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Sechs Todsünden des deutschen Gesundheitssystems, die schlimme Folgen haben

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Es ist eine Nachricht, die nachdenklich stimmt: In einem Bayreuther Krankenhaus sollen drei Neugeborene durch Behandlungsfehler ums Leben gekommen sein. Eine entsprechende Anzeige liegt der Staatsanwaltschaft offenbar vor.

Erschreckend ist, dass es schon längere Zeit Vorwürfe gegen den Klinikbetreiber gibt. Er soll das Haus auf möglichst große Renditen getrimmt haben. Ärzte klagten schon seit längerer Zeit darüber, dass sie überlastet seien.

Die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens, die vor einigen Jahren entscheidend von der FDP vorangetrieben wurde, zeigt sich in diesem Fall von ihrer hässlichen Seite. Die Huffington Post nennt sechs weitere Sünden mit dramatischen Folgen für das Gesundheitssystem.

Profitsucht der Konzerne: 700 Euro für eine Hepatitis C-Pille

Bisher gibt es keine Impfung gegen Hepatitis C. Und eine Behandlung der Krankheit ist ungemein schwierig, weil sich der Virus tückisch entwickelt: Er setzt sich in der Leber fest und beginnt dann das Organ langsam zu zersetzen.

Das neue Medikament „Sovaldi“ gilt als Durchbruch in der Hepatitic C-Therapie. Deshalb ist es auch vom Gesundheitsministerium für den Leistungskatalog akzeptiert worden, der vorschreibt, welche Therapien gesetzliche Krankenkassen erstatten müssen.

Das Problem: Pro Pille verlangt der Hersteller, das Unternehmen Gilead Sciences, eine Preis von 700 Euro. Insgesamt soll eine 12-wöchige Therapie 60.000 Euro kosten. Das dürfte auch daran liegen, dass Gilead einst 11 Milliarden Dollar bezahlen musste, um die Rechte an dem Medikament zu erwerben.

Die Kosten müssen jetzt wieder eingespielt werden. Die AOK rechnete vor, dass allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2014 bundesweit rund 123 Millionen Euro für das Medikament ausgegeben wurden, also etwa 25 Millionen Euro pro Monat. Die Krankenkassen befürchten, dass diese Summe sich bis Jahresende vervielfachen könnte.

„Sovaldi“ könnte der Schlüssel zur Ausrottung von Hepatitis C sein. Doch bei diesen Preisen dürften sich wohl nur Bürger in reichen Ländern die Therapie leisten.


Mangelnde Qualitätskontrolle: Brustimplantate aus Matratzen-Silikon

Im Jahr 2010 wurde bekannt, dass die französische Firma „Poly Implant Prothèse“ (PIP) neun Jahre lang Brustimplantate verkauft hat, die statt des genehmigten medizinischen Silikons eine zehnmal billigere Substanz enthielten – industriellen Bettmatratzensilikon. PIP war weltweit der drittgrößte Hersteller von Brustimplantaten, etwa 400.000 Frauen haben Produkte der Firma implantiert bekommen.

Allein in Deutschland und Frankreich ließen sich 20.000 Frauen die PIP-Kissen wieder herausoperieren. Dem Matratzen-Silikon konnte zwar bis heute keine krebserregende Wirkung nachgewiesen werden.

Trotzdem wurde der Firmengründer Jean-Claude Mas zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, weil seine Implantate nicht nur den falschen Füllstoff enthielten, sondern auch besonders anfällig für Risse waren.

Auch für ein deutsches Unternehmen hatte der Fall Folgen: In Frankreich urteilten mehrere Gerichte, dass dem TÜV Rheinland eine Mitverantwortung zukommt, weil dieser die Qualitätsprüfung von PIP überwacht habe. Der TÜV macht geltend, selbst Opfer von kriminellen Machenschaften geworden zu sein.

Kritiker warnten davor, dass private Unternehmen kaum in der Lage seien, medizinische Qualitätsstandards zu überwachen – sie seien schließlich abhängig von dem Honorar derer, die sie prüfen müssen.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen forderte im Juni diesen Jahres eine einheitliche, europaweite und unabhängige Zulassung für Medizinprodukte. Die gibt es bisher nicht. Pharma- und Medizintechnikkonzerne können sich jenen Gutachter suchen, der ihnen das beste Angebot macht.


