Wie können in Unternehmen mehr innovative Ideen entstehen? Eine der Lösungen für diese für fast alle Firmen lebensnotwendige Frage ist recht einfach: Mitarbeitern mehr Freiheit in der Arbeitszeitgestaltung geben. Das ergibt sich aus einer Untersuchung, die wir am Kieler Instituts für Weltwirtschaft erstellt haben.
Die Arbeitsorganisation hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Digitale Technologien erlauben Arbeitnehmern, ihre Zeit flexibler zu nutzen - um mehr Zeit mit ihren Familien zu verbringen, aber auch, um ihre produktive Arbeitszeit anders einzuteilen als früher.
Das hat zum Aufschwung eines neuen Arbeitszeitmodells, der sogenannten „Vertrauensarbeitszeit" geführt - also der Gewährung weitgehender Freiheit über An- oder Abwesenheit, solange nur ein vorher verabredeter Output erreicht wird.
Dieses Arbeitszeitmodell hat gerade in Deutschland beträchtlich an Bedeutung gewonnen; ungefähr die Hälfte aller Firmen bietet gegenwärtig ein solches Modell an; für knapp 10 Prozent aller Arbeitnehmer gelten Arbeitsverträge mit Vertrauensarbeitszeit.
In Deutschland beispielsweise arbeiteten im Jahr 2010 36 Prozent aller Arbeitnehmer unter der einen oder anderen Variante eines flexiblen Arbeitszeitmodells (Abb. 1) - man beachte aber, dass der Anteil der involvierten Arbeitnehmer immer noch ziemlich gering ist.
Abb. 1: Arbeitszeitmodelle in Deutschland, 2003-2012
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Quellen: Statistisches Bundesamt 2012. - IW2013.
Diese Veränderungen der Arbeitsorganisation spiegeln ein verändertes Verständnis der Motive und Antriebskräfte der Menschen wieder. Auch Ökonomen erkennen inzwischen an, dass Arbeitnehmer nicht nur auf materielle Anreize reagieren. Insbesondere reicht es für einen Arbeitgeber nicht aus, mit einem Bonusscheck zu winken, wenn es darum geht die Kreativität seiner Mitarbeiter zu steigern.
Vielmehr führt eine starke intrinsische Motivation dazu, dass sich Arbeitskräfte mit ihrer Arbeit identifizieren und ihre Energien mobilisieren, um Produkte zu erfinden, zu verbessern, zu vermarkten. Die Frage ist, wie Firmen ein Arbeitsumfeld schaffen können, das solch tief sitzende Motivationskräfte freisetzt, und da könnte Vertrauen als ein wesentlicher Faktor ins Spiel kommen.
Vertrauensarbeitszeit kann damit ein wichtiges Element einer Personalentwicklung sein, die auf Kreativitätssteigerung setzt. Einige neuere Untersuchungen, unter anderem aus der Psychologie und der Betriebs- und Organisationswissenschaft, deuten auf solche Zusammenhänge hin.
Eine von Olivier Godart, Holger Görg und mir durchgeführte Studie hat Daten für mehr als 5000 deutsche Unternehmen ausgewertet, um zu untersuchen, ob die Einführung von Vertrauensarbeitszeit die Innovationskraft einer Firma steigert.
Die Analyse nutzt Informationen für zwei Kohorten von Firmen, die Vertrauensarbeitszeit in den Jahren 2008, bzw. 2010 eingeführt haben, und vergleicht die nachfolgende Innovationsleistung mit derjenigen einer Kontrollgruppe von Firmen, die den ersteren ähnlich sind, aber nicht auf Vertrauensarbeitszeit setzen.
Die Ergebnisse zeigen, dass es tatsächlich eine Innovationsrendite der Vertrauensarbeitszeit gibt: Rund 12 bis 15 Prozent der Firmen in der Untersuchung haben Vertrauensarbeitszeit eingeführt, und diese haben anschließend mit größerer Wahrscheinlichkeit Produkt- oder Prozessinnovationen umgesetzt als die Firmen der Kontrollgruppe.
Die Einführung von Vertrauensarbeitszeit hat die Wahrscheinlichkeit für Produktinnovationen um 9 bis 14 Prozent gesteigert. Dieses Ergebnis gilt sogar, wenn man zusätzlich noch ein anderes Instrument flexibler Arbeitszeit berücksichtigt, nämlich Arbeitszeitkonten.
