„Wenn du hier als Chef n’ Furz lässt, dann fordert der Betriebsrat gleich eine Lärmschutzwand.“ Das ist so ein typischer Stromberg-Spruch. Frech rausgehauen, ohne groß nachzudenken. Bernd Stromberg, der untalentierteste, aber beliebteste Chef im deutschen Fernsehen und Abteilungsleiter der Capitol-Versicherung, ist ein liebenswertes Arschloch.
Stromberg ist ein typischer Chef vom Typ "Radfahrer", also einer, der nach unten tritt (seine Mitarbeiter) und nach oben buckelt (gegenüber seinen eigenen Vorgesetzten). Ab dem 20. Februar erobert der Chef, der seine Mitarbeiter „Akten-Schwengel“ und „Tipp-Nudel“ nennt, die Kino-Leinwände der Nation.
Stromberg funktionierte schon in fünf TV-Staffeln so gut, weil die Serie durchaus real ist und viel Stromberg in deutschen Büros steckt – „natürlich mit etwas zugespitzten Parallelen zum Arbeitsalltag“, sagte der Bochumer Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep der Huffington Post. „In deutschen Chefs steckt genauso viel Stromberg wie Ernie, Tanja und Ulf in den Mitarbeitern stecken.“
„Wenn Sie glauben, Sie würden Comedy machen, dann kommen Sie mal zu uns“
Dass das so ist, bestätigt auch Stromberg-Darsteller Christoph Maria Herbst. Er bekommt E-Mails von Versicherungen, die ihn zu Betriebsfeiern einladen. „Wenn Sie glauben, Sie würden Comedy machen, dann kommen Sie mal zu uns.“ Herbst findet es „kolossal, wenn mir Chefs in E-Mails gestehen, sie hätten sich in Stromberg wiedererkannt. Die Leute schauen sich eine vermeintlich kleine Büro-Comedy an, und auf einmal wird Fernsehen zur moralischen Anstalt“, sagte er dem „Spiegel“.
Solche Vorgesetzten, die ihre Fehler erkennen und kommunizieren, muss man in deutschen Chefetagen jedoch erst einmal finden. Ein kurzer Blick in Online-Foren oder die Fachliteratur beweist: Die Realität ist wahnsinniger als die Stromberg’sche „Null-Ahnung-ich-wälze-alles-an-meine-Mitarbeiter-ab“-Mentalität. Der humorvolle Fernseh-Stromberg ist zudem viel berechenbarer als ein breitbeinig stolzierender, brüllender Macho-Manager, der seinen Zynismus zelebriert und seine Mitarbeiter als kostenverursachendes Übel für niedere Aufgaben verachtet.
Der Chef glaubt, er sei der Beste
Und während etliche Chef tagein, tagaus herumpoltern, bis die Mitarbeiter ausbrennen und die Stimmung im Büro eisig ist, halten sie sich merkwürdigerweise für klasse Chefs. Viele Chefs haben eine gestörte Selbstwahrnehmung und sehen sich selbst – wie Stromberg im Übrigen auch - als fürsorgliche Papas. 99 Prozent der Chefs bewerten ihr Verhältnis zu den Mitarbeitern als gut oder sehr gut, und 95 Prozent halten sich für eine bei den Mitarbeitern gut akzeptierte Führungskraft, ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag des „Handelsblatts“.
Gleichzeitig sind 60 Prozent der Mitarbeiter mit ihrem Vorgesetzten eher unzufrieden, ergab eine Umfrage der Universität Bochum. In anderen Umfragen geben sogar 85 Prozent der Mitarbeiter an, mit Job und Vorgesetzten unzufrieden zu sein.
Dieser tiefe Graben zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung ist ein Riesenproblem. Denn nur Chefs, die sich selbst führen können und ihre eigenen Stärken und Schwächen klären, können gute Chefs sein.
Da sie diese Fähigkeit nicht besitzen, machen viele Chefs im Büro alles kaputt. Ein ungeliebter Chef mache Mitarbeiter unzufriedener als Stress, Überstunden und miese Bezahlung, betonten Experten vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Während Stromberg trotz mieser Mobbing-Attacken immer noch mit seinem Team reden und feiern kann, ist das in manchen Büros gar nicht mehr möglich. Da wird, wenn überhaupt, nur noch übereinander geredet, nicht miteinander. Da sitzen Mitarbeiter, die innerlich gekündigt haben. Sie sind körperlich anwesend, aber gedanklich permanent im Feierabend-Modus.
