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Wirtschaftlicher Erfolg über alles? Männliche Monokulturen und Machtrituale in der Arbeitswelt wirken stärker

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Der Frauenanteil in Vorstandsposten von DAX-30-Unternehmen schrumpft. Gerade noch zehn Frauen sind derzeit im Amt - bei insgesamt 183 Vorstandsmitgliedern. Über männliche „Monokulturen" im Beruf - und was Unternehmen und die Frauen selbst dagegen tun können - spricht demnächst die Publizistin und Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau Bascha Mika auf der Messe Zukunft Personal. Aus diesem Anlass habe ich mich mit ihr über das Thema "Frau und Beruf" unterhalten.

Frau Mika, wie leicht oder schwer ist es, sich als Frau in der Zeitungsbranche durchzusetzen?

Zeitungen sind traditionell patriarchal und hierarchisch geprägt. Das hat etwas mit ihrer Geschichte zu tun. Sie sind das älteste Medium. Ich selbst habe immer viel Glück gehabt. Als ich beruflich richtig eingestiegen bin in den Journalismus, war ich mit der taz in einem quotierten Betrieb, 50/50 Frauen und Männer. Die taz war das erste quotierte Unternehmen der Republik - das hatten sich die taz-Frauen 1980 erkämpft. Aufgrund dieser Erfahrung kann ich sagen, wenn es eine Quote gibt und Frauen überall vertreten sind, steigen sie auch auf. Ich war ja bereits die dritte Frau in der Chefredaktion - und nicht etwa weil es da auch eine Quote gegeben hätte.

Nun ist die taz weiß Gott nicht die Insel der Seligen, wenn es um Geschlechterfragen geht. Es gibt dort auch genügend blöden Sexismus, sowohl in der Redaktion als auch in der Zeitung. Aber es herrscht die Übereinkunft, dass das eigentlich nicht sein soll und dass man etwas anderes anstrebt.

Sie waren und sind eine der wenigen Frauen in der Chefetage von Tages- und Wochenzeitungsblättern. Wie haben Sie Ihre Kollegen behandelt?

Ich war immer die einzige Chefredakteurin einer überregionalen Tageszeitung und von den 360 Tages- und Wochenzeitungsblättern dieser Republik gab es noch zwei oder drei Kolleginnen. Ich hatte in der Riege der Chefkollegen einen dreifachen Exotenbonus: Ich war taz-lerin, ich war eine Frau und ich war eine Linke. Das war so außergewöhnlich, dass ich mich in Kollegenkreisen nie in irgendeiner Form abwertend behandelt gefühlt habe, im Gegenteil. Die Kollegen waren immer besonders aufgeschlossen und kollegial.

Warum scheitern dann so auffällig viele Frauen in (Personal-)Vorständen, sie genießen doch auch Seltenheitswert?

Der Unterschied ist: Ich bin von den Kollegen nicht abhängig gewesen. Wir sind uns ja auf Augenhöhe begegnet - und das ist eine komplett andere Grundlage, als wenn man gemeinsam in einem Vorstand oder einem Aufsichtsrat arbeitet. Die Strukturen sind auf Vorstandsebene nach wie vor so, dass es selbst für hochqualifizierte Frauen extrem schwer ist, sich zu behaupten. Angenommen diese Frauen haben vorher erfolgreich im Personalwesen gearbeitet. Dort konnten sie sehr viel einfacher unabhängige Entscheidungen treffen. Als Teil eines Vorstandes sieht das anders aus. Sie sind da mit einer männlichen Dominanz konfrontiert - mit Ritualen, Kommunikationsverhalten, Mustern, Übereinkünften, die nicht die ihren sind. In diesem Umfeld ist es viel schwerer, die eigenen Duftmarken zu setzen. Eine einzelne Frau kann in solchen Fällen ganz wenig ausrichten. Bei Frauen, die diese geringen Aussichten auf Veränderung eine Zeitlang miterleben, führt das zu wahnsinnigen Frustrationen.

Befürworten Sie also die geplante Quote in Aufsichtsräten?

Unbedingt. Es braucht eine gewisse kritische Masse, eine bestimmte prozentuale Anzahl von Personen in einer Gruppe, um die Kultur ansatzweise zu verändern.

