Adrian Hoppel designt Webseiten. Er ist ehrgeizig, ein echter Computer-Freak. Gerade hat er 40 Stunden ohne Pause durchgearbeitet, um den Abgabe-Termin für ein Projekt einzuhalten. Und am Ende war all die Mühe: umsonst. Wie immer. Hoppel verlangt von Kunden kein Geld für seine Arbeit.
Der US-Amerikaner aus Philadelphia ist Vertreter der Schenk-Wirtschaft. Die Anhänger dieser Bewegung verschenken Waren und Dienstleistungen.
Meistens bekommen sie dafür etwas zurück, weil sich die Empfänger bedanken wollen: Geld, andere Waren, andere Dienstleistungen. Manchmal auch nicht. Der Gegenwert ist nicht vertraglich vereinbart.
Bankenkrise, Finanzkise, Eurokrise: Das Vertrauen in die Wirtschaft schrumpft
Klingt zunächst nach versponnener Sozial-Utopie. Wer soll denn so Miete und Essen bezahlen? Und doch schließen sich immer mehr Menschen der sogenannten Gift Economy an, weil sie das Vertrauen in die Wirtschaft verloren haben. Bankenkrise, Finanzkrise, Eurokrise: Den Mächtigen scheinen die Antworten auszugehen auf die Probleme dieser Welt.
Es muss anders gehen. Das dachte sich auch Adrian Hoppel, der früher bei einer großen amerikanischen Firma arbeitete. Mit Ende 20 war er schon in die Chef-Etage aufgestiegen und verdiente viel Geld. Trotzdem fühlte er sich leer. „Jeden Tag kam ich mir wie ein Schauspieler vor, der ein maßgeschneidertes Kostüm trägt und auswendig gelernte Sätze aufsagt“, erinnert sich Hoppel. Er lebte ein Leben ohne Sinn.
Bis er ein Buch des Kapitalismus-Kritikers Charles Eisenstein las: „Ökonomie der Verbundenheit“. Eisenstein hält die Schenk-Wirtschaft für das einzige System mit Zukunft. Die Idee: Zurückkehren zu einer Gesellschaft, in der die Menschen einander helfen, statt sich selbst zu bereichern.
Umsonst essen, umsonst shoppen, umsonst zum Arzt gehen
Die Bewegung wächst. Das Unternehmen „Panera Bread“ betreibt in den USA Fast-Food-Läden. Das Essen ist kalorienärmer und gesünder als in Burger-Buden, ansonsten ist „Panera Bread“ eine normale Restaurant-Kette mit fast 2000 Läden. Fast normal. Denn 2010 eröffnete sie ein Café, in dem die Gerichte keinen festen Preis haben. Die Gäste entscheiden selbst, wie viel sie zahlen. Und das funktioniert. Inzwischen gibt es fünf dieser Cafés, die etwa 70 Prozent des Umsatzes bringen, den die traditionellen Filialen machen.
Eine Anwaltskanzlei in Chicago berechnet Klienten keinen Stundensatz, sie zahlen so viel sie können – oder wollen. Die Ärzte der „Karma Klinik“ im kalifornischen Berkeley behandeln ihre Patienten nach demselben Prinzip. Und Bands wie Radiohead überlassen es ihren Fans, ob und welchen Preis sie für den Download ihrer Musik zahlen.
Auch in Deutschland ist die Schenk-Wirtschaft angekommen. In den meisten großen Städten gibt es sogenannte „Umsonstläden“, 2012 waren es 61. Dort geben Menschen Gegenstände ab, die sie nicht mehr brauchen. Andere können diese Dinge kostenlos mitnehmen. Die Besucher müssen nicht bedürftig sein, sie müssen auch nicht selbst etwas abgeben. Ladenmiete und andere Kosten finanzieren die Betreiber über Spenden.
In Berlin richten Anhänger der Schenk-Wirtschaft „Giveboxen“ ein, das sind Regale, Telefonzellen oder Häuschen auf der Straße. Auch hier können Passanten umsonst Bücher, Kleidung, oder CDs mitnehmen, die andere nicht mehr haben wollen. Leer sind diese Boxen nie.
Was nichts kostet, ist nichts wert - oder?
Hoppel, damals schon Vater von drei Kindern, machte sich 2012 selbstständig – als Webdesigner, der seinen Kunden keine Rechnung stellt.
Ein bisschen Angst hatte er schon. Was, wenn von den Kunden nichts zurückkommt? Wenn sie über seine Dummheit lachen und sich nie wieder melden? Der erste Kunde war ein lokaler Fußballverein. Die Vorstandsmitglieder wunderten sich zuerst über Hoppels Geschäftsmodell, das keines sein will. Was nichts kostet, ist nichts wert – oder? Sie ließen sich trotzdem darauf ein. Als die Internetseite fertig war, stimmten sie darüber ab, wie viel ihnen das Ergebnis wert ist und bezahlten Hoppel.
Heute kann Hoppel von seinem Job leben. Bisher bekam er für seine Arbeit immer etwas zurück, meistens Geld, weil das am einfachsten ist. Ein Projekt bringt ihm je nach Aufwand zwischen 600 und 3.800 Dollar. „Ich verdiene nicht annähernd soviel wie früher“, sagt Hoppel. Manche Monate sind hart, andere laufen besser. Seine Frau arbeitet auch. Vor ein paar Monaten kam das vierte Kind, irgendwie hat das Geld bisher immer gereicht.
Dass er einmal ein Manager in Armani-Anzügen, mit glattrasierten Wangen und Gel im Haar war, sieht ihm heute keiner an. Er lässt sich eine Lockenmähne wachsen, rasiert seinen Bart nur ab, wenn er Lust dazu hat und kommt sich endlich nicht mehr verkleidet vor. „Meine Freunde sagen, ich hätte mich verändert. Aber das stimmt nicht. Ich bin bloß aufgewacht. Ich habe zu mir selbst gefunden“, sagt Hoppel.
