Die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 soll Katar Geld und Prestige bringen. Den Arbeitsmigranten, die für den Wüstenstaat die Prunkstadien hochziehen, bringt sie ein Leben in moderner Sklaverei. Oder den Tod.
Hungerlöhne, wenn es überhaupt Geld gibt wie versprochen. Exzessive Überstunden, natürlich unbezahlt, und körperliche Arbeit in der prallen Wüstensonne. Das ist Alltag für die meisten Arbeiter. Und Tausende überleben ihn nicht.
Gewerkschafter rechnen mit Tausenden Toten bis zur WM
Laut Informationen des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) sind auf allen Baustellen insgesamt in Katar, also nicht nur jenen für die WM, seit 2010 etwa 1200 ums Leben gekommen. Bis 2022 könnten mindestens 4000 weitere sein.
„Jetzt ist der Zeitpunkt, zu handeln. Wir haben keine Zeit, bis 2022 zu warten. Dann ist es für die Arbeiter dort längst zu spät“, sagte deswegen Sharan Burrow, Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), der Huffington Post.
Winzige Zimmer, verfaulte Matratzen
„Die Arbeiter leben im Elend“, sagte Burrow. Miserabel untergebracht, teilen sich einige der insgesamt 1,8 Millionen Arbeitsmigranten in Katar manchmal zu siebt winzige Zimmer. Schlafen müssen die Männer, von denen die meisten aus Pakistan, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka kommen, teilweise auf dem Boden, weil ihre Matratzen alt und verfault sind.
In den Sommermonaten erreichen die Temperaturen in Katar über 40 Grad. Klimaanlagen sucht man in ihren Unterkünften vergeblich.
14 Stunden Arbeit in sengender Sonne
Es sind aber nicht nur die Unterbringungen, die für die Arbeiter Gesundheitsrisiken bergen. Denn wie Amnesty International berichtete, müssen die Arbeiter bis zu 14 Stunden in der brütenden Sonne auf den Baustellen stehen.
Allein in 2012 bedeuteten diese Umstände für 102 nepalesische Arbeiter den Tod. Ihre Herzen machten diese Überbelastungen einfach nicht mehr mit. Auch das geht aus Amnesty-International-Studie hervor.
Kafala: Morderne Sklaverei
Was die Arbeiter für eine Tortur erwartet, ahnen sie vor der Reise nach Katar nicht. „Die Arbeiter werden unter falschen Versprechungen hier hergelockt“, sagte Burrow.
Und dann haben sie kaum Chancen, dem Horror zu entkommen. Wegen des Kafala-Systems, einem besonders perfiden Bürgensystes, das der IGB so beschreibt: "Ausländische Beschäftigte werden wie Sklaven behandelt. Sie gehören ihrem Arbeitgeber, der die völlige Kontrolle über ihre Löhne und Arbeitsbedingungen hat und [...] ihnen einen Arbeitsplatzwechsel und ein Ausreisevisum verweigern kann."
Und so bekommen viele laut IGB "nicht einmal die Hälfte des Lohnes, der ihnen versprochen wurde.“ Wenn sie überhaupt etwas bekommen.
„Das „Kafala“-System gehört abgeschafft“, fordert Burrow.
Einzige Chance: Druck aus der Öffentlichkeit
„Es ist unser Ziel, das Interesse der Weltöffentlichkeit auf die Behörden in Katar zu lenken“, sagte Regina Spöttl, Katar-Expertin bei Amnesty International Deutschland, der Huffington Post.
„Die Behörden dort haben in der Vergangenheit nichts als leere Versprechungen gemacht. Es gibt weder Zeitpläne noch konkrete Hinweise von Seiten der Regierung, dass Änderungen eingeleitet werden“, beschreibt Spöttl, wie dringend nötig ein erhöhter Druck auf die katarische Regierung ist.
