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Hong Kong als Tor für europäische Filmemacher nach China

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Hong Kong, die Millionenstadt und chinesische Sonderverwaltungszone (SAR) am Perlflussdelta, sucht nach Identität und kultureller Eigenständigkeit, um sich vom übermächtigen Mutterland abzusetzen. Gerade im Filmbereich musste sich Hong Kong komplett neu erfinden, denn die Hochzeit der Action-, Polizei- und Martial Arts-Filme aus Hong Kong ist definitiv vorbei. Diese Goldene Zeit des Hong Kong-Kinos reichte bis etwa in die Mitte der 2000er Jahre, dann war relativ abrupt Schluss.

Seitdem findet sich die Filmbranche der 7-Millionen-Einwohner-Stadt neu - in China. Im vergangenen Jahr wurden nach Auskunft von Cheung Chi-sing, stellvertretender Vorsitzender der Federation of Hong Kong Filmmakers in der Stadt selber weniger als 30 Filme gedreht - ein neues Tief. Um arbeiten zu können, weichen Filmemacher und Produktionshäuser aus Hong Kong nach China aus.

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vlnr: Cheung Chi Sing, Liz Shackelton (Asienkorrespondentin Screen International), Chen Bin

In gewisser Weise eine Win-Win-Situation, denn: „Hong Kong braucht Chinas Geld und China braucht Hong Kongs Kreative", wie es der Hollywood Reporter schon vor einigen Jahren formulierte. Zwar weiß man auf dem Festland mittlerweile ziemlich gut wie man Filme macht, dennoch ist der chinesische Markt so groß, dass er einen immensen Bedarf an Film hat zumal China den Zugang ausländischer Filme auf den heimischen Markt mit einer Quote strikt reguliert. 71 Prozent des Umsatzes an den Kassen der mehr als 18.000 chinesischen Kinoleinwände in Höhe von 3,6 Milliarden US-Dollar haben einheimische Filme gemacht, zu denen auch Koproduktionen mit Hong Kong gehören - und der Markt wächst in einer rasanten Geschwindigkeit weiter. Im vergangenen Jahr kamen über 5000 Leinwände hinzu, eine Zahl, die auch für die nächsten Jahre erwartet wird.

Eine Zunahme der Leinwände bedeutet in erster Linie, dass mehr Kinos zu den Menschen kommen und nicht, dass auch mehr Filme benötigt werden. Dennoch wird auch in China wie in jedem anderen Filmland auch nach guten Geschichten für das Kino gesucht. Und ähnlich wie in Deutschland könnte es mehr erfolgreiche Filme geben. Zumal ein Film in China innerhalb weniger, meist zwei, Wochen durch ist. „Captain America 2" hat binnen 10 Tagen 6,5 Mio. Zuschauer gehabt, die gleich lang laufende Hong Kong/China-Koproduktion „The Truth About Beauty" 1,1 Mio. Damit ist sie die erfolgreichste 'einheimische' Produktion unter den Top 10 der KW 15, unter denen sich fünf US, drei chinesische und zwei Koproduktionen aus HK und China befinden.

Dass Filmemacher aus China und Hong Kong ihr Handwerk verstehen, hat gerade erst die Berlinale gezeigt, wo „Black Coal, Thin Ice", eine Koproduktion zwischen Hong Kong und China nicht nur den Hauptpreis des Festivals, den Goldenen Bären, sondern auch den Silbernen Bären für den Besten Darsteller, abgeräumt. Dass bei der Berlinale ein Film zwei Preise bekommt, ist extrem selten. Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben sollten die ebenfalls bei der Berlinale gezeigten „No Man's Land" aus der Volksrepublik sowie „That Demon Within" und der abstruse Endzeitfilm „The Midnight After" - beide aus Hong Kong - sein, da sie sehr schön die Lebendigkeit und Kreativität der Produktionslandschaft Chinas und Hong Kongs zeigen.

Gleichzeitig kommen Hong Kongs Filmemacher mit einem sehr geringen Budget aus. Ein Hong Kong-Film kann nicht mehr als etwa 2,2 Mio. Euro kosten, da er sonst nicht refinanzierbar ist. Bis zu 35 Prozent des Budgets können aber vom Hong Kong Film Development Council gefördert werden.

