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Diversity verdammt Unternehmen zum Fortschritt

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Ich möchte gerne mit Herrn Sattelberger sprechen. Das habe ich nach dem Viertelfinale meinem guten Freund Gero erzählt, während wir den Sieg mit einem Kölsch feierten. Ich habe ihm auch erzählt, warum ich ihn sprechen möchte. Weil er der richtige Mann ist. Für mich. Gerade jetzt.

Nein, amouröse Absichten habe ich nicht. Er ist aus anderen Gründen für mich interessant. Bekanntermaßen ist der Mann ein Verfechter von Diversity in Unternehmen. Wer Diversität will, will Vielfalt, auch in der Chefetage. Vielfalt setzt sich aus heterosexuellen Männern, heterosexuellen Frauen, homosexuellen Frauen, homosexuellen Männern, Deutschen und Migranten, Jungen und Alten, Weißen und Farbigen zusammen. Und nicht nur aus weißen, deutschen und heterosexuellen Männern. Nun ist es aber so: "In den Konzernen herrschen weiße, deutsche Männer". Das sagt Thomas Sattelberger und der muss es wissen, schließlich hat er eine schöne Karriere als Personalvorstand hingelegt. Er kennt sich aus mit Männerseilschaften.

Wie der Zufall es will, ist Gero auch ein weißer, deutscher Mann in der Führungsetage. Und prompt will er von mir wissen, wozu Diversity gut sein soll. So eine hanebüchene Frage aus dem männlichen All! Ich zücke ich Argument: "Wenn sich die Vielfalt der Bevölkerungsgruppe in den Führungsetagen widerspiegelt, sind Unternehmen erfolgreicher." Unbeirrt fragt der liebe Freund: „Warum?"

So kleine Fragen haben Wirkung. In meinem Fall die, dass ich leise knurrend feststellen muss, dass für mich Selbstverständliches noch lange nicht für jeden selbstverständlich ist. Und dass es für alles unterschiedliche Sichtweisen gibt. Und dass man Diversität gut, nein, sehr gut, nein, ausgezeichnet erklären sollte, wenn man weiße, deutsche Männer in Führungsetagen davon überzeugen will! Und nicht nur die!

Auch bei manchen Frauen in Führungspositionen, wie zum Beispiel Gabriele Fischer, der Chefredakteurin von brand eins herrscht Aufklärungsbedarf. brand eins sieht sich aktuell mit einer Genderdebatte auf Facebook und Twitter konfrontiert. Eine Leserin hatte durchgezählt und freundlich darauf hingewiesen, dass die brand eins ihr Blatt überwiegend mit Geschichten erfolgreicher Männer füllt. Die brand eins mit ihrem komplett weiblichen Vorstand (!!) scheint darin kein Problem zu sehen und keinesfalls eins, das Anlass zur selbstkritischen Reflexion geben würde.

Uhhh, das Thema ist heiß! Es reicht ein Funke und es lodert. Diversität ist in Deutschland noch lange nicht hoffähig. Kommen wir also zurück zum WARUM des Freundes. Ja, warum eigentlich brauchen wir Diversität?

Diversität bringt breite Expertise
Ich bleibe dabei, wenn sich die Vielfalt der Bevölkerungsgruppe in den Führungsetagen und im Team widerspiegelt, sind Unternehmen erfolgreicher. Ganz einfach, weil das Wissen, der Erfahrungsschatz und die Kompetenzen des Teams umso größer sind, desto heterogener ihre Mitglieder. Männer sind bekanntermaßen entscheidungs- und risikofreudig und sehr beredt. Die meisten Frauen sind unschlagbar in sozialer Kompetenz, Empathie und Besonnenheit. Ältere Menschen sind ohnehin Wissende. Sie wissen Dinge, von denen Junge nicht die geringste Ahnung haben. Migranten steuern tiefe Einblicke in ihre jeweilige Kultur bei und bereichern damit den Unternehmenswissensschatz. Zusammengenommen bringt das breite Expertise und interkulturelle Kompetenz.

Mitarbeiter aus jeder Zielgruppe
Wer erfolgreich sein will, sollte seine Zielgruppe sehr gut kennen, das habe ich gerade erst wieder gehört - bei den #DMW, bei einem Vortrag des PR-Doktors. Heterosexuelle Männer wissen wie heterosexuelle Männer ticken. Frauen wissen wie Frauen ticken. Behinderte wissen wie Behinderte ticken. Schwule wissen wie Schwule ticken. Wer also Produkte und Dienstleistungen für alle erfolgreich herstellen oder anbieten will, sollte einen Vertreter aus jeder Bevölkerungsgruppe in seinem Team haben.