Das kann kein Unternehmen wollen. Denn das Fördern von Mitarbeiterzufriedenheit hat nichts mit Gefühlsduselei, sondern mit unternehmerischen Erfolg zu tun, erklärt Myriam Bechtholdt von der Frankfurt School of Finance & Management. Eine größere Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter zahlt sich aus – durch höheren Profit der Organisation. Unmotivierte Mitarbeiter kosten die deutschen Unternehmen rund 124 Milliarden Euro, ergab eine Studie des Marktforschers Gallup. Aber bisher bietet erst die Hälfte der deutschen Unternehmen spezielle Trainings für Führungskräfte an.
Fragwürdige Coachings helfen nur dem Coach
Bei solchen Trainings finden sich Führungskräfte plötzlich auf einer Pferde-Koppel wieder, um beim Pferdestreicheln zum Top-Chef zu werden. Oder sie hangeln sich im Hochseilgarten schwitzend zu – ja, zu was eigentlich? Zu mehr Selbsterkenntnis? Zu der Erkenntnis, ein mieser Chef zu sein, der umdenken muss? Dass solche Seminare mit Event-Charakter das Verhältnis von Mitarbeitern und Chefs substanziell verbessern, hält Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep für „abwegig“. Dahinter stecken Geschäftsideen: viel Event, wenig Substanz, viel Blabla über emotionale Intelligenz, wenig Nachhaltigkeit. „Heute nennt sich jeder Coach - im Zweifelsfall systemisch. Und wer niemanden hat, den er coachen kann, bietet eben eine Coach-Ausbildung an. Da gibt es viel Unfug und Seminare, wo gelungene Führung als simple Technik verkauft wird, die man angeblich im Rahmen einer Schnellbesohlung lernen kann“, kritisiert Hossiep.
Das Geschäft mit dem Versprechen, Führung sei im Crashkurs erlernbar, boomt. Und solange miese Chefs Alltag sind, funktioniert auch Stromberg. Weil er ein Schwein ist, das den echten Büro-Alltag für einen kurzen Moment vergessen lässt oder zumindest erträglicher macht. Weil er reale Probleme ins Absurde führt.
Die Suche nach Chefs, die ihre Mitarbeiter nicht nur als Kostenfaktoren betrachten, sondern ihre Belegschaft vor Überforderung schützen, wertschätzen und authentisch kommunizieren können, dauert derweil an. „Es geht um gegenseitiges Vertrauen“, sagt Hossiep. Das klingt leicht. Aber wenn es im Büro erst mal kriselt, ist der Weg dahin nicht nur steinig, sondern vor allem langwierig.
Stromberg ist ein typischer Chef vom Typ "Radfahrer", also einer, der nach unten tritt (seine Mitarbeiter) und nach oben buckelt (gegenüber seinen eigenen Vorgesetzten). Ab dem 20. Februar erobert der Chef, der seine Mitarbeiter „Akten-Schwengel“ und „Tipp-Nudel“ nennt, die Kino-Leinwände der Nation.
Stromberg funktionierte schon in fünf TV-Staffeln so gut, weil die Serie durchaus real ist und viel Stromberg in deutschen Büros steckt – „natürlich mit etwas zugespitzten Parallelen zum Arbeitsalltag“, sagte der Bochumer Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep der Huffington Post. „In deutschen Chefs steckt genauso viel Stromberg wie Ernie, Tanja und Ulf in den Mitarbeitern stecken.“
„Wenn Sie glauben, Sie würden Comedy machen, dann kommen Sie mal zu uns“
Dass das so ist, bestätigt auch Stromberg-Darsteller Christoph Maria Herbst. Er bekommt E-Mails von Versicherungen, die ihn zu Betriebsfeiern einladen. „Wenn Sie glauben, Sie würden Comedy machen, dann kommen Sie mal zu uns.“ Herbst findet es „kolossal, wenn mir Chefs in E-Mails gestehen, sie hätten sich in Stromberg wiedererkannt. Die Leute schauen sich eine vermeintlich kleine Büro-Comedy an, und auf einmal wird Fernsehen zur moralischen Anstalt“, sagte er dem „Spiegel“.
Solche Vorgesetzten, die ihre Fehler erkennen und kommunizieren, muss man in deutschen Chefetagen jedoch erst einmal finden. Ein kurzer Blick in Online-Foren oder die Fachliteratur beweist: Die Realität ist wahnsinniger als die Stromberg’sche „Null-Ahnung-ich-wälze-alles-an-meine-Mitarbeiter-ab“-Mentalität. Der humorvolle Fernseh-Stromberg ist zudem viel berechenbarer als ein breitbeinig stolzierender, brüllender Macho-Manager, der seinen Zynismus zelebriert und seine Mitarbeiter als kostenverursachendes Übel für niedere Aufgaben verachtet.
