"Haben Sie denn keine Oma, die das Kind abholen kann?"
Das war die erste Antwort, die ich von der städtischen Beratungsstelle für die Nachmittagsbetreuung von Schulkindern bekommen habe,meines Wissens die bisher einzige Einrichtung, die anlässlich des "geburtenstarken Jahrgangs" 2007-2008 ins Leben gerufen wurde.
Die Oma-Frage: Es war auf so mannigfaltige Weise nicht passend, dass ich nicht gleich wusste, wie ich reagieren soll. Es ist Tatsache, dass ich hörbar keine Bayerin (und nicht mal Deutsche) bin, was meine Beraterin hätte vermuten lassen können, dass die Chance auf eine in München wohnhafte Mutter zumindest um 50% niedriger ist: Es ist München im Jahr 2014. Zugezogene sind nicht die Ausnahme, vielmehr schon die Regel.
Zweitens: Wieso eine Oma? Was ist mit Opa? Der latente Sexismus, der davon ausgeht, dass nur eine Frau die Zeit und Fähigkeit hätte, ein Schulkind nachmittags zu betreuen, wirkt im 21. Jahrhundert auch fehl am Platz.
In der Tat wohnt meine Schwiegermutter am Stadtrand Münchens, aber wie viele Frauen, hat sie eine Arbeit, wie ich auch. Um Geld zu verdienen, um nicht von einem Mann abhängig zu sein, weil sie gerne arbeitet, alles die gleichen Gründe, die zu dem heutigen Mangel an Hortplätzen führt - eine Tatsache, die gerade unser Familienleben ins Unglück zu stürzen droht.
Und drittens: Ja, und wenn ich eine Oma habe, liegt es jetzt an ihr, die Lücken im bayerischen Bildungswesen zu stopfen? Ist das Ihr Ernst?
Das ist, glaube ich, der Kern der Sache. Nicht nur der Sexismus, der auch beharrlich noch in der Vorstellung lebt, dass eine große Zahl der Schulkinder hierzulande von einer Hausfrau oder in Teilzeit arbeitender Mutter von der Schule abgeholt werden können (und das in einer Großstadt, in der das Durchschnittsgehalt gerade noch die Monatsmiete abdeckt), nein, das Problem ist, dass das Schulsystem so sehr von dem Einsatz der Familie abhängt.
Bayern will auf kein bisschen Lernstoff verzichten, koste es was es wolle. Das hat man schon bei der eiskalten Einführung des G8 gesehen, und das gilt bei der Grundschule auch. Aber da die Grundschule hier - im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern - nur bis mittags geht, muss ein großer Teil des Lehrplanes zu Hause am Nachmittag rein getrichtert werden. Die Lösung war schon lange die Mama-Lösung, andernfalls die Oma-Lösung - ohne sie hätten sehr viele Kinder den Übertritt nicht geschafft - und für die wenigen anderen war ein Hortplatz übrig.
Aber diese Lösung ist auch lange nicht mehr ausreichend.
Nicht nur, weil inzwischen viele Mütter arbeiten, sondern auch, weil es zu einer unglaublichen Verstarrung und sozialer Lähmung in der Gesellschaft kommt. Die Kinder, die zu Hause die gleichen Mittel haben wie vormittags in der Schule - Bücher, die deutsche Sprache, genug Platz, motivierte Eltern - bleiben oben. Die anderen, die auf die mickrigen paar Stunden in der Grundschule wirklich angewiesen sind, haben es deutlich schwerer. Das sind natürlich viele Kinder, die aus bildungsfernen und/oder nichtdeutschsprachigen Kreisen kommen - und gerade sie haben es besser verdient.
Eine Ganztagsschule gleicht so einiges aus. Hausaufgaben entfallen, der Unterricht ist entspannter, die Kinder haben eine bessere Chance aufzuholen und die Schule gut zu schaffen. Ganz abgesehen von der Sache, dass eine Ganztagsschule auch die Gleichberechtigung der Eltern ermöglicht. Bayern muss langsam aufhören, Eltern (vor allem Mütter und, ja, auch Omas) als die Ergänzung des Grundschulsystems zu sehen und stattdessen endlich eine Schule für alle haben. Das habe ich auch der netten Frau in der städtischen Beratungsstelle erklärt, dass wir Eltern andere Lösungen suchen, nicht einfach eine Leihoma, weil unsere im Ausland wohnt oder nicht in der Lage ist, auf die Enkel aufzupassen.
Wir suchen übrigens noch mit wachsender Verzweiflung nach einem Ganztagsplatz für unseren Sohn. Die Suche läuft schon seit Januar, wir sind auf zahllosen Wartelisten und haben bisher nur Absagen kassiert, im Sprengelgebiet sowie auch anderswo in der Stadt. Wir brauchen die Nachmittagsbetreuung: Nicht weil wir beide karrierebesessen sind, nicht weil es die Oma nicht gibt, nicht mal um die Miete weiter bezahlen zu können, sondern weil wir unseren Sohn lieben und ihn in einer gleichberechtigten und gerechten Gesellschaft aufwachsen sehen wollen.
Noch sind wir meilenweit entfernt: Statt gleichen Chancen für alle, haben wir ein versteinertes Schulsystem, in dem die Zukunftschancen von zumindest einem Teil der Kinder tatsächlich von der Antwort auf diese Frage ankommt: "Haben Sie denn keine Oma?"