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Hong Kong Island: Blick auf den Bezirk Central

Während Filmemacher in Hong Kong keiner Zensur unterworfen sind, gelten in China strikte Regeln was die Darstellung von Gewalt, Sex, Politik oder Horror angeht. Regeln, die die Entwicklung der Filmindustrie bremsen, weshalb während der diesjährigen Ausgabe des Filmart, dem jährlich im März in Hong Kong stattfindenden, größten Filmmarkts Asiens, darüber spekuliert wurde, inwieweit der Bedarf nach publikumsaffinen Filmen die Zensur aufweichen wird und wenn ja, wie lange es dann noch dauert. 2013, so Cheung Chi-sing, lagen der chinesischen Filmzensur ca. 700 Drehbücher zur Begutachtung vor, aber nur rund 200 wurden genehmigt.

Diese Situation nutzt im Übrigen Koproduktionen, wenn sie nicht in China gedreht werden. Die von der Zensur besonders beargwöhnten Punkte fallen keiner Vorzensur zum Opfer. Kommt der Film in China in die Kinos (da er ja eine chinesische Produktion ist) ist es wahrscheinlicher, dass die Szenen ganz oder in der ein oder anderen Form bearbeitet, erhalten bleiben.

Inwieweit Koproduktionen mit China oder - in Bezug auf den chinesisch-asiatischen Markt - mit Hong Kong ein belastungsfähiges Modell darstellen, ist nicht ausgemacht. Die USA sehen den immens großen chinesischen Markt, der stetig wächst und bereits der zweitgrößte Filmmarkt nach dem US-Markt ist. Während des Filmart war Jedem klar, dass es nur eine Sache von wenigen Jahren ist, dass China zum größten Markt aufsteigt, weshalb sich auch alle Industriegespräche darauf konzentrierten, wie man diesen Markt für sich nutzen kann. Die US-Studios setzen alles daran sich als wichtiger Player zu positionieren.

Noch gibt es ein Quote von 34 ausländischen Filmen, die in China auf Basis einer Gewinnteilung ausgewertet werden können. Die Meisten davon sind US-Provinienz. Um dies zu umgehen, bieten sich Koproduktion, chinesische Remakes oder Joint Ventures für chinesische Produktionen an. Auch andersherum wird ein Schuh draus. Die in Beijing ansässige Produktionsfirma DMG Entertainment ist zum Beispiel Koproduzent der „Twilight"-Saga oder von „Iron Man 3". „Mit unserem Engagement möchten wir chinesische Elemente einbinden und China gegenüber unseren Partnern darstellen", so Chen Bin, Vizepräsident der DMG Entertainment and Media Group während des Filmart.

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Blick auf den Bezirk Wan Chai auf Hong Kong Island: zwischen dem Convention Center (flaches Gebäude links), in dem die Filmmesse Filmart stattfindet und dem Pier in Central entsteht auf aufgeschütteten Land im Victoria Harbour eine Promenade.

Natürlich können sich Europäer nicht in diesem großen Maß in China und Hong Kong engagieren, allerdings gibt es auch hier Möglichkeiten, die es auszuloten gilt. Das kann man allerdings nur vor Ort und auch nur wenn man regelmäßig nach China fährt. Kontakte dorthin bedürfen der Pflege. Zwar sind Chinesen knallharte Geschäftsleute, aber es bedarf auch einer Basis des Vertrauens und Kennen Lernens. Der beste Ort dafür ist aus europäischer Sicht die Filmmesse in Hong Kong. Einerseits fühlt man sich in der Stadt nie verloren oder wirklich fremd.

Anderseits ist der Filmart für die chinesischen Produzenten und Vertriebe der wichtigste Marktplatz, so dass sie auch alle anwesend sind und mit dem Hong Kong - Asia Film Financing Forum gibt es einen Kofinanzierungsmarkt, auf dem junge, aber auch bekanntere Talente, Partner suchen. Und zu guter Letzt ist gerade das europäisch-chinesische Autorenprogramm 'Briding the Dragon' ins Leben gerufen worden, mit dessen Hilfe ab 2015 pro Jahr 14 Projekte mit europäisch-chinesischen Themen entwickelt werden sollen.

Wer im Filmbereich über seinen europäischen Tellerrand hinaus schaut und weiß, dass die Zukunft nicht in Europa sondern in Asien liegt, hat jetzt die besten Chancen.

(c) alle Fotos: beim Autor

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