung erholte sich Par Par Lay nur langsam.
Die drei Männer machten weiter, unverändert, zuhause in der kleinen Garage unterhalb der Wohnräume. Ihre Sketche wurden frecher, brisanter und gefährlicher. Fremde Gäste kamen wieder in Scharen. Bald fanden sich die Namen der Moustache-Brüder auf der schwarzen Liste des Regimes. "Wir durften nur zuhause auftreten", ergänzt Lu Zaw.
Ihr Leben ist das Theater
Vermehrt saßen unter den Gästen in der heimischen Garage Spione. "Wir erkannten sie genau an ihren Anzügen und nannten sie fortan nur noch 'KGB-Agenten'. Denn sie machten sich genaue Notizen über den Inhalt unserer Vorstellungen", grinst Lu Zaw heute. Es dauerte nicht lange, bis Par Par Lay die Anweisung bekam, die Vorstellungen einzustellen.
Doch an genau diesem Tag warteten bereits viele Gäste auf den Beginn der Show. "Es war unsere Pflicht, für sie zu spielen", betont Lu Zaw. So trat die Truppe ohne Kostüme und Make-up auf. Die drei behaupteten damit, doch gar nicht aufzutreten, und es funktionierte. Sechs weitere Verbote folgten. "Doch wir stellten uns taub", ergänzt Lu Maw. "Denn das Theater war und ist unser Leben."
2007 wurde Par Par Lay erneut verhaftet. Aufgrund der "Safranrevolution", der Protestmärsche der Mönche, war die Lage im ganzen Land angespannt. Nach nur einem Monat konnte er wieder nach Hause. Die Shows wurden fortgeführt. "Die Verhaftungen und Repressalien stärkten uns in unserem Tun. Die internationale Presse berichtete über uns. Für uns bedeutete diese Aufmerksamkeit Schutz", ergänzt der 63-jährige Lu Zaw.
Als Par Par Lay an den Folgen seiner Inhaftierung im August 2013 stirbt, machen die zwei Männer gemeinsam mit Ni Ni Lin weiter. "Sie können uns jederzeit wieder holen, aber wir haben keine Angst mehr. Außerdem, was haben wir denn anderes gelernt? Nichts! Wir sind und bleiben Komödianten."
Später, nach der Vorstellung, wird wieder minutenlanger Applaus erklingen. Wie jeden Abend. Und auch heute werden sich Lu Zaw, Lu Maw und Ni Ni Lin höflich verbeugen, hinter den Bühnenvorhang treten und hinauf in ihre Wohnräume gehen.
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