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Auch Linke können Antisemiten sein

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Der linke Antisemit ist sich nicht bewusst, dass er ein Antisemit ist. Er hält sich für einen guten und fairen Menschen.

Daniel Vischer, ein Nationalrat der Schweizer Grünen, war kürzlich aufgefordert, etwas zum linken Antisemitismus in der Schweiz zu sagen. Er sagte dazu Folgendes: Antisemitismus sei eine Angelegenheit »rechtsextremer Kreise«. Dann ging er dazu über, das israelische Vorgehen in Gaza zu verurteilen. Diese Logik entspricht dem linken Antisemitismus: Man glaubt selbst immun gegen Rassismus zu sein und wettert dann quasi moralisch einwandfrei gegen Israel, indem man zusammenhangslos Aspekte des Nahostkonflikts aufzählt, als wären es Argumente für oder gegen etwas.

Der linke Antisemit ist sich nicht bewusst, dass er ein Antisemit ist. Er hält sich vielmehr für einen guten, vernünftigen, fairen und einfühlsamen Menschen. Er vergleicht morgens in der Zeitung die Opferzahlen und glaubt dann, den Nahostkonflikt in dessen Komplexität erfasst zu haben und ein moralisches Urteil darüber fällen zu können - namentlich eines über »die Juden«.

Merkwürdigerweise kommen seine Tugenden nicht zum Einsatz, wenn es um die Kriege in Somalia, Mali und Nigeria geht (wo sind die überhaupt?). Auch nicht bei der Auseinandersetzung zwischen Schiiten und Sunniten im Irak (wer sind die überhaupt?). Auch zum jugoslawischen Bürgerkrieg hatte er keine richtige Meinung. Doch wenn »die Juden« - er macht keinen Unterschied zwischen Israelis und Juden - ihre Bomber starten, ruft er: »Die Juden machen mit den Palästinensern das Gleiche wie die Nazis einst mit ihnen!« Und hält sich mit diesem hirnrissigen Vergleich nicht nur für einen Geschichts­professor, sondern auch für einen Friedensnobelpreisträger. Die Juden! Das Übel der Welt! Man kann es in der Zeitung lesen!

So funktioniert der linke Antisemitismus: Der Glaube, die furchtbaren Dinge, die zwischen Palästinensern und Israelis geschehen, seien auf den furchtbaren Charakter der Juden zurückzuführen. Flammt der Nahostkonflikt wieder auf, redet der linke Antisemit nur noch von den Juden. Und beschimpft schließlich jene in seiner eigenen Stadt.

Verstehen Sie mich richtig: Ich heiße das israelische Vorgehen nicht gut. Es macht mich verzweifelt und traurig, dass Israels einzige Methode, mit den Palästinensern zu kommunizieren, brutale Gewalt zu sein scheint. Und dass die Israelis Eisentore vor ihre Herzen geschoben haben und keinen Funken Mitgefühl empfinden für ihre Nachbarn. Es herrscht nur noch Hass, bar jeglicher Vernunft und fernab jeglichen Willens zur Versöhnung. Es ist hierzu jedoch festzuhalten:

  • Die ganze Region ist von dieser emotionalen Verhärtung betroffen. Die Palästinenser sind in gleichem Maße daran erkrankt. Und die Jungs vom Islamischen Staat (IS), die mit Terror ein Kalifat errichten wollen, wirken auch nicht unbedingt wie Lämmer.


  • Die ganze Menschheit ist von dieser Hartherzigkeit betroffen. Zahllose Beziehungen operieren nach der Logik: Ich bin im Recht, du nicht. Mein Leiden ist schlimmer als deines.


  • Die Haltung gegenüber den Juden ist ebenfalls absolut herzlos. Höre ich die Menschen über «die Juden» reden - es muss dabei noch nicht einmal um den Nahostkonflikt gehen, wir sind auch in Friedenszeiten ein beliebtes Thema -, dann dringt ein solcher Hass aus ihren Worten, ein solch angeekeltes Befremden, dass ich am liebsten davonrennen würde. Woher kommt dieser Hass? Warum ist er so leicht zu wecken? Und warum ist er durch kein Argument zu besänftigen, sondern reibt sich sogar noch daran wie ein geiler Hund?


Die Antwort ist banal: Judenfeindlichkeit.
Feindlichkeit überhaupt.
Verschlossene Herzen.
Persönliche Defizite im emotionalen Bereich.

Israel verhält sich falsch, das ist wahr. Aber wer sich genau dieses Land aussucht, um sich als Hüter der Moral und der Menschlichkeit aufzuspielen, der hat meines Erachtens genau in diesen beiden Punkten erheblichen Nachholbedarf. Denn nicht Israel ist das Problem, sondern das Verhalten der Menschheit generell. Man kann es in der Zeitung lesen. Und im Spiegel sehen.

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