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Wider den Fortschrittspessimismus

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Manche Ökonomen reiten neuerdings auf der Welle des Fortschrittspessimismus. So stellt Robert J. Gordon die Frage: Ist die Zeit des Wachstums in den USA vorbei? Eine zentrale These dabei: Die digitale Vernetzung unserer Welt habe weniger positive Auswirkungen auf den Lebensstandard als die Versorgung der Stadtbevölkerung mit fließendem Wasser und Strom in der industriellen Revolution. Entsprechend werde sich der Anstieg des Lebensstandards von einer jährlichen Wachstumsrate von 1,9% auf 0,5% verlangsamen. Dazu muss man wissen, dass Gordon in den 1990er Jahren von etwas ganz anderem ausging: nämlich einer Produktivitätsrevolution durch Computer in ähnlichem Umfang wie im Zuge der industriellen Revolution.

Aus einer anderen Richtung kommend wärmt Larry Summers, früherer US-Finanzminister, die These einer Dauerstagnation auf. Sein Argument: Alle wollen sparen, zu wenige investieren. Eigentlich brauche die Welt deshalb Negativzinsen, damit beides ins Gleichgewicht gebracht und wieder Vollbeschäftigung erreicht werden könne. Weil man das aber nicht hinbekomme, bleibe die Welt aber in einer höchst unangenehmen Situation von schwachem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit gefangen.

Auch Technologieskepsis macht sich breit: Natürlich stellt sich die Frage, was mit all den Paketboten passiert, wenn die Zustellung erst mal grundsätzlich von Drohnen erledigt wird. Doch ist es nicht so, dass neue Technologien schon immer alte verdrängt haben? Der technologische Fortschritt lässt sich eben nicht aufhalten, die Uhr nicht zurückdrehen.
Durch den mechanischen Webstuhl wurde die Heimarbeit der Spinner und Weber obsolet. Andererseits entstanden im Zuge der industriellen Revolution neue Arbeitsplätze in Städten und Fabriken. Durch die Eisenbahn und das Telefon wurde die Postkutsche überflüssig. Anderseits wurden Transport und Kommunikation dadurch schneller und leistungsfähiger. Heute geraten der stationäre Handel und die traditionellen Medien durch den Siegeszug des Internets unter Druck. Andererseits wird die Arbeit in der digitalen Welt nicht weniger. Viele unserer Kinder werden nur in Jobs arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt.

Ohne Frage ist das Hier-und-Jetzt der Weltwirtschaft ziemlich unbefriedigend: schwaches Wachstum und hohe Arbeitslosigkeit. Manche Ökonomen wollen nicht akzeptieren, dass Wirtschaft ein komplexes System ist, das sich nur schwer steuern lässt. Anders als bei einer Kaffeemaschine kann man nicht einfach auf einen Knopf drücken, und dann kommt das gewünschte Ergebnis raus. Unsere Marktwirtschaft funktioniert nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum.

Nach der Finanzkrise sind viele Geschäftsmodelle obsolet geworden. Für einzelne Unternehmen, aber auch für ganze Länder. Wenn man jetzt anderes ausprobiert, ist nicht von vornherein klar, was funktioniert. Es macht auch nicht in jedem Fall Freude, dabei zuzusehen. Letztlich ist es aber ähnlich wie nach einem rauschenden Fest: Man ist verkatert und muss sich trotzdem aufraffen, denn das Leben geht weiter.

Vielmehr stellt sich mit zunehmender Dringlichkeit die Frage nach dem richtigen Umgang mit den unangenehmen Nebenwirkungen von Strukturwandel und marktwirtschaftlicher Anpassung.

http://www.union-investment.de

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