Bayerns Wähler dürfen wohl über die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium entscheiden: Die Freien Wähler haben die erste Hürde zu einem Volksbegehren gemeistert, mit dem sie ein hoch umstrittenes bildungspolitische Thema auf die Tagesordnung bringen wollen: eine Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9.
Vor zehn Jahren hat das bayerische Kultusministerium entschieden, dass das Abitur in acht statt in neun Jahren absolviert werden soll. Die Abiturienten seien im internationalen Vergleich zu alt, hieß es nicht nur in Bayern, sondern in der ganzen Republik, die Studenten ebenfalls und Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig. Und die Antwort fanden die Bildungspolitiker in einem überarbeiteten neuen Gymnasium.
Aber schnell war der Unmut bei Schülern, Lehrern und Eltern groß. Denn der Lernstoff wurde nicht weniger, der Stress dagegen nahm zu und den Professoren an den Unis waren die Studenten oft sogar zu jung. Vermutlich deshalb sind die 25.000 Stimmen, die für einen Zulassungsantrag des bayerischen Begehrens benötigt werden, schon vollständig gesammelt. Bald soll der Antrag dem Innenministerium übergeben werden.
Was dann passiert, könnte nicht nur in Bayern für einen bemerkenswerten Wandel sorgen. Bildungspolitiker anderer Länder schreiben dem Ausgang der Initiative in einem so großen und gewichtigen Bundesland wie Bayern auch Einfluss auf die Situation in anderen Bundesländern zu. Steht eine bundesweite Abschaffung des neuen und die Rückkehr zum alten Gymnasium an?
Dahinter stecken Eltern
„Das Signal aus Bayern wird für Bewegung bei Eltern und Schulen bundesweit sorgen. G8 ist in den Bundesländern gescheitert“, sagte Heike Habermann, die bildungspolitische Sprecherin der hessischen SPD-Landtagsfraktion, der Huffington Post. „In Hessen sind seit dem vergangenen Jahr mit der neuen Wahlfreiheit bereits ein Drittel der Gymnasien zu G9'zurückgekehrt, nach derzeitigem Informationsstand werden zum nächsten Schuljahr sicherlich 15 weitere dazukommen.“
"Der Erfolg des Volksbegehrens in Bayern ist ein Signal, wie groß die Unzufriedenheit bei den Eltern über die Umsetzung der Umstellung zu G8 an den Gymnasien ist", sagte Claus Peter Poppe, der für Bildung zuständige Sprecher der niedersächsischen SPD-Fraktion der HuffPost. Schon jetzt zeichneten sich in anderen Bundesländern ebenfalls Schritte zum Umsteuern ab.
Nicht nur in Bayern, sondern auch in Hamburg liegen bereits ausreichend Unterschriften vor, um ein Volksbegehren zu starten. In Schleswig-Holstein werden ebenfalls Stimmen für die Initiative "G9 – Jetzt!" gesammelt. Dahinter stecken nicht immer Politiker, sondern auch und gerade Eltern.
In Niedersachsen prüfe derzeit eine Expertenkommission verschiedene Möglichkeiten, sagte Poppe. Momentan gilt dort noch das G8. In anderen größeren Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg dagegen gibt es die Möglichkeit, zwischen G8 und G9 zu wählen. "In NRW kommt die Vielfalt des Schulsystems den Wünschen der Eltern und Schüler entgegen", sagte Renate Hendricks, die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, der HuffPost.
Ein endgültiger Zustand muss aber auch das noch nicht sein. "In Baden-Württemberg haben wir G9 wieder eingeführt – allerdings erst mal nur stellenweise und als Versuch, weil wir uns auf einen Kompromiss mit dem Koalitionspartner (Grüne) einigen mussten", sagte Stefan Fulst-Blei, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, der HuffPost. Daneben gibt es in Baden-Württemberg schon einen neunjährigen Weg zum Abitur über die Gemeinschaftsschule.
"Wenn Bayern sich für die Rückkehr zum G9 aussprechen sollte" sagte Fulst-Blei, "dann wirft das Fragen auf und hat Signalwirkung für andere Bundesländer." Der SPD-Politiker erwartet, "dass noch was passieren wird in Deutschland. Ich erwarte, dass noch weitere Länder zum G9 zurückkehren werden. Eltern werden nicht locker lassen, und ich kann sie darin nur bestärken. Es ist doch gaga, wenn Kinder in acht Jahren durch die Schule gejagt werden." Oft hätten sie danach noch nicht mal das Alter, um sich im Studienort eine Wohnung zu mieten.
"Lernen braucht Zeit"
Rosemarie Hein, Bildungs-Expertin der Linkspartei, hält die Debatte um die Schuljahre bis zum Abitur für "typisch für das verkorkste bundesdeutsche Bildungssystem." Lernen brauche Zeit, sagte Hein der HuffPost. "Wer immer mehr Lernstoff in immer kürzere Lernzeit pressen will, erleidet am Ende ein Fiasko bei den Ergebnissen."
Ihr Kollege von den Grünen sieht das ähnlich. „Die bisherigen Erfahrungen mit G8 und der Verdichtung des Unterrichtsstoffes geben Anlass zur Kritik", sagte Özcan Mutlu, der bildungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, der HuffPost. "Wichtig für die Schulen, die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern ist Verlässlichkeit. Die Diskussion um G8 und G9 darf nicht weiter zu Chaos führen."
Weil Bildung in Deutschland Ländersache ist, und 16 Landesregierungen theoretisch jederzeit ihre Bildungsmodelle durcheinanderwirbeln können, ist das mit dem Chaos aber so eine Sache, die sich wohl kaum vermeiden lässt.
