Dass die Reaktionen auf das Hitzlspergers-Selbst-Outing von der Bundeskanzlerin bis zum DFB positiv ausfallen, war zu erwarten. Vielleicht nicht, dass das Lob so durchwegs überschwänglich positiv war. Eine Überschwänglichkeit, die vielleicht über ein schlechtes Gewissen oder eine gewisse Verlogenheit bei so manchem Politiker hinwegtäuschen sollte, der sich bislang gegen den Abbau von Diskriminierungen homosexueller Menschen gestellt hat. Auch das Bedauern darüber, dass sich Hitzlsperger erst aus der sicheren Position des Ex-Profis geoutet hat, ist verständlich.
Ebenso zu erwarten war, dass einige fanatische Katholiban wüten würden. Oder dass ein populistischer Kommentar in der leer ausgegangenen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nun die heterosexuelle Mehrheit in Gefahr sah: wenn das mit der unersättlichen „Schwulen- und Lesben-Lobby" so weiter gehe, dann sei es bald gefährlich zu seiner Heterosexualität auch öffentlich zu stehen.
Extrem kritische Stimmen aus der Lesben- und Schwulen-Community
Was aber dann doch viele überrascht hat, einige auch wütend oder traurig zurückließ, waren so manche Reaktionen aus der „LGBTI-Community". Während Respekt und Anerkennung für Hitzlspergers Schritt gesamtgesellschaftlich nahezu allgemein waren, tauchten hier die ersten extrem kritischen Stimmen auf.
Der Chefredakteur eines besonders queeren Großstadtmagazins ließ seine Leser wissen: Die „schwammigen Erläuterungen" Hitzlspergers hätten „faden Beigeschmack", alles sei bei ihm in „phobikerfreundliche Watte" verpackt. Seine ganze Vorgeschichte sei eine Katastrophe, schließlich sei er in den Augen der Heteros der „gute Homo" gewesen, der die „subtile Diskriminierung durch sein Umfeld" auch noch genossen habe. Ganz unten, am Rande der Verleumdung angekommen, zeigte sich solche Kritik bei einem langjährigen Autor des Schwulenmagazins „Du&Ich": „Wenn mir eines so richtig auf die Eier geht, dann sind es Coming-outs von irgendwelchen prominenten ... Leuten, die ihre Karriere hinter sich haben und auf einmal meinen, eine neue Karriere machen zu können als Schwulengutmenschen in den Talkshows. Völlig unglaubwürdig."
Haben Schwule ein neurotisches Verhältnis zur Homosexualität?
Und nach all dem fragen wir noch, warum sich so wenige Sportler oder Kirchenmänner outen? Und wenn sie sich outen, dies ganz sicher nicht in Homo-Zeitschriften tun? Vielleicht liegt dies ja gar nicht allein an den mehr oder weniger homophoben Systemen, in denen diese zuhause sind. Sondern daran, dass es das von Sportreporter Manni Breuckmann in der Gesamtgesellschaft festgestellte „hochneurotische Verhältnis zur Homosexualität" in ganz eigener Ausprägung auch bei Schwulen gibt? Was uns aber spätestens nach dem, was da in den letzten Tagen passiert ist, nicht wundern sollte, ist, dass Hitzlsperger sich von dieser Art Schwulenbewegung in einem Gespräch mit „FAZ Net" klar distanziert.
Er wolle nicht zur Ikone einer Schwulenbewegung werden, die er treffsicher beschreibt: „Eine Vereinnahmung und Instrumentalisierung durch Leute, die damit ein Eigeninteresse verfolgen, werden mit mir nicht möglich sein."
Die schlichte Bösartigkeit wurde durch fehlendes Taktgefühl ergänzt von all jenen, die in diesem Zusammenhang offensichtlich nur ein wirklich schwerwiegendes Problem erkennen konnten. Schon am Tag nach dem Selbst-Outing veröffentlichte der „Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen" (BLSJ) eine Pressemitteilung zum Coming out Hitzlspergers. Mehr als die Hälfte dieses Schreibens widmet sich der Tatsache, dass man im Zusammenhang mit Hitzlsperger von einem „Outing" gesprochen habe - und das obwohl der BLSJ letztes Jahr eine Broschüre erstellt habe, in der klar geregelt sei, dass in diesem Zusammenhang nicht von einem „Outing", sondern nur von einem „Coming out" gesprochen werden darf.
