Ich hatte mich also zur ZDF Aspekte-Sendung aufgemacht. Als Zuschauer. Mitten in Berlin; Unter den Linden. Ein riesiges, sehr stylisches Studio. Einige ZDF-Sendungen werden hier produziert. Im Foyer gibt es erst einmal einen Sekt; dann der Einlass.
Jo Schück und Tobias Schlegel sind an diesem Abend die Moderatoren. Sie weisen darauf hin, dass sie kein fremdbestimmtes Klatschen von uns hören wollen, sondern dass wir selbst entscheiden sollen, wenn uns etwas gefällt. Wir werden darauf hingewiesen, dass die Sendung in einem Stück produziert wird. Falls sich jemand vor die Kamera schmeißen sollte, dann könnte man dies kaum raus schneiden.
Ich überlege, ob ich dies tun sollte. Ich habe ein wirklich unbeachtetes Buch geschrieben. Ich könnte es in die Kamera halten. Die beiden lässigen Journalisten würden mich entweder einbeziehen oder der Sicherheitsdienst würde sich auf mich werfen. Ich nehme also erst mal Abstand von diesem Plan.
Es geht um interessante Beiträge an diesem Abend. Ein neuer Kinofilm über Wirtschaftsberater wird vorgestellt, eine Tierfotografin kann ihr eigenes Werk kommentieren, Jan Delay ist im Studio und es gibt einen Bericht über Pfandflaschensammler. Irgendwann spielt Jan Delay auf der Bühne sein erstes Stück.
Er legt temperamentvoll los. Er singt gut, die Band spielt hervorragend und die hübschen Backgroundsängerinnen machen ihren Job auch sehr toll. Im Studio sind wohl die meisten Menschen zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt. Aber kein Mensch steht auf; keiner tanzt. Alle sitzen vollkommen eingeschüchtert und ängstlich auf ihrem Platz, damit die Kamera sie ja nur nicht bei einer falschen Bewegung erwischt. Ich bin erstaunt. Jan Delay wahrscheinlich auch.
Dann kommt es zum Interview mit dem Musiker. Er hat Heino einen Nazi genannt und im Gespräch eiert er zu dem Thema rum. Es gab einen Vorspann. Heino hat ihm darin mitgeteilt, dass er eine Entschuldigung annehmen würde. Er könnte die Sache dann vergessen. Aber Delay hat dazu dann doch nicht ganz die Entschlossenheit. Er sagt, seine Anwälte hätten ihn aufgefordert, sich zu diesem Sachverhalt nicht mehr zu äußern. Es sei eine seiner ersten Rechtsstreitigkeiten. „Hallo Herr Delay, Ihre Anwälte wollen viel Geld mit Ihnen verdienen. Heino hat Ihnen eben einen Ausweg gezeigt. Sagen Sie Entschuldigung und dann fahren Sie noch mal zu ihm hin und trinken ein Bier mit ihm. Dieses Land hat das noch nicht so richtig begriffen. Anwälte wollen Geld verdienen. Sie leben von dem Konflikt. Wir sollten uns viel häufiger beim Nachbarn oder beim Sängerkollegen entschuldigen und könnten uns dann lange Rechtsstreitigkeiten sparen." Ich möchte das Delay zurufen, lasse es aber.
Die beiden Moderatoren machen ihren Job auch ohne mich ganz gut. Sie wirken sehr abgeklärt. Sie haben sich wahrscheinlich gegen tausende von Mitbewerbern durchgesetzt, um in diesem Flaggschiff der Kultur im ZDF als Moderatoren zu landen.
Als nächstes kommt ein Soziologe auf die Leinwand. Er hat geforscht über Pfandsammler. Menschen die aus dem Arbeitsleben heraus gefallen sind und nun Pfandflaschen in Parks und Müllcontainern suchen. Herr Schlegel moderiert diesen Beitrag. Er selbst ist wohl auch einmal für ein paar Stunden raus gegangen und hat Pfandflaschen gesucht. Er scheint sowieso der Mann zu sein, der ständig die Außentermine wahrnimmt; sich manchmal ans reale Geschehen heranwagt. Am Ende hatte er nur ein paar Euro mit seinen zwei Tüten Pfandflaschen verdient.
Der Soziologe weist darauf hin, dass diese Pfandflaschensucher oft aus dem Arbeitsprozess heraus gefallen sind und trotzdem dem Leistungsprinzip entsprechen wollen. Es wird dann auch noch ein You Tube-Video gezeigt. Deutsche Studenten haben eine Pfandflasche an ein Seil angebunden und warten darauf, dass ein Pfandflaschensammler vorbeischaut. Sobald er in der Nähe ist, ziehen sie ihre Flasche zu sich heran. Man sieht ihre Gesichter; man sieht wie sie lachen und ich hoffe, dass sie für diese Aktion in der Hölle brennen werden.
Aber letztendlich wird erklärt, dass die Pfandflaschensammler uns an unsere eigene Angst erinnern. Die Angst vor dem Absturz, die Angst vor dem gesellschaftlichen Aus. Vielleicht versuchen diese Studenten, diese Angst mit ihrem blöden Spiel zu überwinden. Ich hoffe, dass sie nie in das Arbeitsleben hereinkommen. Letztendlich haben sie ihre Missetat auch noch bei You Tube hochgeladen.
Am Ende spielt Delay noch seinen Song über die Reeperbahn. Es sind wirklich auch hübsche Mädels im Publikum und keine von ihnen tanzt; die jungen Männer ebenfalls nicht. Alle bleiben vollkommen angststarr sitzen; nur nicht auffallen.
Ich bereue langsam, dass ich mich mit meinem Buch nicht vor die Kamera geworfen habe.
