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Unser Mikrobiom: Der beste Freund des Menschen

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Sprechen wir von Bakterien und Viren, so verbinden sich damit meist automatisch Vorstellungen von Krankheit und Tod. Doch verschieben wir unseren Blick auf die Mikroben, die uns besiedeln, nur ein ganz klein wenig, dann werden diese vermeintlichen Feinde plötzlich in der Mehrzahl der Fälle zu Freunden.

Unser Mikrobiom (Gesamtheit aller uns besiedelnden Mikroorganismen) sorgt dafür, dass wir gesund bleiben - so die neue Sichtweise der Forscher auf dem Leopoldina-Symposium anlässlich der STI-Tagung 2014 in Berlin.

Das Leopoldina-Symposium wurde zum zweiten Mal durch die Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG) ausgerichtet mit dem Fokus, herausragende Arbeiten von jungen WissenschaftlerInnen zu präsentieren. Die Tagungspräsidenten Prof. Thomas Krieg und Prof. Georg Stingl führten die Zuhörer an einem Tag durch die vielfältige Wissenschaft des Mikrobioms.


Alle Pflanzen, Tiere und in gleicher Weise auch der Mensch werden von unzähligen Mikroorganismen bewohnt. Allein der menschliche Körper besteht dank der auf seiner Oberfläche und an den inneren Schleimhäuten sitzenden Bakterien aus mehr Fremdorganismen denn eigenen Zellen. Und dennoch haben wir meist nichts von diesen Mikroben zu befürchten.

In Jahrmillionen bildete sich eine komplexe Lebensgemeinschaft zum beiderseitigen Nutzen heraus. Bakterien und Immunsystem fanden einen Weg zur friedlichen Koexistenz. „Wird das Immunsystem jedoch geschwächt, oder zerstören wir unsere Partnerschaft auf Haut und Schleimhäuten mittels Medikamenten, verlieren wir diese kombinierte Abwehr. Krankheitskeime und Entzündungen können dann ein leichtes Spiel haben" erklärt Prof. Norbert Brockmeyer, Präsident der DSTIG und Ausrichter des Leopoldina-Symposiums.

Wir beginnen gerade erst, zu verstehen
Dr. Kamran Ghoreschi (Uniklinik Tübingen), Dr. Dagmar Heuer (RKI Berlin), Dr. Mario Fabri und Dr. Heinrich Rasokat (Uniklinik Köln) sowie Prof. Dr. Norbert Brockmeyer (Ruhr-Universität Bochum) übernahmen auch im zweiten Jahr die wissenschaftliche Leitung des Symposiums.

Kamran Ghoreschi fasst die Grundlagen der Mikrobiom-Forschung zusammen: „Dank des in den letzten Jahren entwickelten Ultra Deep Sequencing-Verfahrens zeigte sich, dass ein Großteil des menschlichen Genoms aus viraler DNA besteht. Eine wirkliche Pathogenität lässt sich für diese ruhenden Viren nicht finden. Interessant daran ist, dass selbst Viren anzutreffen sind, die bisher als humanpathogen eingestuft wurden, aber anscheinend friedlich mit uns zusammenleben".

Ein weiteres Novum, welches durch die neuen Forschungen ans Licht der Öffentlichkeit gebracht wurde: Spezielle Viren, die sogenannten Bakteriophagen, patrouillieren in unserem Körper und könnten vor allem im Darm die Zusammensetzung der Darmflora entscheidend beeinflussen. Haben die Mikroben unseres Körpers somit etwa einen diagnostischen und therapeutischen Wert?

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Enterobakterien auf Petrischale. (Quelle: SebastianKarkus/pixelio.de)

Mikrobiomanalysen in der Praxis
Veränderungen des humanen Mikrobioms stehen mit einer Vielzahl von Krankheiten in Zusammenhang. Dazu gehören Hautkrankheiten ebenso wie Diabetes mellitus Typ 2, Arteriosklerose und Adipositas. Im Fall der Adipositas scheint zudem ein wechselseitiger Einfluss zwischen Darmbakterien und Körpergewicht zu bestehen, d.h. die „falschen" Darmbakterien sorgen für einen veränderten Stoffwechsel der Nahrungsbestandteile, was zu Übergewicht führen kann. Auf der anderen Seite beeinflusst Fettleibigkeit die Zusammensetzung (Präferenz) der Darmflora. Über welche epithelialen Strategien zur Abwehr mikrobieller und viraler Infektionen der Körper verfügt, erklärte Prof. Jens Schröder, Kiel, in seinem Eröffnungsvortrag.

Um den Einfluss bestimmter Veränderungen des humanen Mikrobioms auf Krankheiten zuverlässig vorhersagen zu können, müssen derzeit noch die Nachweisverfahren validiert und standardisiert werden. Doch in jedem Fall verändern die Erkenntnisse zum humanen Mikrobiom bereits heute die Sichtweise auf weitverbreitete Erkrankungen des Menschen.

Klassische Krankheiten neu bewertet
Wie eng die körpereigene Abwehr und die Darmmikroflora zusammenarbeiten wird am Beispiel des Morbus Crohn sowie der Colitis ulcerosa deutlich. War die bisherige Annahme, dass es sich bei beiden zumindest im Ansatz um autoimmune Erkrankungen handelt, entwirft die Mikrobiomforschung ein zunehmend anderes Bild des entzündeten Darms. Genetische Defekte, die die Zusammensetzung der Schleimhautbarriere im Darm verändern, sind nach neuesten Erkenntnissen die mögliche Hauptursache für entzündliche Darmerkrankungen.

Muzine, die Schleimstoffe der Mukosa, dienen nicht nur der angeborenen Immunabwehr von Krankheitserregern, sondern eben auch als erste Anheftungsbasis für eine Vielzahl helfender Darmbakterien. Ohne die schützende Schleim- und Bakterienschicht können sich nicht-schützende Pathogene anlagern und die Darmzellen schädigen. Dies führt zu einer starken Aktivierung des Immunsystems. In der Folge kommt es zu den schweren, chronischen Entzündungsreaktionen, wie sie bei der Colitis ulcerosa oder beim Morbus Crohn beobachtet werden.

Die moderne Mikrobiom-Forschung könnte die zukünftige Sichtweise auf Gesundheit und Krankheit revolutionieren. „Es ist an der Zeit, den menschlichen Körper als Summe seiner Mikroben zu verstehen, denn nur so können effektive und schonende Therapieverfahren entwickelt und angewendet werden", schließen die Forscher dazu auf ihrem Symposium.

Quelle: Leopoldina-Symposium 18. Juni 2014, Rotes Rathaus Berlin; Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG)

Mehr aus der Welt der Medizin und Wissenschaft gibt es auf www.wissenschaftsblog-ideen-und-wissen.de

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