Beckenbauer: "Ich habe keinen einzigen Sklaven gesehen"
Die Fifa hat sich bislang schändlich zurückgehalten. An Menschenverachtung kaum zu überbieten ist wohl das Zitat des Fifa-Botschafters Franz Beckenbauer. Er sagte über einen Besuch vor Ort:
„Ich habe noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen alle frei herum. Weder in Ketten, gefesselt ... und auch mit irgendwelchen Büßer-Kappe am Kopf ... also das habe ich noch nicht gesehen.“
Nimmt man diese Aussage als Indiz für die Ernsthaftigkeit, mit der sich die Fifa mit den Arbeitsbedingungen im Wüstenstaat auseinandersetzt, ist aus Zürich in dieser Angelegenheit nicht viel zu erwarten.
Zwar hat Fifa-Präsident Sepp Blatter die Zustände in Katar als „unhaltbar“ beschrieben. Doch Spöttl von Amnesty hält das für ein „Lippenbekenntnis“. Weil trotzdem nichts unternommen worden sei.
Unter den kritisierten Unternehmen sind auch einige aus Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte bei einem Treffen der "Arab-German Chamber of Commerz and Industry" im April 2013 noch, dass bei vielen katarischen Großprojekten deutsche Architekturbüros, Bauunternehmen und Konzerne eine Schlüsselrollen spielten.
Der Fifa geht es nur ums Geld
Es erscheint zwar etwas skurril, aber die Fifa hat tatsächlich eine eigene Ethik-Kommission. Die untersucht derzeit, ob es bei der Vergabe der WM an Katar zu Bestechungen gekommen ist. Ursprünglich sollte der Bericht am 15. Juni, also einen Tag nach dem WM-Finale, veröffentlicht werden. Manuel Garcia, einer der beiden Vorsitzenden der Kommission, hat die Veröffentlichung mittlerweile auf Anfang September verschoben. Aus welchem Grund er das getan hat, lässt Raum für Spekulationen.
Der eigentliche Aufreger an der Sache ist aber: Die Fifa beschäftigt eine ganze Kommission mit der Untersuchung möglicher Schmiergeldzahlungen, tut aber nichts gegen die menschenverachtenden Zustände auf den Baustellen Katars.
Besteht überhaupt Hoffnung?
„Ich bin ein Optimist. Bei Katar sehe ich eine gewisse Tendenz, dass sich etwas ändert“, sagt Spöttl. Beispielsweise habe die Regierung die Zahl der Baustelleninspekteure seit Amnesty Internationals Bericht verdoppelt.
„Natürlich geschieht eine Änderung nicht von heute auf morgen. Aber auf lange Sicht können wir da etwas bewegen“, sagte Spöttl. Es sei auch zu begrüßen, dass die deutschen Politiker bei Katar-Besuchen das Thema immer wieder ansprächen.
„Auch die Entsenderländer sind in der Pflicht. Sie dürfen nicht zulassen, dass ihre Leute in das „Kafala“-System geraten“, sagt Spöttl.
Parallelen zu Brasilien
Die Situation erinnert ein wenig an die WM in Brasilien. Vor dem Turnier war viel über die indiskutable Menschenrechtslage und den Umgang der Regierung mit der Bevölkerung berichtet worden. International empörten sich die Gemüter auch darüber, dass die Fifa letztendlich den Großteil der Gewinne abkassiere, die Brasilianer selbst aber von der WM nur Nachteile hätten. Während des Turniers war von all diesen Bedenken nichts mehr zu hören. Der berauschende Fußball hatte jegliche Kritik in den Hintergrund gerückt.
Mit diesen Geschehnissen im Hinterkopf macht sich ein flaues Gefühl im Magen breit. Wird sich 2022 irgendein Zuschauer im Stadion daran stören, dass Gastarbeiter die Bereitstellung seines Sitzplatzes mit ihrem Leben bezahlen mussten?
Oder wird das Leid dieser Arbeiter in Vergessenheit geraten, sobald der Schiedsrichter des Eröffnungsspiels mit einem Pfiff aus seiner Trillerpfeife das Turnier eröffnet?