Korruption: „Fangprämien“ für Patienten

Offiziell sind Vermittlungsprämien für Patienten in Deutschland unzulässig. Wenn ein Arzt dem anderen für eine Überweisung Geld zuschiebt, werden kranke Menschen zur Ware degradieren und der Wettbewerb verhindert. Trotzdem gibt es diese Prämien. Warum das so ist, darüber gibt eine Studie der Uni Halle-Wittenberg Aufschluss.

So gaben 19 Prozent der Ärzte an, die Regelung nicht zu kennen oder schlicht daran nicht interessiert zu sein. Insgesamt 52 Prozent der Ärzte wollen die Zahlung von „Fangprämien“ selbst schon erlebt haben, bei den nicht-ärztlichen Leistungsbringern (zum Beispiel Optiker oder Orthopäden) sollen es sogar mehr als zwei Drittel gewesen sein.

Eine solche Prämie kann eine Geldleistung sein, aber auch die kostenlose Überlassung von medizinischem Gerät oder die Übernahme von Reisekosten zu Tagungen. Wie hoch der entstandene Schaden ist, wurde bis heute nicht erforscht.


Geldgier der Ärzte: Milliardeneinnahmen durch Zusatzleistungen

An Tankstellen wurde früher nur Benzin verkauft. Heute machen die Pächter den meisten Umsatz mit Reiseartikeln, Zeitschriften, Lebensmitteln und allen weiteren Produkten, die in einer Tankstelle so verkauft werden.

In einer Arztpraxis konnte man sich früher sicher sein, dass man krank ins Wartezimmer ging und mit einem Therapieansatz nach Hause marschierte. Das alles natürlich kostenlos.

Doch überall an den Wänden der Arztpraxen kleben heute Hinweisposter für so genannte „Individuelle Gesundheitsleistungen“ (IGeL). Das kann ein Komplettcheck für junge Patienten sein, den die Kasse sonst nicht übernehmen würde. Oder eine medizinische Zahnreinigung. Oder eine Rauchentwöhnung.

All das kostet heute extra. Ärzte nehmen damit laut AOK etwa 1,3 Milliarden Euro ein. In manchen Praxen liegt der Anteil am Umsatz schon bei etwa 20 Prozent.


Mangelnde Wertschätzung für die Pflege: Vergammelte Heime, prügelndes Personal

Bis heute ist der Job des Pflegers einer der am schlechtest bezahlten im Gesundheitssystem. Dabei wird er immer wichtiger, weil die Bevölkerung altert. Und es ist ein harter Beruf, der sowohl körperlich, physisch wie auch zeitlich einiges abverlangt.

Bis vor einigen Monaten das Bundeskabinett die Reform der Pflegeausbildung auf den Weg brachte, war der Einstieg in den Beruf sogar noch kostenpflichtig: Angehende Pfleger mussten Schulgeld zahlen. Das alles sind nicht die besten Voraussetzungen dafür, dass genügend geeignete Fachkräfte in den Beruf gelockt werden.

Wohin das alles führen kann, hat vor kurzem Günter Wallraff auf RTL offengelegt.


Gesundheitswahn der Patienten: Teuer bezahlte Modekrankheiten

Die Gesundheitsindustrie boomt in Deutschland. Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Bevölkerung im Schnitt immer älter wird und deshalb mehr Pflegedienstleistungen gebraucht würden: „Gesundheit“ ist zu einem Lifestyle-Produkt geworden. Selbst vollkommen beschwerdefreie Menschen freuen sich heutzutage nicht etwa über ihr Wohlbefinden, sondern machen sich Sorgen vor dem Tag, an dem ihre Gesundheit schwindet.

Es gibt Magazine, Ratgeber und ganze Nahrungsergänzungsmittelreihen, die sich dieser Angst annehmen und fabelhaft daran verdienen. Das Gleiche gilt auch für die Sportindustrie, insbesondere die Fitnessstudios.

Daneben gibt es auch erfundene „Modekrankheiten“, deren Behandlung sich Konzerne teuer bezahlen lassen. Beispiel ADHS: In der Generation unserer Großeltern hieß ein hyperaktives Kind schlicht „Zappelphilipp“ und brauchte keine Medikamente, die es ruhig stellen. Auch die Wechseljahre der Frau gelten bisweilen als behandelbares „Leiden“. Oder die Glatzenbildung beim Mann. Es soll sogar mittlerweile ein Krankheitsbild geben, das auf den Namen „männliche Wechseljahre“ getauft wurde.

Dem System entstehen durch den Gesundheitswahn Kosten in Milliardenhöhe.

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