Vor zehn Jahren hat das bayerische Kultusministerium entschieden, dass das Abitur in acht statt in neun Jahren absolviert werden soll. Die Abiturienten seien im internationalen Vergleich zu alt, hieß es nicht nur in Bayern, sondern in der ganzen Republik, die Studenten ebenfalls und Deutschland nicht mehr konkurrenzfähig. Und die Antwort fanden die Bildungspolitiker in einem überarbeiteten neuen Gymnasium.
Aber schnell war der Unmut bei Schülern, Lehrern und Eltern groß. Denn der Lernstoff wurde nicht weniger, der Stress dagegen nahm zu und den Professoren an den Unis waren die Studenten oft sogar zu jung. Vermutlich deshalb sind die 25.000 Stimmen, die für einen Zulassungsantrag des bayerischen Begehrens benötigt werden, schon vollständig gesammelt. Bald soll der Antrag dem Innenministerium übergeben werden.
Was dann passiert, könnte nicht nur in Bayern für einen bemerkenswerten Wandel sorgen. Bildungspolitiker anderer Länder schreiben dem Ausgang der Initiative in einem so großen und gewichtigen Bundesland wie Bayern auch Einfluss auf die Situation in anderen Bundesländern zu. Steht eine bundesweite Abschaffung des neuen und die Rückkehr zum alten Gymnasium an?
Dahinter stecken Eltern
„Das Signal aus Bayern wird für Bewegung bei Eltern und Schulen bundesweit sorgen. G8 ist in den Bundesländern gescheitert“, sagte Heike Habermann, die bildungspolitische Sprecherin der hessischen SPD-Landtagsfraktion, der Huffington Post. „In Hessen sind seit dem vergangenen Jahr mit der neuen Wahlfreiheit bereits ein Drittel der Gymnasien zu G9'zurückgekehrt, nach derzeitigem Informationsstand werden zum nächsten Schuljahr sicherlich 15 weitere dazukommen.“
"Der Erfolg des Volksbegehrens in Bayern ist ein Signal, wie groß die Unzufriedenheit bei den Eltern über die Umsetzung der Umstellung zu G8 an den Gymnasien ist", sagte Claus Peter Poppe, der für Bildung zuständige Sprecher der niedersächsischen SPD-Fraktion der HuffPost. Schon jetzt zeichneten sich in anderen Bundesländern ebenfalls Schritte zum Umsteuern ab.
Nicht nur in Bayern, sondern auch in Hamburg liegen bereits ausreichend Unterschriften vor, um ein Volksbegehren zu starten. In Schleswig-Holstein werden ebenfalls Stimmen für die Initiative "G9 – Jetzt!" gesammelt. Dahinter stecken nicht immer Politiker, sondern auch und gerade Eltern.
In Niedersachsen prüfe derzeit eine Expertenkommission verschiedene Möglichkeiten, sagte Poppe. Momentan gilt dort noch das G8. In anderen größeren Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg dagegen gibt es die Möglichkeit, zwischen G8 und G9 zu wählen. "In NRW kommt die Vielfalt des Schulsystems den Wünschen der Eltern und Schüler entgegen", sagte Renate Hendricks, die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, der HuffPost.
Ein endgültiger Zustand muss aber auch das noch nicht sein. "In Baden-Württemberg haben wir G9 wieder eingeführt – allerdings erst mal nur stellenweise und als Versuch, weil wir uns auf einen Kompromiss mit dem Koalitionspartner (Grüne) einigen mussten", sagte Stefan Fulst-Blei, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, der HuffPost. Daneben gibt es in Baden-Württemberg schon einen neunjährigen Weg zum Abitur über die Gemeinschaftsschule.
"Wenn Bayern sich für die Rückkehr zum G9 aussprechen sollte" sagte Fulst-Blei, "dann wirft das Fragen auf und hat Signalwirkung für andere Bundesländer." Der SPD-Politiker erwartet, "dass noch was passieren wird in Deutschland. Ich erwarte, dass noch weitere Länder zum G9 zurückkehren werden. Eltern werden nicht locker lassen, und ich kann sie darin nur bestärken. Es ist doch gaga, wenn Kinder in acht Jahren durch die Schule gejagt werden." Oft hätten sie danach noch nicht mal das Alter, um sich im Studienort eine Wohnung zu mieten.
"Lernen braucht Zeit"
Rosemarie Hein, Bildungs-Expertin der Linkspartei, hält die Debatte um die Schuljahre bis zum Abitur für "typisch für das verkorkste bundesdeutsche Bildungssystem." Lernen brauche Zeit, sagte Hein der HuffPost. "Wer immer mehr Lernstoff in immer kürzere Lernzeit pressen will, erleidet am Ende ein Fiasko bei den Ergebnissen."
Ihr Kollege von den Grünen sieht das ähnlich. „Die bisherigen Erfahrungen mit G8 und der Verdichtung des Unterrichtsstoffes geben Anlass zur Kritik", sagte Özcan Mutlu, der bildungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, der HuffPost. "Wichtig für die Schulen, die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern ist Verlässlichkeit. Die Diskussion um G8 und G9 darf nicht weiter zu Chaos führen."
Weil Bildung in Deutschland Ländersache ist, und 16 Landesregierungen theoretisch jederzeit ihre Bildungsmodelle durcheinanderwirbeln können, ist das mit dem Chaos aber so eine Sache, die sich wohl kaum vermeiden lässt.