Das hätte ein bisschen Leben in die Bude gebracht.
Christian Schäfer ist auch Autor des Buches „Die Reise des Politikers".
Jo Schück und Tobias Schlegel sind an diesem Abend die Moderatoren. Sie weisen darauf hin, dass sie kein fremdbestimmtes Klatschen von uns hören wollen, sondern dass wir selbst entscheiden sollen, wenn uns etwas gefällt. Wir werden darauf hingewiesen, dass die Sendung in einem Stück produziert wird. Falls sich jemand vor die Kamera schmeißen sollte, dann könnte man dies kaum raus schneiden.
Ich überlege, ob ich dies tun sollte. Ich habe ein wirklich unbeachtetes Buch geschrieben. Ich könnte es in die Kamera halten. Die beiden lässigen Journalisten würden mich entweder einbeziehen oder der Sicherheitsdienst würde sich auf mich werfen. Ich nehme also erst mal Abstand von diesem Plan.
Es geht um interessante Beiträge an diesem Abend. Ein neuer Kinofilm über Wirtschaftsberater wird vorgestellt, eine Tierfotografin kann ihr eigenes Werk kommentieren, Jan Delay ist im Studio und es gibt einen Bericht über Pfandflaschensammler. Irgendwann spielt Jan Delay auf der Bühne sein erstes Stück.
Er legt temperamentvoll los. Er singt gut, die Band spielt hervorragend und die hübschen Backgroundsängerinnen machen ihren Job auch sehr toll. Im Studio sind wohl die meisten Menschen zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt. Aber kein Mensch steht auf; keiner tanzt. Alle sitzen vollkommen eingeschüchtert und ängstlich auf ihrem Platz, damit die Kamera sie ja nur nicht bei einer falschen Bewegung erwischt. Ich bin erstaunt. Jan Delay wahrscheinlich auch.
Dann kommt es zum Interview mit dem Musiker. Er hat Heino einen Nazi genannt und im Gespräch eiert er zu dem Thema rum. Es gab einen Vorspann. Heino hat ihm darin mitgeteilt, dass er eine Entschuldigung annehmen würde. Er könnte die Sache dann vergessen. Aber Delay hat dazu dann doch nicht ganz die Entschlossenheit. Er sagt, seine Anwälte hätten ihn aufgefordert, sich zu diesem Sachverhalt nicht mehr zu äußern. Es sei eine seiner ersten Rechtsstreitigkeiten. „Hallo Herr Delay, Ihre Anwälte wollen viel Geld mit Ihnen verdienen. Heino hat Ihnen eben einen Ausweg gezeigt. Sagen Sie Entschuldigung und dann fahren Sie noch mal zu ihm hin und trinken ein Bier mit ihm. Dieses Land hat das noch nicht so richtig begriffen. Anwälte wollen Geld verdienen. Sie leben von dem Konflikt. Wir sollten uns viel häufiger beim Nachbarn oder beim Sängerkollegen entschuldigen und könnten uns dann lange Rechtsstreitigkeiten sparen." Ich möchte das Delay zurufen, lasse es aber.
Die beiden Moderatoren machen ihren Job auch ohne mich ganz gut. Sie wirken sehr abgeklärt. Sie haben sich wahrscheinlich gegen tausende von Mitbewerbern durchgesetzt, um in diesem Flaggschiff der Kultur im ZDF als Moderatoren zu landen.
Als nächstes kommt ein Soziologe auf die Leinwand. Er hat geforscht über Pfandsammler. Menschen die aus dem Arbeitsleben heraus gefallen sind und nun Pfandflaschen in Parks und Müllcontainern suchen. Herr Schlegel moderiert diesen Beitrag. Er selbst ist wohl auch einmal für ein paar Stunden raus gegangen und hat Pfandflaschen gesucht. Er scheint sowieso der Mann zu sein, der ständig die Außentermine wahrnimmt; sich manchmal ans reale Geschehen heranwagt. Am Ende hatte er nur ein paar Euro mit seinen zwei Tüten Pfandflaschen verdient.
Der Soziologe weist darauf hin, dass diese Pfandflaschensucher oft aus dem Arbeitsprozess heraus gefallen sind und trotzdem dem Leistungsprinzip entsprechen wollen. Es wird dann auch noch ein You Tube-Video gezeigt. Deutsche Studenten haben eine Pfandflasche an ein Seil angebunden und warten darauf, dass ein Pfandflaschensammler vorbeischaut. Sobald er in der Nähe ist, ziehen sie ihre Flasche zu sich heran. Man sieht ihre Gesichter; man sieht wie sie lachen und ich hoffe, dass sie für diese Aktion in der Hölle brennen werden.
Aber letztendlich wird erklärt, dass die Pfandflaschensammler uns an unsere eigene Angst erinnern. Die Angst vor dem Absturz, die Angst vor dem gesellschaftlichen Aus. Vielleicht versuchen diese Studenten, diese Angst mit ihrem blöden Spiel zu überwinden. Ich hoffe, dass sie nie in das Arbeitsleben hereinkommen. Letztendlich haben sie ihre Missetat auch noch bei You Tube hochgeladen.
Am Ende spielt Delay noch seinen Song über die Reeperbahn. Es sind wirklich auch hübsche Mädels im Publikum und keine von ihnen tanzt; die jungen Männer ebenfalls nicht. Alle bleiben vollkommen angststarr sitzen; nur nicht auffallen.
Ich bereue langsam, dass ich mich mit meinem Buch nicht vor die Kamera geworfen habe.
Das hätte ein bisschen Leben in die Bude gebracht.
Christian Schäfer ist auch Autor des Buches „Die Reise des Politikers".
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