Hungerlöhne, wenn es überhaupt Geld gibt wie versprochen. Exzessive Überstunden, natürlich unbezahlt, und körperliche Arbeit in der prallen Wüstensonne. Das ist Alltag für die meisten Arbeiter. Und Tausende überleben ihn nicht.
Gewerkschafter rechnen mit Tausenden Toten bis zur WM
Laut Informationen des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) sind auf allen Baustellen insgesamt in Katar, also nicht nur jenen für die WM, seit 2010 etwa 1200 ums Leben gekommen. Bis 2022 könnten mindestens 4000 weitere sein.
„Jetzt ist der Zeitpunkt, zu handeln. Wir haben keine Zeit, bis 2022 zu warten. Dann ist es für die Arbeiter dort längst zu spät“, sagte deswegen Sharan Burrow, Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), der Huffington Post.
Winzige Zimmer, verfaulte Matratzen
„Die Arbeiter leben im Elend“, sagte Burrow. Miserabel untergebracht, teilen sich einige der insgesamt 1,8 Millionen Arbeitsmigranten in Katar manchmal zu siebt winzige Zimmer. Schlafen müssen die Männer, von denen die meisten aus Pakistan, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka kommen, teilweise auf dem Boden, weil ihre Matratzen alt und verfault sind.
In den Sommermonaten erreichen die Temperaturen in Katar über 40 Grad. Klimaanlagen sucht man in ihren Unterkünften vergeblich.
14 Stunden Arbeit in sengender Sonne
Es sind aber nicht nur die Unterbringungen, die für die Arbeiter Gesundheitsrisiken bergen. Denn wie Amnesty International berichtete, müssen die Arbeiter bis zu 14 Stunden in der brütenden Sonne auf den Baustellen stehen.
Allein in 2012 bedeuteten diese Umstände für 102 nepalesische Arbeiter den Tod. Ihre Herzen machten diese Überbelastungen einfach nicht mehr mit. Auch das geht aus Amnesty-International-Studie hervor.
Kafala: Morderne Sklaverei
Was die Arbeiter für eine Tortur erwartet, ahnen sie vor der Reise nach Katar nicht. „Die Arbeiter werden unter falschen Versprechungen hier hergelockt“, sagte Burrow.
Und dann haben sie kaum Chancen, dem Horror zu entkommen. Wegen des Kafala-Systems, einem besonders perfiden Bürgensystes, das der IGB so beschreibt: "Ausländische Beschäftigte werden wie Sklaven behandelt. Sie gehören ihrem Arbeitgeber, der die völlige Kontrolle über ihre Löhne und Arbeitsbedingungen hat und [...] ihnen einen Arbeitsplatzwechsel und ein Ausreisevisum verweigern kann."
Und so bekommen viele laut IGB "nicht einmal die Hälfte des Lohnes, der ihnen versprochen wurde.“ Wenn sie überhaupt etwas bekommen.
„Das „Kafala“-System gehört abgeschafft“, fordert Burrow.
Einzige Chance: Druck aus der Öffentlichkeit
„Es ist unser Ziel, das Interesse der Weltöffentlichkeit auf die Behörden in Katar zu lenken“, sagte Regina Spöttl, Katar-Expertin bei Amnesty International Deutschland, der Huffington Post.
„Die Behörden dort haben in der Vergangenheit nichts als leere Versprechungen gemacht. Es gibt weder Zeitpläne noch konkrete Hinweise von Seiten der Regierung, dass Änderungen eingeleitet werden“, beschreibt Spöttl, wie dringend nötig ein erhöhter Druck auf die katarische Regierung ist.
