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Kritik am Gaucho-Tanz: Die Rassismus-Vorwürfe gegen die deutschen WM-Fußballer sind abwegig

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Deutschland diskutiert über den Gaucho-Gate, eine angebliche Verhöhnung argentinischer Nationalspieler - durch deutsche Fußball-Weltmeister.

Beim Empfang der DFB-Elf auf der Berliner Fanmeile sang eine Gruppe deutscher Nationalspieler am Dienstag das Lied „So geh'n die Gauchos, die Gauchos, die geh'n so..."

Verse, die Fußballfans in Deutschland seit Ewigkeiten kennen. Weil sie in Bundesliga-Stadien, weil sie in jeder Hobbymannschaft dutzendfach gesungen werden.

Es sind Verse, mit denen Fans und Spieler Siege feiern. Weil sie sich freuen.

Nur jetzt, da sich die Nationalspieler mal die Fußball-Masse zum Vorbild nehmen und den bekannten Kalauer auf einer Bühne präsentieren, gibt es plötzlich einen kollektiven Aufschrei.

Die "FAZ" etwa echauffierte sich: "Die Siegesfeier am Brandenburger Tor wird zum gigantischen Eigentor. Mit einer üblen Persiflage auf ihren Finalgegner verspielen die deutschen Weltmeister das Image der weltoffenen, toleranten Nation. Die Gauchos gehen gebückt, zwischen Niedergeschlagenheit und Demütigung, während Deutsche aufrecht wie Hermann der Cherusker den Pokal gen Himmel strecken."

Und die „taz" schrieb: "Respektlos im Siegesrausch. Die absurde Inszenierung des Marketing-Fan-Meilen-Truck-Korsos findet ihren Höhepunkt im Auftritt der deutschen Mannschaft, die dann eher nichts mehr von Bescheidenheit hat. Die Würdigung einer sportlich besonderen Leistung gerät da im Siegesrausch zu einer kriegergleichen Überhöhung des eigenen Selbst, in der man auch dem 'Gaucho-Verlierer' keinen Respekt mehr zollen muss."

Diese Haltung ist realitätsfern.

So wie das Thema derzeit öffentlich dargestellt wird, ist es völlig überreizt.

Es geht in der Sache nämlich nicht um Rassismus. Wir reden nicht über Verhöhnung. Wir reden nicht über eine verbale Entgleisung der deutschen Nationalspieler.

Es wird ja fast so getan, als hätten Klose, Weidenfeller, Schürrle und Co. „Arschloch, Wi***er, Hurensohn" in Richtung von Messi gebrüllt, als hätten sie Blitzsieg oder andere Nazi-Parolen von sich gegeben.

Ja, sie haben den Argentiniern durch eine gebückte Körperhaltung eine unterlegene Stellung attestiert, während die Deutschen - mit dem WM-Titel im Gepäck - aufrecht gehen, obenauf sind.

Was das aussagt? Dass die Argentinier spielerisch unterlegen waren - nicht mehr, nicht weniger.

Die Art der Darstellung mag der ein oder andere als plump empfinden. Und das ist auch okay.

Denn, zugegeben, es ist nicht der geistreichste Fangesang. Auch ist er nicht gerade das Paradebeispiel für fairen Sportsgeist.

Aber sagt er aus, dass Argentinier Affen sind, minderbemittelt, oder gar eine untergeordnete Rasse, wie es die argentinische Sportzeitung „Olé" interpretierte?

Ach, bitte, das ist doch Quatsch.

Warum sollen Nationalspieler keine Lieder singen dürfen, die auf den Fanmeilen wochenlang in anderen Variationen gesungen worden sind (zum Beispiel „So gehen die Amis, die Amis gehen so...")?

Weil sie dann keine Vorbilder mehr sind? Sollen unsere Stars, die Vorbilder von Millionen Menschen, keine Gefühlsregungen zeigen dürfen? Sollen sie abgehoben sein?

Manchen kann man es aber auch einfach nicht recht machen.

Die Alternative wäre, dass sich Nationalspieler nur noch so freuen. „Das war toll." Smile. „Das war prima. Wir freuen uns. Wirklich." Smile.

Oder wie geht politisch korrekter Jubel?

So vielleicht? „Das war ein schönes Spiel gegen Argentinien und dass wir den Titel haben - ja... Das ist schon toll. Vielen Dank für das ambitionierte Spiel der Argentinier. Wir freuen uns, aber diese Freude soll bitte nicht so 'rüberkommen , dass wir uns besser als die Argentinier fühlen. Die hätten den Titel auch verdient gehabt. Eigentlich waren wir ja auch spielerisch gar nicht besser."

Wahrscheinlich würden diejenigen, die sich jetzt am lautesten über angeblichen Rassismus oder Unterdrückung beschweren, den Spielern fehlende Leidenschaft vorwerfen.

Schon verwunderlich, dass sich die Kritiker zwar über den Gaucho-Gate aufregen, nicht aber über den Müller-Gate reden.

"You have to speak Bavarian", sagte Thomas Müller nach dem Finalsieg zu einer Reporterin. „Des interessiert mi ois ned, der Scheißdreck! Weltmeister samma! Den Pot hamma! Den scheiß goldnen Schuah kannst dir hinter d'Ohren schmierrn!"

Wir könnten auch spaßbefreit sagen, dass Thomas Müller kein Vorbild ist. Er hat ja eine kolumbianische Reporterin veralbert.

Er hat sie auf bayerisch angesprochen. Die arme Frau, die gar nicht mehr wusste, was um sie herum geschieht.

Die arme Frau, sie wurde dadurch doch eigentlich auch rassistisch beleidigt. Ausgegrenzt. Weil sie Müllers Sprache nicht spricht. Was fällt dem Müller ein, dass er diese Frau nicht auf Englisch anspricht? Oder, noch besser, auf Spanisch.

Nein, er spricht bayerisch mit ihr. Er behandelt sie aussätzig. Als Fremde.

Merken Sie, wie merkwürdig diese Argumentation ist?

Und geben Sie es zu: Bei der Geschichte mit Thomas Müller haben Sie nicht im Ansatz an Rassismus gedacht. Sie haben gelacht. Geschmunzelt. Witze gerissen.

Die Argentinier können den Gaucho-Song schon richtig einordnen, besser als die Fangesangswächter dieser Nation.

Messi weiß, dass das ein Gag war. Ein Witz. Ein harmloser Jubelgesang.

Wer über versteckten Rassismus im Alltag referieren möchte, sollte sich die großartige ZDF-Sendung „Der Rassist in uns" anschauen.

Aber bitte nicht den YouTube-Clip, in dem Weidenfeller, Mustafi, Schürrle, Klose und Götze feiern.

Video: Jetzt ist es sicher - Löw macht ohne Hansi Flick weiter








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