Die positive Beziehung zwischen der Einführung von Vertrauensarbeitszeit und der Innovationshäufigkeit scheint daher tatsächlich durch die Übertragung von Eigenverantwortung an die Arbeitnehmer über ihre eigene Arbeitszeit getragen zu werden, und nicht einfach durch die Erhöhung der Arbeitszeitflexibilität. Unterm Strich zeigt diese Forschung, dass flexible Vertrauensarbeitszeitmodelle eine Firma leistungsstärker machen.
Diesem positiven Ergebnis stehen Bedenken hinsichtlich der Vertrauensarbeitszeit gegenüber: Verwischt sie die Trennung zwischen Berufs- und Privatleben? Gerade wenn Telearbeit zunimmt, die auch noch mit einer umfassenden Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit des Arbeitnehmers über E-Mails oder Smartphone verbunden ist, wird da Problem immanent. Eine Reihe soziologischer und medizinischer Untersuchungen beschäftigt sich damit, den Einfluss dieser Arbeitspraktiken auf die Arbeitnehmer zu erfassen.
Dort gibt es Belege, dass Vertrauensarbeitszeitmodelle auf der einen Seite die Work-Life-Balance verbessern und die Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer zumeist erhöhen können, dass sie aber auf der anderen Seite auch zu exzessiver Mehrarbeit führen können, mit negativen Wirkungen für die Gesundheit, wie zum Beispiel Burn-Out, Depression, Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Vertrauensarbeitszeitmodelle können also die Motivation von Arbeitnehmern und damit die Innovationsfreudigkeit einer Firma steigern und gleichzeitig zu größerer Lebenszufriedenheit der Arbeitnehmer beitragen. Eine Einschränkung solcher Modelle durch eine Regulierung wäre kontraproduktiv. Allerdings ist es sinnvoll, bestimmte Sicherungen in den Arbeitszeitmodellen einzubauen, die Gesundheitsrisiken verringern.
Um die Vorteile dagegen zu nutzen und gleichzeitig die Fallen für die Gesundheit der Arbeitnehmer zu vermeiden, ist es wichtig, über eine sorgfältig ausgewogene Gestaltung der Vertrauensarbeitszeit nachzudenken. Man sollte entsprechende Sicherungen gegen Gesundheitsrisiken einbauen, ohne aber die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu gefährden. Freiheit und Verantwortung gehören eben auch in diesem Fall zusammen.
Anmerkung: Dieser Artikel ist eine überarbeitete und gekürzte Version eines Beitrags auf Ökonomenstimme.
Die Arbeitsorganisation hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Digitale Technologien erlauben Arbeitnehmern, ihre Zeit flexibler zu nutzen - um mehr Zeit mit ihren Familien zu verbringen, aber auch, um ihre produktive Arbeitszeit anders einzuteilen als früher.
Das hat zum Aufschwung eines neuen Arbeitszeitmodells, der sogenannten „Vertrauensarbeitszeit" geführt - also der Gewährung weitgehender Freiheit über An- oder Abwesenheit, solange nur ein vorher verabredeter Output erreicht wird.
Dieses Arbeitszeitmodell hat gerade in Deutschland beträchtlich an Bedeutung gewonnen; ungefähr die Hälfte aller Firmen bietet gegenwärtig ein solches Modell an; für knapp 10 Prozent aller Arbeitnehmer gelten Arbeitsverträge mit Vertrauensarbeitszeit.
In Deutschland beispielsweise arbeiteten im Jahr 2010 36 Prozent aller Arbeitnehmer unter der einen oder anderen Variante eines flexiblen Arbeitszeitmodells (Abb. 1) - man beachte aber, dass der Anteil der involvierten Arbeitnehmer immer noch ziemlich gering ist.
Abb. 1: Arbeitszeitmodelle in Deutschland, 2003-2012

Quellen: Statistisches Bundesamt 2012. - IW2013.
Diese Veränderungen der Arbeitsorganisation spiegeln ein verändertes Verständnis der Motive und Antriebskräfte der Menschen wieder. Auch Ökonomen erkennen inzwischen an, dass Arbeitnehmer nicht nur auf materielle Anreize reagieren. Insbesondere reicht es für einen Arbeitgeber nicht aus, mit einem Bonusscheck zu winken, wenn es darum geht die Kreativität seiner Mitarbeiter zu steigern.
Vielmehr führt eine starke intrinsische Motivation dazu, dass sich Arbeitskräfte mit ihrer Arbeit identifizieren und ihre Energien mobilisieren, um Produkte zu erfinden, zu verbessern, zu vermarkten. Die Frage ist, wie Firmen ein Arbeitsumfeld schaffen können, das solch tief sitzende Motivationskräfte freisetzt, und da könnte Vertrauen als ein wesentlicher Faktor ins Spiel kommen.