Ein neuer Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass die Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten von 100 DAX-Unternehmen auf bis zu 3.500 Firmen ausgeweitet werden soll. Diese sind davon wenig begeistert.

Unternehmen tun in der Regel so, als wären sie ausschließlich ihrem wirtschaftlichem Erfolg verpflichtet - den Shareholdern und dem Wohl der Mitarbeiter. Als ginge es hauptsächlich um die Zukunftssicherung, um das ökonomische Vorankommen und die Möglichkeit, Gewinne zu machen. Aber in Wirklichkeit wirkt die männlich geprägte Kultur in der Arbeitswelt oft sehr viel stärker als ökonomische Ziele. Das zeugt von einem Beharrungsvermögen wider besseres Wissen. Dafür gefährden Unternehmen sogar ihren wirtschaftlichen Erfolg!

Es ist seit Jahren bekannt, dass gemischte Teams - und zwar nicht nur bezogen auf Geschlechter - viel besser arbeiten als „Monokulturen". Doch vielen Unternehmen ist das offensichtlich egal. Da fragt man sich: Was sind denn die Ziele dieser Unternehmen? Dann kommt das Argument, bei der Quote kommen womöglich schlecht qualifizierte Frauen in irgendwelche Führungspositionen. Was für ein unendlicher Quatsch. Wir haben seit Jahren Frauen in Deutschland, die im Durchschnitt besser ausgebildet sind als Männer. Sie scheitern doch nicht an ihren Qualifikationen.

Die Quote setzt in der derzeitigen Planung nur beim Top-Level an. Unternehmen argumentieren aber, dass die Frauen schon in anderen Führungsebenen fehlen - und damit ihre Qualifikation für die Spitze.

Das ist völlig richtig. Nur: Es kann doch nicht sein, dass Unternehmen sich beschweren, keine Vorstands- und Aufsichtsratsfrauen zu haben, während sie es gleichzeitig seit Jahrzehnten versäumt haben, Frauen wie Männer auch systematisch aufzubauen, in die Führungsjobs zu bringen und ihnen die Aufstiegsmöglichkeiten zu geben, die ihnen zustehen. Außerdem: Im Ausland gibt es diese Frauen, weil es da eben teilweise anders läuft und die Hierarchieebenen für Frauen durchlässiger sind. Und vor allem geht es ja nicht nur um die Frauen in den Aufsichtsräten.

Worum geht es dann Ihrer Ansicht nach eigentlich?

Frauen klar zu machen: Ihr seid in der Arbeitswelt gewollt. Die Quote in Aufsichtsräten ist ein unglaubliches Symbol - damit geht eine Menge einher. Nämlich die Aussage: Ihr Frauen seid auf allen Ebenen willkommen. Dieses Signal ist deshalb so wichtig, weil es Männer seit Jahrzehnten nicht hinkriegen, dass Frauen gefördert werden und aufsteigen können.

Aber es gibt ja Businessfrauen, die selbst die Quote ablehnen und wie Sheryl Sandberg in ihrem Buch „Lean in" sagen, Frauen müssten sich etwas mehr „reinhängen".

Da bin ich völlig einig mit Sheryl Sandberg. Das ist eine andere Argumentationslinie: Die Forderung nach der Quote heißt ja nicht, dass Frauen nicht auch ihre Mentalität ändern müssen. Sie müssen ein anderes Verhältnis zum Beruf entwickeln, sich mehr zutrauen, sich ihrer Qualifikationen und Fähigkeiten bewusst sein. Sie müssen auch durchaus bereit sein, dafür einiges zu riskieren.

Es gibt immer noch zu viele Frauen, die ihren Job nicht ernst nehmen, die sich auf einen männlichen Versorger verlassen und glauben, dass sie als Frau nur ein Zubrot zu liefern brauchen zum Familieneinkommen. Viele Frauen lassen sich die Haus- und Familienarbeit aufdrücken anstatt sie mit den Männern zu teilen. Sie setzen viele Jahre aus - um dann in einem weniger qualifizierten Job mit sehr viel weniger Geld wieder einzusteigen. Das sind Punkte, an denen Frauen arbeiten müssen. Deshalb geht es auch darum, Frauen deutlich zu machen: Ihr braucht einen Beruf! Weil er Euch sehr viel bringt: nämlich Kontakte, Bestätigung, draußen sein in der Welt und ökonomische Unabhängigkeit. Das bedeutet nicht, dass man deswegen auf Familie, Kinder und die Liebsten an der Seite verzichten soll. Frauen sollten aber den Beruf wichtig nehmen, um ihren Platz in der Arbeitswelt zu erobern und zu erhalten - und wenn sie es denn wollen, auch um Karriere zu machen.

