Früher war alles einfacher, besser, schon immer. So auch bei der politischen Kommunikation. Zum Regieren brauche er, so meinte der damalige Kanzler Gerhard Schröder zu Beginn seiner ersten Amtszeit am Ende des vergangenen Jahrtausends, lediglich "Bild, BamS und Glotze". Es sei dahingestellt, ob diese legendären Worte überhaupt jemals so gefallen sind, aber auf jeden Fall hat sich seitdem eine Menge getan.
Die Veränderung begann eigentlich bereits zu Beginn der neunziger Jahre, konkret im Jahr 1995, als mit dem Börsengang der Firma Netscape das Mitmach-Internet für jeden einen gewaltigen Schub bekam. Viele unterschätzten die Bedeutung dieser technischen Revolution, wahrscheinlich weil die mediale Aufmerksamkeit der Eliten sich auf Ereignisse am Persischen Golf, in Nahost und auf dem Balkan richtete.
Diese industrielle Revolution wirbelt bis heute vieles durcheinander: traditionelle Produktionsmethoden und Geschäftsmodelle änderten sich von Grund auf, ebenso die Kommunikationsformen. Richtig deutlich wurde das den meisten erst, als sich ein gutes Dutzend Jahre später ein politischer Niemand aus Illinois um das Präsidentenamt bewarb und tatsächlich gewann. Obamas Wahlkampf war fast schon unfair, denn mit Hilfe der technischen Moderne siegte er souverän gegen die analoge Hemdsärmeligkeit des politischen Establishments.
Weltweit veränderte sich nach diesem Wahlkampf vieles in Sachen Kommunikation, auch hier in Deutschland. Und überall haben die Akteure Schwierigkeiten, sich mit den neuen Zeiten zu arrangieren. Seien es Politiker wie etwa Peer Steinbrück, die stolz bekannten, nicht zu twittern, aber auch Journalisten, die sich in der Bundespressekonferenz im März 2011 öffentlich darüber beschwerten, dass Regierungssprecher Seibert per Twitter kommuniziere.
Reden halten, Denkschriften verfassen, Interviews geben, Hintergrundgespräche führen, was wird aus den traditionellen Formen politischer Kommunikation? Früher glaubten Kulturpessimisten, dass alles nur noch amüsanter würde, also die Ernsthaftigkeit, die Seriosität verschwände. Dann wurde groß darüber Klage geführt, dass sich die öffentliche Debatte vom Parlament in die TV-Talkshows verlagere. Aber mal ehrlich: Sind TV-Talkshows wirklich so bedeutsam, um Themen zu adressieren, also fürs Agenda Setting, wie Polit-Gourmets es nennen?
Klar ist, dass sich etwas verändern muss, weil sich die Informationskultur der Gesellschaft ja auch gewandelt hat: Laut der täglich durch die GFK ermittelten Quoten, erreicht man weit mehr als die Hälfte der unter 50-jährigen, geschweige denn die unter 30-Jährigen nicht mehr via Öffentlich-rechtliches Fernsehen, also gerade jenen Kommunikationskanälen, in denen ein Großteil der Politik-Kommunikation im TV stattfindet. Auch lesen diese Bevölkerungsteile, insbesondere die unter 30-jährigen immer seltener Zeitung, sind aber online hoch aktiv, wie der Branchenverband BITKOM herausfand.
Wer sein Wahlvolk erreichen will, muss sein mediales Verhalten also ändern. Nur wie? Was braucht es? Mediencharisma, kamerataugliches Lächeln, freche (kurze) Sprüche und eine geschickt verpackte Themensetzung? Muss man wie Obama alle digitalen Kanäle bespielen? Angela Merkel hat sowohl eine persönliche als auch eine Kanzlerinnen-Webseite. Sie ist auf Facekook aktiv, lässt twittern, flickern, macht ihren Kanzlerinnenpodcast, das Highlight der Regierungs-Mediathek. Auch gibt es einen Youtube-Kanal der Bundesregierung.
Werden Massenmedien überhaupt noch benötigt? Und wäre es für Politiker nicht verführerisch, endlich ohne nachfragende Reporter leben zu können?
Wo geht's hin? Und ist sie überhaupt ausschließlich gut, diese schöne neue Digital-Welt? Was, wenn es keine relevanten Medien mehr gibt oder man sie umgehen kann?
In den USA ist bereits zu erahnen, wo es hingehen könnte: Einem gewissen Rand Paul gelang es in Kentucky die Senats-Vorwahlen der Republikaner zu gewinnen. Seine Massenkommunikation über die neuen Kanäle war im Wahlkampf sehr erfolgreich. Direkt nach dem Sieg schauten landesweit Medien auf den gelernten Augenarzt, staunten was da im Süden gewählt worden war, ohne dass ihn jemand vorher kritisch unter die Lupe genommen hätte. TV-Moderatorin Rachel Maddow grillte Dr. Paul live im Fernsehen wegen seiner Auffassung, die US-Regierung habe in den Sechzigern mit dem Civil Rights Act, der unter anderem die Rassentrennung aufhob, ihre Rolle überschritten, indem sie der Privatwirtschaft Vorschriften machte. Bereits im Interview ruderte Dr. Paul zurück, beharrt jedoch im 2. Teil des Interviews darauf, dass, wenn er damals dabei gewesen wäre, er den Teil des Gesetzestextes über die Privatwirtschaft hart diskutiert hätte. Aber nichtsdestotrotz: seit 2011 sitzt Rand Paul im US-Senat.
Was ist also die Zukunft der politischen Kommunikation? Wo geht's hin? Das ist das Thema der nächsten UdLDigital Talkshow mit Regierungssprecher Steffen Seibert und dem designierten Bild.de-Chef Julian Reichelt. Was glauben Sie? Huffington Post-Leser können per Frage dabei sein.