Vertrauensarbeitszeit kann damit ein wichtiges Element einer Personalentwicklung sein, die auf Kreativitätssteigerung setzt. Einige neuere Untersuchungen, unter anderem aus der Psychologie und der Betriebs- und Organisationswissenschaft, deuten auf solche Zusammenhänge hin.
Eine von Olivier Godart, Holger Görg und mir durchgeführte Studie hat Daten für mehr als 5000 deutsche Unternehmen ausgewertet, um zu untersuchen, ob die Einführung von Vertrauensarbeitszeit die Innovationskraft einer Firma steigert.
Die Analyse nutzt Informationen für zwei Kohorten von Firmen, die Vertrauensarbeitszeit in den Jahren 2008, bzw. 2010 eingeführt haben, und vergleicht die nachfolgende Innovationsleistung mit derjenigen einer Kontrollgruppe von Firmen, die den ersteren ähnlich sind, aber nicht auf Vertrauensarbeitszeit setzen.
Die Ergebnisse zeigen, dass es tatsächlich eine Innovationsrendite der Vertrauensarbeitszeit gibt: Rund 12 bis 15 Prozent der Firmen in der Untersuchung haben Vertrauensarbeitszeit eingeführt, und diese haben anschließend mit größerer Wahrscheinlichkeit Produkt- oder Prozessinnovationen umgesetzt als die Firmen der Kontrollgruppe.
Die Einführung von Vertrauensarbeitszeit hat die Wahrscheinlichkeit für Produktinnovationen um 9 bis 14 Prozent gesteigert. Dieses Ergebnis gilt sogar, wenn man zusätzlich noch ein anderes Instrument flexibler Arbeitszeit berücksichtigt, nämlich Arbeitszeitkonten.
Die positive Beziehung zwischen der Einführung von Vertrauensarbeitszeit und der Innovationshäufigkeit scheint daher tatsächlich durch die Übertragung von Eigenverantwortung an die Arbeitnehmer über ihre eigene Arbeitszeit getragen zu werden, und nicht einfach durch die Erhöhung der Arbeitszeitflexibilität. Unterm Strich zeigt diese Forschung, dass flexible Vertrauensarbeitszeitmodelle eine Firma leistungsstärker machen.
Diesem positiven Ergebnis stehen Bedenken hinsichtlich der Vertrauensarbeitszeit gegenüber: Verwischt sie die Trennung zwischen Berufs- und Privatleben? Gerade wenn Telearbeit zunimmt, die auch noch mit einer umfassenden Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit des Arbeitnehmers über E-Mails oder Smartphone verbunden ist, wird da Problem immanent. Eine Reihe soziologischer und medizinischer Untersuchungen beschäftigt sich damit, den Einfluss dieser Arbeitspraktiken auf die Arbeitnehmer zu erfassen.
Dort gibt es Belege, dass Vertrauensarbeitszeitmodelle auf der einen Seite die Work-Life-Balance verbessern und die Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer zumeist erhöhen können, dass sie aber auf der anderen Seite auch zu exzessiver Mehrarbeit führen können, mit negativen Wirkungen für die Gesundheit, wie zum Beispiel Burn-Out, Depression, Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Vertrauensarbeitszeitmodelle können also die Motivation von Arbeitnehmern und damit die Innovationsfreudigkeit einer Firma steigern und gleichzeitig zu größerer Lebenszufriedenheit der Arbeitnehmer beitragen. Eine Einschränkung solcher Modelle durch eine Regulierung wäre kontraproduktiv. Allerdings ist es sinnvoll, bestimmte Sicherungen in den Arbeitszeitmodellen einzubauen, die Gesundheitsrisiken verringern.
Um die Vorteile dagegen zu nutzen und gleichzeitig die Fallen für die Gesundheit der Arbeitnehmer zu vermeiden, ist es wichtig, über eine sorgfältig ausgewogene Gestaltung der Vertrauensarbeitszeit nachzudenken. Man sollte entsprechende Sicherungen gegen Gesundheitsrisiken einbauen, ohne aber die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu gefährden. Freiheit und Verantwortung gehören eben auch in diesem Fall zusammen.
Anmerkung: Dieser Artikel ist eine überarbeitete und gekürzte Version eines Beitrags auf Ökonomenstimme.