Die meisten Frauen wählen typische Frauenberufe. Studien sagen, dass gerade Berufe, in denen viele Frauen arbeiten, kein so großes Renommee haben. Inwiefern sollten Frauen ihre Berufswahl überdenken?

Ja, das ist die typische Geschichte. Und das geht noch weiter: Wenn eine Branche an Renommee verliert oder dort weniger verdient wird, gibt es noch mehr Frauen. Das können Sie in der Medizin beobachten, auch im Journalismus. Das wirkt sich dann auch auf das Gehalt aus. Es hat natürlich viel mit Sozialisation und Erziehung zu tun, dass Frauen in diesen Bereichen landen und billigend in Kauf nehmen, dass sie weniger Geld verdienen. Das war ja bei mir nicht anders, bei der taz verdient man auch ganz wenig Geld. Die Art des Jobs war mir immer wichtiger. Das finde ich bei Frauen einerseits toll, dass sie sagen, Qualität ist mir wichtiger als der Verdienst. Nur an bestimmten Stellen kommt man damit in der Arbeitswelt eben nicht weiter.

Verdienen Sie weniger als Ihr Kollege?

Ich glaube nicht, das wäre ja noch schöner. Obwohl das nicht ungewöhnlich wäre. Auch, weil wir Frauen manchmal zu zurückhaltend sind, um richtig hart zu verhandeln. Wir können nicht über unseren Schatten springen. Obwohl ich in meinen Büchern schreibe, Mädels, wir müssen da härter werden - mir selbst fällt es unendlich schwer.

Inwiefern reicht eine selbstbewusste Einstellung aus, um Karriere zu machen?

Frauen, die Karriere machen möchten, wissen, dass sie sich voll reinhängen müssen. Die Gemeinheit ist, dass sie es so gut wissen, dass sie bereit sind, mit ihrem Privatleben auf eine Art und Weise für ihre Karriere zu zahlen, wie es von keinem Mann verlangt wird. Denn viele Frauen verzichten ja dann auf Familie. Deshalb müssen wir das Private, also das, was Frauen im persönlichen Umfeld selbst entscheiden können, immer zusammen denken mit dem Politischen, also den Strukturen. Denn auch wenn sich Frauen noch so sehr anstrengen, es gibt immer noch Dinge, an denen sie scheitern. Und zwar auch diejenigen, die sich privat, völlig „richtig" verhalten. Weil die Strukturen so mistig sind, wie sie sind, wird dann von Frauen auch noch verlangt, dass sie wesentlich mehr leisten.

Was können Unternehmen tun, damit sich an den Strukturen etwas ändert?

Zum einen sollten sie Familienfreundlichkeit nicht als Frauending verstehen. Wenn Unternehmen einen Betriebskindergarten anbieten, dann sagen manche doch glatt, dieser Betriebskindergarten ist für unsere Arbeitnehmerinnen. Als hätten die Kinder keine Väter. Bei allem was eine unmittelbare Verknüpfung von Mitarbeiter und Familie im Unternehmen herstellt, sollten sie deutlich machen, dass das für Männer und Frauen gilt. Sie können zeigen, dass sie von ihren Vätern im Unternehmen erwarten, dass sie in Elternzeit gehen. Ich kann Ihnen aus meiner eigenen Position als Chefin sagen: Viele Männer gehen als Männer in die Elternzeit und kommen als Menschen zurück. Das klingt gemein, doch was ich sagen will: Durch die Elternzeit gewinnen sie meist enorm an sozialer Kompetenz.