Beckenbauer: "Ich habe keinen einzigen Sklaven gesehen"
Die Fifa hat sich bislang schändlich zurückgehalten. An Menschenverachtung kaum zu überbieten ist wohl das Zitat des Fifa-Botschafters Franz Beckenbauer. Er sagte über einen Besuch vor Ort:
„Ich habe noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen alle frei herum. Weder in Ketten, gefesselt ... und auch mit irgendwelchen Büßer-Kappe am Kopf ... also das habe ich noch nicht gesehen.“
Nimmt man diese Aussage als Indiz für die Ernsthaftigkeit, mit der sich die Fifa mit den Arbeitsbedingungen im Wüstenstaat auseinandersetzt, ist aus Zürich in dieser Angelegenheit nicht viel zu erwarten.
Zwar hat Fifa-Präsident Sepp Blatter die Zustände in Katar als „unhaltbar“ beschrieben. Doch Spöttl von Amnesty hält das für ein „Lippenbekenntnis“. Weil trotzdem nichts unternommen worden sei.
Unter den kritisierten Unternehmen sind auch einige aus Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte bei einem Treffen der "Arab-German Chamber of Commerz and Industry" im April 2013 noch, dass bei vielen katarischen Großprojekten deutsche Architekturbüros, Bauunternehmen und Konzerne eine Schlüsselrollen spielten.
Der Fifa geht es nur ums Geld
Es erscheint zwar etwas skurril, aber die Fifa hat tatsächlich eine eigene Ethik-Kommission. Die untersucht derzeit, ob es bei der Vergabe der WM an Katar zu Bestechungen gekommen ist. Ursprünglich sollte der Bericht am 15. Juni, also einen Tag nach dem WM-Finale, veröffentlicht werden. Manuel Garcia, einer der beiden Vorsitzenden der Kommission, hat die Veröffentlichung mittlerweile auf Anfang September verschoben. Aus welchem Grund er das getan hat, lässt Raum für Spekulationen.
Der eigentliche Aufreger an der Sache ist aber: Die Fifa beschäftigt eine ganze Kommission mit der Untersuchung möglicher Schmiergeldzahlungen, tut aber nichts gegen die menschenverachtenden Zustände auf den Baustellen Katars.
Besteht überhaupt Hoffnung?
„Ich bin ein Optimist. Bei Katar sehe ich eine gewisse Tendenz, dass sich etwas ändert“, sagt Spöttl. Beispielsweise habe die Regierung die Zahl der Baustelleninspekteure seit Amnesty Internationals Bericht verdoppelt.
„Natürlich geschieht eine Änderung nicht von heute auf morgen. Aber auf lange Sicht können wir da etwas bewegen“, sagte Spöttl. Es sei auch zu begrüßen, dass die deutschen Politiker bei Katar-Besuchen das Thema immer wieder ansprächen.
„Auch die Entsenderländer sind in der Pflicht. Sie dürfen nicht zulassen, dass ihre Leute in das „Kafala“-System geraten“, sagt Spöttl.
Parallelen zu Brasilien
Die Situation erinnert ein wenig an die WM in Brasilien. Vor dem Turnier war viel über die indiskutable Menschenrechtslage und den Umgang der Regierung mit der Bevölkerung berichtet worden. International empörten sich die Gemüter auch darüber, dass die Fifa letztendlich den Großteil der Gewinne abkassiere, die Brasilianer selbst aber von der WM nur Nachteile hätten. Während des Turniers war von all diesen Bedenken nichts mehr zu hören. Der berauschende Fußball hatte jegliche Kritik in den Hintergrund gerückt.
Mit diesen Geschehnissen im Hinterkopf macht sich ein flaues Gefühl im Magen breit. Wird sich 2022 irgendein Zuschauer im Stadion daran stören, dass Gastarbeiter die Bereitstellung seines Sitzplatzes mit ihrem Leben bezahlen mussten?
Oder wird das Leid dieser Arbeiter in Vergessenheit geraten, sobald der Schiedsrichter des Eröffnungsspiels mit einem Pfiff aus seiner Trillerpfeife das Turnier eröffnet?
Auch auf HuffingtonPost.de: Armut in Sao Paulo:
Die Schattenseite der WM in Brasilien