Der US-Amerikaner aus Philadelphia ist Vertreter der Schenk-Wirtschaft. Die Anhänger dieser Bewegung verschenken Waren und Dienstleistungen.
Meistens bekommen sie dafür etwas zurück, weil sich die Empfänger bedanken wollen: Geld, andere Waren, andere Dienstleistungen. Manchmal auch nicht. Der Gegenwert ist nicht vertraglich vereinbart.
Bankenkrise, Finanzkise, Eurokrise: Das Vertrauen in die Wirtschaft schrumpft
Klingt zunächst nach versponnener Sozial-Utopie. Wer soll denn so Miete und Essen bezahlen? Und doch schließen sich immer mehr Menschen der sogenannten Gift Economy an, weil sie das Vertrauen in die Wirtschaft verloren haben. Bankenkrise, Finanzkrise, Eurokrise: Den Mächtigen scheinen die Antworten auszugehen auf die Probleme dieser Welt.
Es muss anders gehen. Das dachte sich auch Adrian Hoppel, der früher bei einer großen amerikanischen Firma arbeitete. Mit Ende 20 war er schon in die Chef-Etage aufgestiegen und verdiente viel Geld. Trotzdem fühlte er sich leer. „Jeden Tag kam ich mir wie ein Schauspieler vor, der ein maßgeschneidertes Kostüm trägt und auswendig gelernte Sätze aufsagt“, erinnert sich Hoppel. Er lebte ein Leben ohne Sinn.
Bis er ein Buch des Kapitalismus-Kritikers Charles Eisenstein las: „Ökonomie der Verbundenheit“. Eisenstein hält die Schenk-Wirtschaft für das einzige System mit Zukunft. Die Idee: Zurückkehren zu einer Gesellschaft, in der die Menschen einander helfen, statt sich selbst zu bereichern.
Umsonst essen, umsonst shoppen, umsonst zum Arzt gehen
Die Bewegung wächst. Das Unternehmen „Panera Bread“ betreibt in den USA Fast-Food-Läden. Das Essen ist kalorienärmer und gesünder als in Burger-Buden, ansonsten ist „Panera Bread“ eine normale Restaurant-Kette mit fast 2000 Läden. Fast normal. Denn 2010 eröffnete sie ein Café, in dem die Gerichte keinen festen Preis haben. Die Gäste entscheiden selbst, wie viel sie zahlen. Und das funktioniert. Inzwischen gibt es fünf dieser Cafés, die etwa 70 Prozent des Umsatzes bringen, den die traditionellen Filialen machen.
Eine Anwaltskanzlei in Chicago berechnet Klienten keinen Stundensatz, sie zahlen so viel sie können – oder wollen. Die Ärzte der „Karma Klinik“ im kalifornischen Berkeley behandeln ihre Patienten nach demselben Prinzip. Und Bands wie Radiohead überlassen es ihren Fans, ob und welchen Preis sie für den Download ihrer Musik zahlen.
Auch in Deutschland ist die Schenk-Wirtschaft angekommen. In den meisten großen Städten gibt es sogenannte „Umsonstläden“, 2012 waren es 61. Dort geben Menschen Gegenstände ab, die sie nicht mehr brauchen. Andere können diese Dinge kostenlos mitnehmen. Die Besucher müssen nicht bedürftig sein, sie müssen auch nicht selbst etwas abgeben. Ladenmiete und andere Kosten finanzieren die Betreiber über Spenden.
In Berlin richten Anhänger der Schenk-Wirtschaft „Giveboxen“ ein, das sind Regale, Telefonzellen oder Häuschen auf der Straße. Auch hier können Passanten umsonst Bücher, Kleidung, oder CDs mitnehmen, die andere nicht mehr haben wollen. Leer sind diese Boxen nie.
Was nichts kostet, ist nichts wert - oder?
Hoppel, damals schon Vater von drei Kindern, machte sich 2012 selbstständig – als Webdesigner, der seinen Kunden keine Rechnung stellt.
Ein bisschen Angst hatte er schon. Was, wenn von den Kunden nichts zurückkommt? Wenn sie über seine Dummheit lachen und sich nie wieder melden? Der erste Kunde war ein lokaler Fußballverein. Die Vorstandsmitglieder wunderten sich zuerst über Hoppels Geschäftsmodell, das keines sein will. Was nichts kostet, ist nichts wert – oder? Sie ließen sich trotzdem darauf ein. Als die Internetseite fertig war, stimmten sie darüber ab, wie viel ihnen das Ergebnis wert ist und bezahlten Hoppel.
Heute kann Hoppel von seinem Job leben. Bisher bekam er für seine Arbeit immer etwas zurück, meistens Geld, weil das am einfachsten ist. Ein Projekt bringt ihm je nach Aufwand zwischen 600 und 3.800 Dollar. „Ich verdiene nicht annähernd soviel wie früher“, sagt Hoppel. Manche Monate sind hart, andere laufen besser. Seine Frau arbeitet auch. Vor ein paar Monaten kam das vierte Kind, irgendwie hat das Geld bisher immer gereicht.
Dass er einmal ein Manager in Armani-Anzügen, mit glattrasierten Wangen und Gel im Haar war, sieht ihm heute keiner an. Er lässt sich eine Lockenmähne wachsen, rasiert seinen Bart nur ab, wenn er Lust dazu hat und kommt sich endlich nicht mehr verkleidet vor. „Meine Freunde sagen, ich hätte mich verändert. Aber das stimmt nicht. Ich bin bloß aufgewacht. Ich habe zu mir selbst gefunden“, sagt Hoppel.
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