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Merkels Regierung so beliebt wie nie: Deutschland, geht's noch?

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Nie zuvor war eine Bundesregierung so beliebt wie die jetzige Große Koalition unter Angela Merkel. Die ganze Republik ist in seliger Kanzlerinneneuphorie. Ich nicht.

Im Ernst, Deutschland: Geht’s noch?

Natürlich ist die Arbeitslosenquote seit Jahren konstant niedrig. Sie liegt derzeit bei 6,6 Prozent. Umgekehrt heißt das zwar immer noch, dass 2,9 Millionen Menschen in Deutschland ohne Job sind - vor zehn Jahren waren es jedoch fast doppelt so viele. Auch die Wirtschaft wächst, bereits im fünften Jahr in Folge. Es gab sicherlich Zeiten, in denen es Deutschland schlechter ging. Und das ist auch Grund zur Freude.

Und trotzdem ist die Bundesregerung nicht in der Lage, den Erfolg zu verwalten. Neue Ideen zu fassen, in die Zukunft zu schauen. Gerade jetzt, wo Geld da ist. De facto passiert genau das Gegenteil. Deutschland ist besoffen vom eigenen Erfolg, so wie in den späten Wirtschaftswunderjahren. Und der damit einhergehende Dämmerzustand erinnert ebenfalls an diese Zeit. Adenauer lässt grüßen.

Merkel regiert nicht, sie reagiert

Das liegt vor allem an der Kanzlerin selbst. Angela Merkel hat sich noch nie als politische Visionärin hervorgetan. Sie lebt in der Gegenwart, spinnt keine Zukunftspläne, sondern entscheidet von Situation zu Situation. Dazu hatte sie in den ersten Amtsjahren alle Möglichkeiten, weil sie massiv von den Agenda-Reformen der rot-grünen Bundesregierung profitierte.

Während der Finanzkrise war ihre Fähigkeit, situativ Entscheidungen zu treffen, ein Glücksfall für Deutschland. Das hat sich grundlegend geändert.

Ganz bewusst hat Angela Merkel es in den vergangenen Jahren vermieden, sich auf politische Positionen festlegen zu lassen. Ihre Partei hat es ihr gleichgetan. Die CDU ist in einem kümmerlichen Zustand, weil sie nach 14 Jahren unter dem Vorsitz von Frau Merkel für nichts mehr steht. Aus der bürgerlichen Volkspartei ist ein programmatischer Zombie geworden.

Die CDU ist ein programmatischer Zombie

Das wurde klar, als im vergangenen Herbst der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ausgehandelt wurde. Die Sozialdemokraten setzten sich gleich reihenweise mit ihren Projekten durch. Die CSU brachte sich immerhin noch mit ihrer verkorksten Ausländermaut und dem Betreuungsgeld ein. Von der CDU jedoch hörte man vor allem, was sie ablehnt. Nicht aber, wofür sie einsteht. Kein Wunder, hat doch die CDU den vergangenen Bundestagswahlkampf vornehmlich damit verbracht, zwei zur Raute gefaltete Frauenhände zu plakatieren. Ein Fanclub diskutiert nicht. Ein Fanclub applaudiert. Neue Ideen entstehen so nicht.

Die CDU: Man möchte laut schreien, um diese wirklich verdienstvolle Partei ins Leben zurückzurufen. Doch am Ende müsste man noch fürchten, von einem taumelnden Kreisvorsitzenden der Jungen Union gebissen zu werden und selbst in die Merkelstarre zu verfallen.

Die SPD dagegen entwickelt sich zu einer Lobbypartei für die westdeutschen Babyboomer. Letzter Beweis dafür war das Rentenpaket, das zu einem guten Teil auf die Kappe der Sozialdemokraten geht. Von der Rente mit 63 werden vor allem jene profitieren, die ihre Berufslaufbahn vor der Wende angefangen haben – weil es durch die Krisen nach 1990 bei den Jüngeren kaum noch klassische und durchgehende Erwerbsbiografien gibt. Das Paket wird insgesamt bis 2030 etwa 160 Milliarden Euro kosten. Geld, das viel besser im Ausbau des Bildungswesens angelegt wäre.

Kein Wille zur Gestaltung, nur Friedhofsruhe

Was dieser Bundesregierung komplett fehlt ist der Wille zur Gestaltung. Was soll aus diesem Land in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren werden? Immer wieder ist von „Projekten“ die Rede. Nicht aber von einem Masterplan. So wie Willy Brandt mehr Demokratie wagen und Helmut Kohl ein wiedervereinigtes Deutschland nach Europa führen wollte. Immer wird geflickt und geschraubt. Aber ganz selten etwas Neues gebaut. Lange hielten die knappen Kassen als Ausrede her. Doch das zählt jetzt auch nicht mehr. Was will Angela Merkel aus diesem Land machen, jetzt, wo die großen Stürme vorbei sind? Allein auf Sicht fahren reicht jetzt nicht mehr aus.

Warum? Weil gleichzeitig die Unzufriedenheit mit der Politik in Deutschland zunimmt. Das zeigt sich nicht nur in der niedrigen Wahlbeteiligung, sondern auch im Aufkommen der ersten konservativ-bürgerlichen Protestpartei, der AfD. Politikwissenschaftler schätzen, dass mittlerweile zehn bis fünfzehn Prozent der Deutschen ganz grundsätzlich mit dem politischen System der Bundesrepublik hadern.

Diese Gruppe der Unzufriedenen wandert seit Jahren durch das politische Spektrum. Mal profitiert die Linke von den Systemskeptikern, mal die FDP, mal die Piratenpartei. Gemein ist allen die Kritik an den Eliten: Wirtschaftsbosse denken angeblich nur an den eigenen Profit, Politiker nur an sich selbst und Journalisten an die eigene Macht. Daraus spricht auch eine gewisse Hilflosigkeit gegenüber Entscheidungen, die vermeintlich hinter verschlossenen Türen getroffen werden.

Konflikte totschweigen, bis es knallt

Die Regierung Merkel prägt dieses Klima ganz entscheidend mit. Speziell die Kanzlerin, die sich in der Öffentlichkeit nie wirklich festlegt, deren politisches Profil so schwierig zu erfassen ist wie das Gewicht von Luft. Dieser Verlust an politischer Reibung entlädt sich mittlerweile anderswo.

Deshalb diskutieren wir tagelang über den „Gauchotanz“ der Nationalmannschaft. Und darum fetzen sich Millionen Deutscher über die Ereignisse in der Ukraine und in Gaza, obwohl nachweislich die allermeisten Deutschen noch nie dort waren. Es geht nicht um den eigentlichen Auslöser, sondern um politische Konflikte, die existent sind, aber in den Merkeljahren konsequent von der Politik totgeschwiegen werden. Die Populisten werden dankbar sein.

Warum die meisten Deutschen mit dieser Bundesregierung zufrieden sind? Vielleicht ist es ja das schöne Gefühl, die eigentlichen Probleme eine Zeit lang vergessen zu können, weil Angela Merkel das Gefühl vermittelt, dass alles in Ordnung wäre. Doch Verdrängung war noch nie ein gutes Zukunftskonzept.

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