Quantcast
Channel: Huffington Post Germany Athena
Viewing all articles
Browse latest Browse all 40759

Offener Brief an den ach so fürsorglichen Vater Staat

$
0
0
Hallo Vaddern,

So nah standen wir uns noch nie, ein komisches Gefühl dir zu schreiben. Es hat mich viel Überwindung gekostet, weil ich mir sicher bin, dass du dich eh nicht für mich interessierst, da du viele Kinder hast. Wir waren mal ein eingespieltes Team, vor ca. 3 Jahren, eventuell erinnerst du dich noch daran. Schau doch einfach mal in deine alten Bücher.

Ein Vater hat seine Kinder zu lieben und zwar alle seine Kinder, ohne Ausnahmen. Aussehen, Intelligenz, Glaube oder Vorlieben spielen hierbei keine Rolle. Wir sind alle deine Kinder, ich bin dein Kind und ich bin es langsam Leid, eines deiner Kinder zu sein. Offenbar scheinst du einige Kinder mehr zu lieben als mich und das macht mich traurig.

Es ist grausam, von dir abhängig sein zu müssen, aber es bleibt mir nichts anderes übrig. Das hast du dir mit deinen Brüdern und Schwestern ausgedacht, so ist es in diesem Staat. Von Muddern bin ich nicht mehr abhängig, da sie das monatliche Taschengeld, welches sie als BaFög verbuchen ließ, einstellte.

Sie sagte mir, es stünde mir nicht mehr zu, was ich nach einem Blick in das schlaue Buch verstehe. Ich glaube nicht, dass du weißt, wie ich mich überhaupt fühle, eigentlich bin ich mir ziemlich sicher.

Ein Versuch ist es Wert, dir dies zu schildern. Man entwickelt sich weiter, lernt neue Menschen kennen, macht neue Erfahrungen, bricht Dinge ab, fängt komplett von vorne an. Dir ging es auch schon so, dass du deine Existenz komplett neu aufbauen musstest.

Seit knapp 2 Monaten halte ich mich irgendwie über Wasser, gehe fleißig zur Schule, weil ich weiß, dass ich auf eigenen Beinen stehen will.

Ich möchte, dass zukünftige Kinder nicht so alleine dastehen, wie ich. Ich bilde mich weiter, das kostet dich nichts. Lediglich bräuchte ich Unterstützung, um meine Miete zu finanzieren und für ein bisschen Nahrung.

Eifrig bin ich bemüht einen Job zu finden, um dich zu entlasten und vor der Pleite zu bewahren. Sicherlich möchte ich nicht auf der faulen Haut sitzen, während du jeden Monat Taschengeld überweist, denn das machen einige meiner bösen Brüder und Schwestern bereits.

Sie ziehen nicht nur Taschengeld ein, sondern haben auch noch geheime Verdienstquellen. Ich würde so etwas niemals machen, da ich dies mit meinem Gewissen nicht vereinbaren könnte. Nachts schlafe ich schlecht, weil die Miete noch nicht überwiesen wurde. Während andere fleißig das Geld wortwörtlich aus dem Fenster schmeißen, von dem ich mir ein Monatsticket kaufen könnte.

Beklagen möchte ich mich nicht, allerdings ist es nicht so angenehm, zu Fuß im Regen meinen Schulweg zu beschreiten. Also Vaddern, ich möchte, dass du deinen Assistenten sagst, sie sollen mich nicht immer wieder vertrösten, sondern mir endlich helfen.

Ich bin dir nicht böse, allerdings bin ich enttäuscht, dass du dir einbildest andere Leute vorziehen zu können. Geduld hatte ich lange genug, aber auch die hat nun ihr Ende.

Bevor ich es vergesse. Vielen Dank für die Lebensmittelgutscheine, hättest mir ja gleich einen Aufkleber schenken können. Den hätte ich mir auf die Stirn geklebt und jeder hätte sofort gewusst, dass die Leistungen bezieht.

Entschuldige, beziehen könnte. Im Namen des Kühlschranks, Magens und des Verlangens bedanke ich mich bei dir, Vaddern.

Liebe Grüße von deinem Kind,

Lisa

Viewing all articles
Browse latest Browse all 40759

Trending Articles



<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>