Mailen Sie mir Ihre Fragen: cherno@huffingtonpost.de Die interessantesten Punkte werde ich in die Talkshow einbauen.
Cherno Jobatey auf Twitter folgen: https://twitter.com/chernojobatey
Die Veränderung begann eigentlich bereits zu Beginn der neunziger Jahre, konkret im Jahr 1995, als mit dem Börsengang der Firma Netscape das Mitmach-Internet für jeden einen gewaltigen Schub bekam. Viele unterschätzten die Bedeutung dieser technischen Revolution, wahrscheinlich weil die mediale Aufmerksamkeit der Eliten sich auf Ereignisse am Persischen Golf, in Nahost und auf dem Balkan richtete.
Diese industrielle Revolution wirbelt bis heute vieles durcheinander: traditionelle Produktionsmethoden und Geschäftsmodelle änderten sich von Grund auf, ebenso die Kommunikationsformen. Richtig deutlich wurde das den meisten erst, als sich ein gutes Dutzend Jahre später ein politischer Niemand aus Illinois um das Präsidentenamt bewarb und tatsächlich gewann. Obamas Wahlkampf war fast schon unfair, denn mit Hilfe der technischen Moderne siegte er souverän gegen die analoge Hemdsärmeligkeit des politischen Establishments.
Weltweit veränderte sich nach diesem Wahlkampf vieles in Sachen Kommunikation, auch hier in Deutschland. Und überall haben die Akteure Schwierigkeiten, sich mit den neuen Zeiten zu arrangieren. Seien es Politiker wie etwa Peer Steinbrück, die stolz bekannten, nicht zu twittern, aber auch Journalisten, die sich in der Bundespressekonferenz im März 2011 öffentlich darüber beschwerten, dass Regierungssprecher Seibert per Twitter kommuniziere.
Reden halten, Denkschriften verfassen, Interviews geben, Hintergrundgespräche führen, was wird aus den traditionellen Formen politischer Kommunikation? Früher glaubten Kulturpessimisten, dass alles nur noch amüsanter würde, also die Ernsthaftigkeit, die Seriosität verschwände. Dann wurde groß darüber Klage geführt, dass sich die öffentliche Debatte vom Parlament in die TV-Talkshows verlagere. Aber mal ehrlich: Sind TV-Talkshows wirklich so bedeutsam, um Themen zu adressieren, also fürs Agenda Setting, wie Polit-Gourmets es nennen?
Klar ist, dass sich etwas verändern muss, weil sich die Informationskultur der Gesellschaft ja auch gewandelt hat: Laut der täglich durch die GFK ermittelten Quoten, erreicht man weit mehr als die Hälfte der unter 50-jährigen, geschweige denn die unter 30-Jährigen nicht mehr via Öffentlich-rechtliches Fernsehen, also gerade jenen Kommunikationskanälen, in denen ein Großteil der Politik-Kommunikation im TV stattfindet. Auch lesen diese Bevölkerungsteile, insbesondere die unter 30-jährigen immer seltener Zeitung, sind aber online hoch aktiv, wie der Branchenverband BITKOM herausfand.
Wer sein Wahlvolk erreichen will, muss sein mediales Verhalten also ändern. Nur wie? Was braucht es? Mediencharisma, kamerataugliches Lächeln, freche (kurze) Sprüche und eine geschickt verpackte Themensetzung? Muss man wie Obama alle digitalen Kanäle bespielen? Angela Merkel hat sowohl eine persönliche als auch eine Kanzlerinnen-Webseite. Sie ist auf Facekook aktiv, lässt twittern, flickern, macht ihren Kanzlerinnenpodcast, das Highlight der Regierungs-Mediathek. Auch gibt es einen Youtube-Kanal der Bundesregierung.
Werden Massenmedien überhaupt noch benötigt? Und wäre es für Politiker nicht verführerisch, endlich ohne nachfragende Reporter leben zu können?
Wo geht's hin? Und ist sie überhaupt ausschließlich gut, diese schöne neue Digital-Welt? Was, wenn es keine relevanten Medien mehr gibt oder man sie umgehen kann?
In den USA ist bereits zu erahnen, wo es hingehen könnte: Einem gewissen Rand Paul gelang es in Kentucky die Senats-Vorwahlen der Republikaner zu gewinnen. Seine Massenkommunikation über die neuen Kanäle war im Wahlkampf sehr erfolgreich. Direkt nach dem Sieg schauten landesweit Medien auf den gelernten Augenarzt, staunten was da im Süden gewählt worden war, ohne dass ihn jemand vorher kritisch unter die Lupe genommen hätte. TV-Moderatorin Rachel Maddow grillte Dr. Paul live im Fernsehen wegen seiner Auffassung, die US-Regierung habe in den Sechzigern mit dem Civil Rights Act, der unter anderem die Rassentrennung aufhob, ihre Rolle überschritten, indem sie der Privatwirtschaft Vorschriften machte. Bereits im Interview ruderte Dr. Paul zurück, beharrt jedoch im 2. Teil des Interviews darauf, dass, wenn er damals dabei gewesen wäre, er den Teil des Gesetzestextes über die Privatwirtschaft hart diskutiert hätte. Aber nichtsdestotrotz: seit 2011 sitzt Rand Paul im US-Senat.
Was ist also die Zukunft der politischen Kommunikation? Wo geht's hin? Das ist das Thema der nächsten UdLDigital Talkshow mit Regierungssprecher Steffen Seibert und dem designierten Bild.de-Chef Julian Reichelt. Was glauben Sie? Huffington Post-Leser können per Frage dabei sein.
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