Das war die erste Antwort, die ich von der städtischen Beratungsstelle für die Nachmittagsbetreuung von Schulkindern bekommen habe,meines Wissens die bisher einzige Einrichtung, die anlässlich des "geburtenstarken Jahrgangs" 2007-2008 ins Leben gerufen wurde.
Die Oma-Frage: Es war auf so mannigfaltige Weise nicht passend, dass ich nicht gleich wusste, wie ich reagieren soll. Es ist Tatsache, dass ich hörbar keine Bayerin (und nicht mal Deutsche) bin, was meine Beraterin hätte vermuten lassen können, dass die Chance auf eine in München wohnhafte Mutter zumindest um 50% niedriger ist: Es ist München im Jahr 2014. Zugezogene sind nicht die Ausnahme, vielmehr schon die Regel.
Zweitens: Wieso eine Oma? Was ist mit Opa? Der latente Sexismus, der davon ausgeht, dass nur eine Frau die Zeit und Fähigkeit hätte, ein Schulkind nachmittags zu betreuen, wirkt im 21. Jahrhundert auch fehl am Platz.
In der Tat wohnt meine Schwiegermutter am Stadtrand Münchens, aber wie viele Frauen, hat sie eine Arbeit, wie ich auch. Um Geld zu verdienen, um nicht von einem Mann abhängig zu sein, weil sie gerne arbeitet, alles die gleichen Gründe, die zu dem heutigen Mangel an Hortplätzen führt - eine Tatsache, die gerade unser Familienleben ins Unglück zu stürzen droht.
Und drittens: Ja, und wenn ich eine Oma habe, liegt es jetzt an ihr, die Lücken im bayerischen Bildungswesen zu stopfen? Ist das Ihr Ernst?
Das ist, glaube ich, der Kern der Sache. Nicht nur der Sexismus, der auch beharrlich noch in der Vorstellung lebt, dass eine große Zahl der Schulkinder hierzulande von einer Hausfrau oder in Teilzeit arbeitender Mutter von der Schule abgeholt werden können (und das in einer Großstadt, in der das Durchschnittsgehalt gerade noch die Monatsmiete abdeckt), nein, das Problem ist, dass das Schulsystem so sehr von dem Einsatz der Familie abhängt.
Bayern will auf kein bisschen Lernstoff verzichten, koste es was es wolle. Das hat man schon bei der eiskalten Einführung des G8 gesehen, und das gilt bei der Grundschule auch. Aber da die Grundschule hier - im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern - nur bis mittags geht, muss ein großer Teil des Lehrplanes zu Hause am Nachmittag rein getrichtert werden. Die Lösung war schon lange die Mama-Lösung, andernfalls die Oma-Lösung - ohne sie hätten sehr viele Kinder den Übertritt nicht geschafft - und für die wenigen anderen war ein Hortplatz übrig.
Aber diese Lösung ist auch lange nicht mehr ausreichend.
Nicht nur, weil inzwischen viele Mütter arbeiten, sondern auch, weil es zu einer unglaublichen Verstarrung und sozialer Lähmung in der Gesellschaft kommt. Die Kinder, die zu Hause die gleichen Mittel haben wie vormittags in der Schule - Bücher, die deutsche Sprache, genug Platz, motivierte Eltern - bleiben oben. Die anderen, die auf die mickrigen paar Stunden in der Grundschule wirklich angewiesen sind, haben es deutlich schwerer. Das sind natürlich viele Kinder, die aus bildungsfernen und/oder nichtdeutschsprachigen Kreisen kommen - und gerade sie haben es besser verdient.
Eine Ganztagsschule gleicht so einiges aus. Hausaufgaben entfallen, der Unterricht ist entspannter, die Kinder haben eine bessere Chance aufzuholen und die Schule gut zu schaffen. Ganz abgesehen von der Sache, dass eine Ganztagsschule auch die Gleichberechtigung der Eltern ermöglicht. Bayern muss langsam aufhören, Eltern (vor allem Mütter und, ja, auch Omas) als die Ergänzung des Grundschulsystems zu sehen und stattdessen endlich eine Schule für alle haben. Das habe ich auch der netten Frau in der städtischen Beratungsstelle erklärt, dass wir Eltern andere Lösungen suchen, nicht einfach eine Leihoma, weil unsere im Ausland wohnt oder nicht in der Lage ist, auf die Enkel aufzupassen.
Wir suchen übrigens noch mit wachsender Verzweiflung nach einem Ganztagsplatz für unseren Sohn. Die Suche läuft schon seit Januar, wir sind auf zahllosen Wartelisten und haben bisher nur Absagen kassiert, im Sprengelgebiet sowie auch anderswo in der Stadt. Wir brauchen die Nachmittagsbetreuung: Nicht weil wir beide karrierebesessen sind, nicht weil es die Oma nicht gibt, nicht mal um die Miete weiter bezahlen zu können, sondern weil wir unseren Sohn lieben und ihn in einer gleichberechtigten und gerechten Gesellschaft aufwachsen sehen wollen.
Noch sind wir meilenweit entfernt: Statt gleichen Chancen für alle, haben wir ein versteinertes Schulsystem, in dem die Zukunftschancen von zumindest einem Teil der Kinder tatsächlich von der Antwort auf diese Frage ankommt: "Haben Sie denn keine Oma?"
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