Homogenität lähmt
Wir Menschen lieben die Homogenität. Es lebt sich so kuschelig und vertraut in ihr. Das Fremde dagegen macht Angst. Die Vorherrschaft der weißen, deutschen Männer in den Führungsetagen rührt von genau dieser Angst. Vertraut wird nur dem Vertrauten. Und das sind weiße, deutsche Männer. Das weiß man, was man hat. Ohne Frage hat Homogenität beachtliche Vorteile. Das Gegenüber ist berechenbar und verstehbar, denn man spricht dieselbe Sprache. Homogenität auf Dauer jedoch lähmt. Homogene, abgeschlossene Systeme sind mit Scheuklappen belastet und weniger lernbereit und beweglich. Sie sehen nur einen kleinen Ausschnitt. Für große Visionen und Innovation braucht es mehr als ein Guckloch.

Seilschaften sind Brutplätze für Korruption
In Köln nennen wir es den „Kölschen Klüngel". Durch den Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 hat er traurige Berühmtheit erlangt. Die menschliche und kulturelle Katastrophe wurde durch das korrupte Geflecht aus engen Beziehungen zwischen lokaler Politik und Wirtschaft ermöglicht. Es steht zu erwarten, dass am Ende weiße, deutsche Männer schuldig gesprochen werden. Oder eben gerade nicht. Verschwiegene Männerseilschaften sind ein fruchtbarer Nährboden für Korruption. Wo keine gegensätzlichen und kritischen Stimmen zu hören sind, blühen die Allmachtsphantasien. (Selbst-)Reflexion bleibt da auf der Strecke. So entsteht leicht ein System, in dem man nach eigenen Werten und Regeln lebt und sich untereinander der Gültigkeit und Berechtigung dieser Ordnung immer wieder vergewissert.

Halt! Damit hier nichts verwechselt wird. Ich streite für Emanzipation. Ich bin keine Männerhasserin. Das wird mein Mann gerne bestätigen. Ich mag weiße, deutsche Männer. Einige sogar sehr sehr gern. Ich gebe mich auch nicht der wuschelwohligen Illusion hin, dass wir Frauen besser sind. Auch Frauen klammern sich an geschlechtsspezifische Muster, die ihre Tücken bergen. Dazu bald mehr.

Diversität verdammt zur Entwicklung
Diversität lebende Unternehmen und Organisationen sind zur Entwicklung verdammt. Die tägliche Auseinandersetzung mit dem Fremden, dem Divergenten lässt Stillstand nicht zu. Denn Diversität geht mit Spannungen und Kontroversen einher. Konflikte führen zu Diskussionen und mit echtem Willen aller Beteiligten zu ehrlich kritischer Analyse. Beste Bedingungen für eine lebendige Unternehmenskultur, die Innovation und gesunden Fortschritt ermöglicht.

Die Besten sind hübsch verteilt
Da draußen sind wunderbare Talente, die nicht zum Zug kommen, weil sie weiblich, muslimisch, älter oder sonst wie sind. Unternehmen, die ihre Vorurteile dem Fremden gegenüber überwinden, haben mit ihnen ein echtes Ass im Ärmel und einen echten Wettbewerbsvorteil. Sie können die Besten aus allen Bevölkerungsgruppen abschöpfen und ihrem Unternehmen noch dazu ein weltoffenes, sympathisches Image verleihen.

Diversität macht glücklich
Abseits von wirtschaftlichen Argumenten schenkt uns Diversität noch so viel mehr. Die Chancengleichheit, die Diversität mit sich bringt, fühlt sich gut an. Und gute Menschen sein, wollen wir doch alle. Jeder von uns kann Berührungsängste und Vorurteile abbauen und persönlich daran wachsen. Das macht Spaß. Das bringt Glücksmomente. Genauso wie die erotischen Schwingungen in gemischten Teams.

Ich wünsche mir mehr Kongruenz bei brand eins

Und brand eins, die sich damit schmückt, Veränderung und Zukunft in den Fokus zu nehmen? Ich finde, man kann von diesem Wirtschaftsmagazin erwarten, dass es gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt und seinen Einfluss nutzt, um Diversitäts- und Emanzipationsprozesse in unserem Land weiter voranzutreiben. So würden sie ihrem Anspruch gerecht werden, denn es gäbe Deckungsgleichheit zwischen dem was sie sagen und dem was sie tun.

Mal sehen, ob ich meinen Freund - er ist Volkswirt und brand eins Leser - mit diesem Blogpost von Diversität überzeugen kann. Er tickt doch ziemlich anders als ich. Aber gegen eins kann er nichts sagen: Wir beide leben Diversität in unserer Beziehung - schon immer. Und das machen wir gut.

www.corinnaknauff.de

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