Noch päpstlicher als der Papst traten in der Folge dann auch all die Hobby-LGBT-Sprachwissenschaftler in den Internet-Diskussionsforen auf. Kaum ein Artikel zu Hitzlsperger, in dessen Anschluss sich nicht sprachtotalitär veranlagte Homos gehörig über das Wort Outing echauffierten. Um so die ganze Diskussion auf einen lächerlich anmutenden Nebenkriegsschauplatz zu bugsieren.
Brauchen wir eine andere Form der Schwulenbewegung?
Auch wenn man um die Wichtigkeit der korrekten Sprache für ein klares Denken weiß und die Aufgabe von Journalisten würdigt, auch kritische Fragen zu stellen. So reibt man sich doch verwundert die Augen und hat irgendwie das Gefühl, in einem Sketch von Loriot zu sitzen. Ist das wirklich das, was jetzt homo- wie heterosexuelle Menschen in Deutschland, ja in ganz Europa, angesichts der genannten Ereignisse beschäftigt?
Ist das tatsächlich das Hauptproblem, das wir im Zusammenhang mit der fehlenden Akzeptanz von Homosexualität nicht nur im Fußball haben? Wäre es von der Sache her nicht das natürlichste der Welt gewesen, sich zunächst einmal riesig zu freuen? Zu freuen über das beherzte Vorgehen der Hauptperson? Über die Tatsache, dass die Homophoben jetzt einen Gegner und wir einen starken Freund mehr haben? Über die gesamtgesellschaftliche Zustimmung, oft sogar Begeisterung? Über den fairen, ja geradezu vorbildlichen Umgang der meisten großen Leitmedien mit der Sache? Zumindest aber darüber, dass das Thema Homophobie in unserer Gesellschaft über Nacht wieder ganz oben auf die Agenda des öffentlichen Diskurses gerückt ist?
Alles das, was rund um den Fall Hitzlsperger passiert ist, sollte Schwule und Lesben in Deutschland weniger darüber nachdenken lassen, wann sich der nächste Profi-Sportler outet. An der Zeit ist die Frage: Brauchen wir eine ganz andere Form der Schwulenbewegung, als jene, die sich da lautstark zu Wort gemeldet hat? Eine Schwulenbewegung, bei der Helden wie Hitzlsperger nicht sofort in Deckung gehen und sich distanzieren wollen. Sondern sagen können: „Ich bin stolz darauf, nun auf Eurer Seite und in vorderster Reihe für gleiche Menschenrechte auch für uns kämpfen zu dürfen!"
Ebenso zu erwarten war, dass einige fanatische Katholiban wüten würden. Oder dass ein populistischer Kommentar in der leer ausgegangenen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nun die heterosexuelle Mehrheit in Gefahr sah: wenn das mit der unersättlichen „Schwulen- und Lesben-Lobby" so weiter gehe, dann sei es bald gefährlich zu seiner Heterosexualität auch öffentlich zu stehen.
Extrem kritische Stimmen aus der Lesben- und Schwulen-Community
Was aber dann doch viele überrascht hat, einige auch wütend oder traurig zurückließ, waren so manche Reaktionen aus der „LGBTI-Community". Während Respekt und Anerkennung für Hitzlspergers Schritt gesamtgesellschaftlich nahezu allgemein waren, tauchten hier die ersten extrem kritischen Stimmen auf.
Der Chefredakteur eines besonders queeren Großstadtmagazins ließ seine Leser wissen: Die „schwammigen Erläuterungen" Hitzlspergers hätten „faden Beigeschmack", alles sei bei ihm in „phobikerfreundliche Watte" verpackt. Seine ganze Vorgeschichte sei eine Katastrophe, schließlich sei er in den Augen der Heteros der „gute Homo" gewesen, der die „subtile Diskriminierung durch sein Umfeld" auch noch genossen habe. Ganz unten, am Rande der Verleumdung angekommen, zeigte sich solche Kritik bei einem langjährigen Autor des Schwulenmagazins „Du&Ich": „Wenn mir eines so richtig auf die Eier geht, dann sind es Coming-outs von irgendwelchen prominenten ... Leuten, die ihre Karriere hinter sich haben und auf einmal meinen, eine neue Karriere machen zu können als Schwulengutmenschen in den Talkshows. Völlig unglaubwürdig."
Haben Schwule ein neurotisches Verhältnis zur Homosexualität?
