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Bald bricht die AfD auseinander

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Der Eifeler, der nach Köln will, fährt mit seinem Auto bis zum Stadtrand, wo er umsonst parkt. Landeiern wird von der Benutzung des eigenen PKWs auf den Straßen Köln dringend abgeraten. Der Eifeler kauft sich eine Tageskarte und setzt sich in die nächste U-Bahn. Doch heute streiken die öffentlichen Verkehrsmittel Kölns und der 1. FC Köln weigert sich zu spielen, auf dass der öffentliche Verkehr wider rolle. So fällt die U-Bahn aus. Ich nehme den Zug.

Der Kölner Hauptbahnhof ist groß, dunkel und laut, schmutziger als der Bahnhof von Brück. Überall stehen Leute in langen Schlangen an, um Essbares zu kaufen. Ich erkenne niemanden und keiner kennt mich. Großstadt. Der Dom ist über eine breite und steile Treppe zu erklimmen, die mit Touristen belegt ist. Von der Domplatte aus kann jeder Punkt der Altstadt bequem angegangen werden. Die Sonne scheint, die Luft ist verbraucht, auch außerhalb des Bahnhofs reden die Passanten sehr laut, meist zu sich selbst mit Handystöpseln an beiden Ohren. Ich kaufe mir unterwegs zwei Brezeln, die ich mit einem Eifeler-Rabatt von einem zuvorkommenden polnischen Verkäufer erwerbe.

Ich komme an. Auf dem Vorplatz vor dem Hotel stehen einige Polizeiwagen ungeordnet herum und versperren die Wege. Die Polizisten schreien in ihren modernen digitalen Sprechgeräte, die sie wohl auf leise eingestellt haben. Sie wollen eine Gegendemonstration im Zaum halten. Es wird keine Demonstration geben. Streik, wohin man hinblickt.

Das Hotel wirkt futuristisch und sauber. Die großen Eingänge sind verbarrikadiert, eine einzige schmale Glastür steht nicht-einladend offen. Niemand kontrolliert die Hotelbesucher, die sich durch die Türe zwängen. Der Fahrstuhl ist Hotelgästen vorbehalten. Ich steige die Treppe hinauf.

Ich komme zu früh, werde dennoch bedient. Ich lege die unterschriebene Aufforderung vor. Ich verpflichte mich, keine Videos über 10 Minuten zu drehen, alle Bilder der Veranstaltung zuzuordnen, keine Saalordner zu fotografieren, meine Eintrittskarte sichtbar zu tragen und alle Anweisungen der weisungsbefugten Saalordnern ohne Murren zu befolgen. Ansonsten droht eine hohe Geldstrafe, die ich niemals bezahlen werde. Die sinnlose Bürokratie erinnert mich an die Einreise in Moskau, als die Sowjetunion noch keine lupenreine Demokratie gewesen ist.

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Der Saal, den ich betrete, ist ein Abglanz des Raumes, den Putin benutzt, um handverlesenen Journalisten seine Direktiven mitzuteilen. Spiegel an den Wänden sollen Größe vermitteln, die gläsernen Lüster von der Decke funkeln grell, verbreiten eine düstere Atmosphäre. Etwa 30 Journalisten trudeln ein und belegen in lockerer Formation die ersten Reihen. Die beschrifteten Stuhllehnen sind den Medien zugeordnet. Neben der Huffington Post sind Zeit, Spiegel, ARD, WDR und einige Blogger vom rechten Rand da.

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Die Veranstaltung beginnt pünktlich. Nur Journalisten, Saalordner und ausgesuchte Parteimitglieder der Alternative für Deutschland AfD sind zugegen. Der Ehrengast kommt aus England, heißt Nigel Farage und ist Vorsitzender der Britischen euroskeptischen Partei, wie er sich auszudrücken beliebt. Er sieht sympathisch aus und ist wie jeder Engländer dezent unmöglich gekleidet, was an seinen grellen Strümpfen auszumachen ist. Er spricht ein einfaches deutliches Englisch, das jeder Anwesende sofort versteht. Die Veranstaltung ist von der Jungen AfD, der JA als Bildungsveranstaltung organisiert. Der Vorsitzende Lucke ist dagegen, erscheint deshalb nicht.

Der Brite mit den grellen Strümpfen breitet vor den Journalisten seine Ideen aus. Er will nicht in Libyen, Syrien und der Ukraine kämpfen; keinen €, sondern eine stabile Währung; keine europäische politische Union, kein Europa-Parlament, keinen Europäischen Rat, keine undemokratische EU; er bevorzugt die EWG; er will die Europawahlen gewinnen, um mit der AfD eine starke Fraktion zu bilden, da dadurch mehr Geld fließt; er ist gegen ein europäisches Imperium; er ist von Nationalität Engländer, kein Europäer; er liebt Plebiszite und Martin Schulz, das „Gesicht" des zukünftigen Europas, welches die Wähler seiner Partei und auch der AfD zutreiben wird; er sorgt sich um die Sicherheit und die Demokratie in Europa.

Anschließend dürfen die Journalisten ihre Fragen stellen, die von Mr. Farage und einigen offiziellen AfD-lern korrekt, ja freundlich beantwortet werden. Dann gibt der Brite mehrere Privataudienzen an von ihm ausgewählten Medien. Die hübsche und kluge Vertreterin der Zeit lehnt sein Angebot ab.

Nun darf das AfD-Wahlvolk den Spiegelsaal betreten. Wie befürchte wird es laut. 300 zusätzliche Begeisterte nehmen ihre Plätze ein. Die vorderen drei Reihen sind den Journalisten und gewichtigen Gästen vorbehalten. Eine Seitentür wird geöffnet. Mr. Nigel marschiert zur Bühne ohne Zepter, Krone und Fanfare, die er nicht benötigt. Das Wahlvolk, welches den Briten nicht wählen darf, erhebt sich von den Sitzen und klatscht begeistert. Für russische Verhältnisse zu kurz. Die Journalisten bleiben in Schockstarre sitzen.

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Mehrere Partei-Offizielle halten ihre Reden. Sie sagen dasselbe wie vorher, als nur die wenigen Journalisten ohne das Gehudel anwesend gewesen sind. Doch dieses zweite Mal klingt alles aggressiv populistisch. Mr. Nigel spricht ist viel über fehlende europäische Freiheit, Patriotismus und bösartigen Medien, die in diesem Saal sitzen. Er lässt sich vom frenetischen Beifall des Gehudels nicht unterbrechen. Seine Rede endet in Standing Ovations, an denen die Journalisten erneut nicht teilnehmen. Dieses erinnert mich an die Ostermessen im Kölner Dom und anderswo in Europa zu Zeiten des ausgehenden Mittelalters. Die ungläubigen Juden wurden in die ersten drei Reihen der Kirche gepfercht und mussten sich die religiösen Judenhasspredigten der Bischöfe bis zum Ende des Gottesdienstes anhören, bevor sie unter Spießruten die heiligen Hallen verließen.

Als Abschiedsgeschenk erhält der sympathische Brite ein Aluminiumfass Kölsch in einer tragbaren Größe. Die Veranstaltung wird abrupt beendet. Gehudel und Journalisten strömen nach draußen, wo eine Spendenkasse den Weg versperrt. Die Nacht ist angenehm kühl und still. Im Bahnhof wartet der Zug. In zwei Tagen bricht die AfD auseinander.



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