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Stipendiaten spielen für Stipendien

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Stipendiaten für Stipendien
Kammerkonzert der Hindemith-Gesellschaft
im Joseph-Joachim-Konzertsaal Berlin

Zur Begrüßung brachte es der Vorsitzende der Berliner Paul-Hindemith-Gesellschaft, der mittlerweile emeritierte UdK-Professor und Cellist Wolfgang Boettcher, auf eine einfache Formel: "Wir sind eigentlich eine Stipendiengesellschaft, die finanzielle Mittel zur wirtschaftlichen Unterstützung hochbegabter, bedürftiger und besonders förderungswürdiger Musik- und Schauspielstudenten sammelt. "

Dies geschieht wesentlich über Konzertveranstaltungen mit freiem Eintritt, bei denen um Spenden geworben wird. Die Programmgestaltung übernehmen Stipendiaten der Gesellschaft und Künstler, die als Gäste mitwirken. So kommen besonders hochwertige Kammerkonzerte zustande, die sich ebenso durch exzellente Interpretationen wie eine originelle Zusammenstellung der dargebotenen Kompositionen auszeichnen. So gab es beim jüngsten Konzertabend nicht nur Werke von Beethoven, Schumann und Hindemith zu hören, sondern auch Musik von zwei österreichischen Komponisten, die beide in Lemberg, dem heutigen Lviv in Galizien, der jetzigen Ukraine, geboren wurden.

Den Auftakt übernimmt die Geigerin Hye Yeon Min, begleitet von Melissa Gore, mit Ludwig van Beethovens Sonate Nr. 6 op. 30 Nr. 1 von 1802. Im ersten Satz Allegro gibt das Klavier das Schrittmaß vor, die Violine folgt mit zartfühlender Intonation, die dann zunehmend kraftvoller wird. Rhythmisch sind beide exzellent im Einklang, die Violine mit größter Reinheit in der Tongebung. Markant und spielerisch das Klavier, und die Violine übernimmt die melodische Verarbeitung. Dann das Adagio molto espressivo: intensiver, schön ausgedrückter Violinklang, gestützt vom Klavier. Innig und ausdrucksvoll von der Violine vorgezeichnet, in langsamen Schritten vom Klavier gefolgt und akzentuiert. Warm und voll der Violinklang, behutsam und gewandt der Klavierpart.

Der dritte Satz ist ein Alegretto con variazioni: die Violine gibt das Thema vor und vereint sich mit dem Klavier zur Eröffnungsformulierung. Dann Variationen, die abwechselnd jedem der beiden Instrumente die Führungsrolle zuweisen. Die Violine in souveräner Spielfreude, das Klavier mit perlender Illumination des Weges. Ein Frage- und Antwortspiel in einprägsamer Vortragskunst. Ein schwungvolles Walzerthema lässt schliesslich beide Interpreten in bestem Licht erscheinen.

Die Querflöte von Xiangchen Li und die Gastrolle von Yoriko Ikeya am Klavier vereinen sich dann zur Fantaisie hongroise op.26 vom österreichisch-ungarischen Komponisten Albert Franz Doppler aus dem Jahre 1870. Sofort fesselt der volle, sonore Klang der Querflöte, in leichtem Flug über dem Klavierton, zart und charaktervoll. Dann ein Liedthema, spielerisch umrankt, gefolgt von einem ungarischen Tanzrhythmus. Insgesamt ein sehr virtuoses Bravourstück für die Querflöte und die aufmerksame Klavierbegleitung.

Drei Fantasiestücke für Violoncello und Klavier von Robert Schumann schliessen sich an, im Jahre 1849 ursprünglich für Klarinette und Klavier komponiert. Die Cellistin Dina Bolshakova wird von Daria Goremykina am Klavier begleitet. Der Satz "Zart und mit Ausdruck" bringt über dem einführenden Klavierpart große, weit geführte Melodiebögen des Cellos. Dann "Lebhaft leicht", ein Dialog beider Instrumente im Plauderton, zügig und geläufig, einander gut ergänzend. Schließlich "Rasch und mit Feuer", kraftvoll, aber mit Feingefühl. Dynamisch fein abgestimmt, ein Aufschwung mit Anlauf, hervorragend im Einklang.

Nach der Pause eröffnet die Bratschistin Karolina Errera das Programm mit Paul Hindemiths Sonate für Bratsche solo op. 25 Nr. 1 von 1922. Die Solistin spielt mit größter Konzentration und gestaltet ein beredtes Plädoyer für die reizvolle Sonderstellung der oft unterschätzten Viola, die klingen kann wie ein kleines Cello, aber ebenso stilreine Violintöne hervorbringt. Der erste Satz "Breit", der in den zweiten "Sehr frisch und straff" übergeht, bringt neben Akkorden kräftig angespielte Einzeltöne, ein faszinierendes Klangspektrum mit kräftigem Bogenstrich. Darauf "Sehr langsam", ein ausdrucksvoller, verinnerlichter Gesang, fast ein verhaltenes Lamento mit feinen dynamischen Abstufungen, eine kaum für möglich gehaltene Klangfülle und großartige Intensität. Der folgende Satz "Rasendes Zeitmaß" ist wild in der Tongebung, eine gespenstische Hatz von fesselnder Virtuosität, wie der Flug eines Insektenschwarms. Die Sonate endet mit "Langsam, mit viel Ausdruck", einer gelassen vorgetragenen Erzählung, mit zurückgewonnener Ruhe und verschwebendem Klang, sehr rein intoniert. Eine behutsame Wanderung durch Einzel- und Doppeltöne auf einer und mehreren Saiten, leise verklingend.

Zum Abschluss das Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier in a-moll op. 40, zwischen 1900 und 1910 komponiert vom Österreicher Carl Frühling, hier gespielt von Pedro Franco Lopez, Klarinette, Dina Bolshakova am Cello und Marc Taratushkin am Flügel. Die Tonsprache ist der Romantik verbunden und lässt sich am ehesten in die Nähe von Johannes Brahms rücken. Im ersten Satz "Mäßig schnell (Allegro moderato)" dominiert zunächst die Klarinette, Bolshakovas sangliches Cello tritt hinzu, und beide erreichen, flankiert vom flinken Klavier, mitreissende Aufschwünge. Dann "Anmutig bewegt (Grazioso)", eine Passage im Walzertakt, Klarinette und Cello miteinander tanzend. Das ist Jugendstil in Noten, deliziös und akkurat, wie das Cello der Klarinette den Ton vom Munde abliest. Im folgenden "Andante" übernehmen Klavier und Cello die ersten Takte, dann verträumt von der Klarinette ergänzt, sich steigernd im Ausdruck. Vom Klavier auf eine Anhöhe geleitet, spielen alle drei stimmungsvoll und farbenreich, ein Wunder an sensibler Klanggestaltung. Schliesslich "Allegro vivace", flott im Klavier, spielerisch gefolgt von der Klarinette, launig accompagniert vom Cello. Das Klavier spielt den Wegweiser, rhythmisch aufs Feinste abgestimmt bis zum furiosen Schlusslauf.

Viel Beifall im vollbesetzten Saal für ein genussreiches Kammerkonzert, dem Hindemith-Beirätin Jutta von Haase mit einer Rose als Dank für alle Mitwirkenden noch besonderen Charme verleiht.


Mehr vom selben Autor: http://roedigeronline.de

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