Und nach all dem fragen wir noch, warum sich so wenige Sportler oder Kirchenmänner outen? Und wenn sie sich outen, dies ganz sicher nicht in Homo-Zeitschriften tun? Vielleicht liegt dies ja gar nicht allein an den mehr oder weniger homophoben Systemen, in denen diese zuhause sind. Sondern daran, dass es das von Sportreporter Manni Breuckmann in der Gesamtgesellschaft festgestellte „hochneurotische Verhältnis zur Homosexualität" in ganz eigener Ausprägung auch bei Schwulen gibt? Was uns aber spätestens nach dem, was da in den letzten Tagen passiert ist, nicht wundern sollte, ist, dass Hitzlsperger sich von dieser Art Schwulenbewegung in einem Gespräch mit „FAZ Net" klar distanziert.
Er wolle nicht zur Ikone einer Schwulenbewegung werden, die er treffsicher beschreibt: „Eine Vereinnahmung und Instrumentalisierung durch Leute, die damit ein Eigeninteresse verfolgen, werden mit mir nicht möglich sein."
Die schlichte Bösartigkeit wurde durch fehlendes Taktgefühl ergänzt von all jenen, die in diesem Zusammenhang offensichtlich nur ein wirklich schwerwiegendes Problem erkennen konnten. Schon am Tag nach dem Selbst-Outing veröffentlichte der „Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen" (BLSJ) eine Pressemitteilung zum Coming out Hitzlspergers. Mehr als die Hälfte dieses Schreibens widmet sich der Tatsache, dass man im Zusammenhang mit Hitzlsperger von einem „Outing" gesprochen habe - und das obwohl der BLSJ letztes Jahr eine Broschüre erstellt habe, in der klar geregelt sei, dass in diesem Zusammenhang nicht von einem „Outing", sondern nur von einem „Coming out" gesprochen werden darf.
Noch päpstlicher als der Papst traten in der Folge dann auch all die Hobby-LGBT-Sprachwissenschaftler in den Internet-Diskussionsforen auf. Kaum ein Artikel zu Hitzlsperger, in dessen Anschluss sich nicht sprachtotalitär veranlagte Homos gehörig über das Wort Outing echauffierten. Um so die ganze Diskussion auf einen lächerlich anmutenden Nebenkriegsschauplatz zu bugsieren.
Brauchen wir eine andere Form der Schwulenbewegung?
Auch wenn man um die Wichtigkeit der korrekten Sprache für ein klares Denken weiß und die Aufgabe von Journalisten würdigt, auch kritische Fragen zu stellen. So reibt man sich doch verwundert die Augen und hat irgendwie das Gefühl, in einem Sketch von Loriot zu sitzen. Ist das wirklich das, was jetzt homo- wie heterosexuelle Menschen in Deutschland, ja in ganz Europa, angesichts der genannten Ereignisse beschäftigt?
Ist das tatsächlich das Hauptproblem, das wir im Zusammenhang mit der fehlenden Akzeptanz von Homosexualität nicht nur im Fußball haben? Wäre es von der Sache her nicht das natürlichste der Welt gewesen, sich zunächst einmal riesig zu freuen? Zu freuen über das beherzte Vorgehen der Hauptperson? Über die Tatsache, dass die Homophoben jetzt einen Gegner und wir einen starken Freund mehr haben? Über die gesamtgesellschaftliche Zustimmung, oft sogar Begeisterung? Über den fairen, ja geradezu vorbildlichen Umgang der meisten großen Leitmedien mit der Sache? Zumindest aber darüber, dass das Thema Homophobie in unserer Gesellschaft über Nacht wieder ganz oben auf die Agenda des öffentlichen Diskurses gerückt ist?
Alles das, was rund um den Fall Hitzlsperger passiert ist, sollte Schwule und Lesben in Deutschland weniger darüber nachdenken lassen, wann sich der nächste Profi-Sportler outet. An der Zeit ist die Frage: Brauchen wir eine ganz andere Form der Schwulenbewegung, als jene, die sich da lautstark zu Wort gemeldet hat? Eine Schwulenbewegung, bei der Helden wie Hitzlsperger nicht sofort in Deckung gehen und sich distanzieren wollen. Sondern sagen können: „Ich bin stolz darauf, nun auf Eurer Seite und in vorderster Reihe für gleiche Menschenrechte auch für uns kämpfen zu dürfen!"