Der Chef glaubt, er sei der Beste
Und während etliche Chef tagein, tagaus herumpoltern, bis die Mitarbeiter ausbrennen und die Stimmung im Büro eisig ist, halten sie sich merkwürdigerweise für klasse Chefs. Viele Chefs haben eine gestörte Selbstwahrnehmung und sehen sich selbst – wie Stromberg im Übrigen auch - als fürsorgliche Papas. 99 Prozent der Chefs bewerten ihr Verhältnis zu den Mitarbeitern als gut oder sehr gut, und 95 Prozent halten sich für eine bei den Mitarbeitern gut akzeptierte Führungskraft, ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag des „Handelsblatts“.
Gleichzeitig sind 60 Prozent der Mitarbeiter mit ihrem Vorgesetzten eher unzufrieden, ergab eine Umfrage der Universität Bochum. In anderen Umfragen geben sogar 85 Prozent der Mitarbeiter an, mit Job und Vorgesetzten unzufrieden zu sein.
Dieser tiefe Graben zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung ist ein Riesenproblem. Denn nur Chefs, die sich selbst führen können und ihre eigenen Stärken und Schwächen klären, können gute Chefs sein.
Da sie diese Fähigkeit nicht besitzen, machen viele Chefs im Büro alles kaputt. Ein ungeliebter Chef mache Mitarbeiter unzufriedener als Stress, Überstunden und miese Bezahlung, betonten Experten vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Während Stromberg trotz mieser Mobbing-Attacken immer noch mit seinem Team reden und feiern kann, ist das in manchen Büros gar nicht mehr möglich. Da wird, wenn überhaupt, nur noch übereinander geredet, nicht miteinander. Da sitzen Mitarbeiter, die innerlich gekündigt haben. Sie sind körperlich anwesend, aber gedanklich permanent im Feierabend-Modus.
Das kann kein Unternehmen wollen. Denn das Fördern von Mitarbeiterzufriedenheit hat nichts mit Gefühlsduselei, sondern mit unternehmerischen Erfolg zu tun, erklärt Myriam Bechtholdt von der Frankfurt School of Finance & Management. Eine größere Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter zahlt sich aus – durch höheren Profit der Organisation. Unmotivierte Mitarbeiter kosten die deutschen Unternehmen rund 124 Milliarden Euro, ergab eine Studie des Marktforschers Gallup. Aber bisher bietet erst die Hälfte der deutschen Unternehmen spezielle Trainings für Führungskräfte an.
Fragwürdige Coachings helfen nur dem Coach
Bei solchen Trainings finden sich Führungskräfte plötzlich auf einer Pferde-Koppel wieder, um beim Pferdestreicheln zum Top-Chef zu werden. Oder sie hangeln sich im Hochseilgarten schwitzend zu – ja, zu was eigentlich? Zu mehr Selbsterkenntnis? Zu der Erkenntnis, ein mieser Chef zu sein, der umdenken muss? Dass solche Seminare mit Event-Charakter das Verhältnis von Mitarbeitern und Chefs substanziell verbessern, hält Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep für „abwegig“. Dahinter stecken Geschäftsideen: viel Event, wenig Substanz, viel Blabla über emotionale Intelligenz, wenig Nachhaltigkeit. „Heute nennt sich jeder Coach - im Zweifelsfall systemisch. Und wer niemanden hat, den er coachen kann, bietet eben eine Coach-Ausbildung an. Da gibt es viel Unfug und Seminare, wo gelungene Führung als simple Technik verkauft wird, die man angeblich im Rahmen einer Schnellbesohlung lernen kann“, kritisiert Hossiep.
Das Geschäft mit dem Versprechen, Führung sei im Crashkurs erlernbar, boomt. Und solange miese Chefs Alltag sind, funktioniert auch Stromberg. Weil er ein Schwein ist, das den echten Büro-Alltag für einen kurzen Moment vergessen lässt oder zumindest erträglicher macht. Weil er reale Probleme ins Absurde führt.
Die Suche nach Chefs, die ihre Mitarbeiter nicht nur als Kostenfaktoren betrachten, sondern ihre Belegschaft vor Überforderung schützen, wertschätzen und authentisch kommunizieren können, dauert derweil an. „Es geht um gegenseitiges Vertrauen“, sagt Hossiep. Das klingt leicht. Aber wenn es im Büro erst mal kriselt, ist der Weg dahin nicht nur steinig, sondern vor allem langwierig.