Zum anderen ist es wichtig, dass Frauen, die beruflich aussetzen, weder positiv noch negativ diskriminiert werden, wenn sie wieder in den Beruf einsteigen wollen. Solange Frauen allein in Teilzeit gehen, ist das ein absoluter Pferdefuß. Männer und Frauen sollten ihre Jobs reduzieren können, aber bitte beide nicht so viel, dass es sie Qualifikation, Einkommen und Aufstiegschancen kostet. Frauen werden doch nur deswegen in Unternehmen so schlecht behandelt, weil sich die ganze Unternehmenskultur immer noch an der männlichen Normalbiographie ausrichtet. Die sieht vor, dass ein Mann in den Job reingeht und mit der Rente wieder rausgeht und zwischendurch nicht aussetzt, um sich um Kinder zu kümmern oder Verwandte zu pflegen. Das machen immer nur die Frauen, mit allen Nachteilen, die man ihnen dafür aufbürden kann.

Wie sieht es mit der Weiterbildung von Frauen aus?

Wenn Frauen einen Teilzeitjob haben, bekommen sie deutlich weniger Fortbildungsmaßnahmen. Sind sie dann auch noch gering qualifiziert, wird es mit der Weiterbildung noch schwieriger. Das führt dann auch dazu, dass Frauen, wenn sie solche Erfahrungen machen, frustriert sind und ihren Job quasi wie nebenbei erledigen. Ein Drittel aller Frauen, die nach einer längeren Auszeit in den Job wieder einsteigen, steigen wieder aus, weil sie keine Chancen sehen.

Sie haben ein Buch geschrieben über das Älterwerden von Frauen. Was bedeutet diese Andersbehandlung für Frauen, wenn sie in die Jahre kommen?

Da wird es noch einmal besonders deutlich. Es gibt eine Untersuchung des Bundesfamilienministeriums im deutschsprachigen Raum. Da haben Frauen in Führungspositionen gesagt, mit Ende 40, Anfang 50 ist bei uns die Aufstiegsleiter zu Ende. Wenn Frauen dieses Alter erreicht haben, was lächerlich ist angesichts unserer Lebenszeit und unserer Lebensarbeitszeit, haben sie keine Möglichkeit mehr weiterzukommen. Bei Frauen setzt die Altersdiskriminierung im Beruf nicht nur früher, sondern sehr viel schärfer ein.

Sie haben aber doch auch jenseits der 50 nun noch einmal einen neuen Karriereschritt gemacht. Sind Sie nur die Ausnahme von der Regel?

Dass ich mit 60 noch einmal in einen Führungsjob neu eingestiegen bin, kommt ansonsten so gut wie nie vor. Und bei Männern? Die können sogar Mitte 70 sein und es wird ihnen noch ein hochdotierter und höchstverantwortlicher Managementjob angeboten. Die allermeisten Männer in den Aufsichtsräten der deutschen Unternehmen haben das Rentenalter längst überschritten.

Also haben Sie einfach mal wieder Glück gehabt.

Und die entsprechende Qualifikation. Es ist im Beruf ja immer so: Vieles ist eigenes Vermögen und besonderer Verdienst, aber es braucht auch Glück und Zufall - zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Wer behauptet, er hätte bestimmte Positionen nur aus eigenem Vermögen erlangt, sagt nicht die Wahrheit. Chancengleichheit für Männer und Frauen im Beruf - dafür brauchen wir gesellschaftliche Veränderungen, aber auch die Einsicht, dass wir uns selbst am Schopf packen und die Chancen nutzen müssen. Das kann man nicht auseinanderdividieren.


----Veranstaltungstipp----

Keynote-Vortrag von Bascha Mika
Männer, Machos, Machtrituale. Können Frauen die Arbeitswelt verändern?
Powered by: Bertelsmann Referentenagentur
Messe Zukunft Personal,
Donnerstag, 16. Oktober 2014, 14.30 bis 15.30 Uhr, anschließend Public Interview,
koelnmesse, Halle 2.1, Forum 1 (Keynote-Forum)

Über Bascha Mika
Bascha Mika wurde 1954 in einem schlesischen Dorf in Polen geboren und übersiedelte als Kind in die Bundesrepublik. Nach einer Banklehre studierte sie Germanistik, Philosophie und Ethnologie. Sie arbeitete als Redakteurin und Journalistin und veröffentlichte 1998 eine kritische Alice-Schwarzer-Biografie, die für großes Aufsehen sorgte. Von 1999 bis 2009 war sie Chefredakteurin der taz. Heute ist sie Honorarprofessorin an der Universität der Künste, Berlin, und freie Publizistin. Seit April 2014 ist sie Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau.

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