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Eizellen einfrieren? Facebook bietet nur an, was Frauen wollen

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Letzte Woche schockte die Technikbranche ganz Nordamerika. Der Auslöser war nicht etwa eine App, die weiß, wann das Toilettenpapier zu Ende geht, oder ein iPhone, das auch als Bügeleisen dienen kann. Die schockierende Nachricht: Facebook übernimmt ab jetzt bis zu 20.000 Dollar der Kosten für das Einfrieren von Eizellen. Eine Idee, die Apple ab Januar auch annehmen wird.

Über Nacht wurde die Heimat der Technikfreaks zum Zentrum einer erbitterten Debatte über die weibliche Selbstbestimmung bei der Fortpflanzung.

Manche sind der Meinung, dass man das Geld besser zur Unterstützung berufstätiger Mütter verwenden sollte, zum Beispiel für betriebliche Kinderbetreuung.

Andere sagen: Beschwert euch nicht, schließlich bieten beide Firmen damit ein Familienprogramm an, das sie in einem Land, in dem bezahlte Elternzeit nicht verpflichtend ist, zu Vorreitern macht. Die lauteste und gleichzeitig lächerlichste Kritik kommt aber von jenen, die den Vorschlag als Big-Brother-mäßigen Versuch sehen, Frauen möglichst viel Geld erwirtschaften zu lassen, bevor sie schwanger werden. Profit statt Placenta.

Natürlich werden die Frauen, die von dem Angebot Gebrauch machen, länger arbeiten, bevor sie Mütter werden. Doch viele Frauen haben schon lange bevor es solche Programme gab entschieden, dass sie - wenn überhaupt - erst spät Kinder haben wollen. Facebook und Apple sind vielleicht führend, wenn es um zielgruppengerechtes Marketing und schlankes Design geht, aber in Sachen „späte Schwangerschaften" folgen beide Unternehmen einfach einem langjährigen Trend.

Die Zahl der Schwangeren zwischen 35 und 39 Jahren ist seit den 1970ern um 150 Prozent gestiegen. Tatsächlich war 2011 nur bei Frauen zwischen 35 und 44 überhaupt ein Anstieg der Geburtenrate zu verzeichnen.

Frauen bekommen nicht nur später Kinder, sie bekommen auch weniger Kinder. Offizielle Statistiken belegen, dass die Geburtenrate in Kanada drei Jahre in Folge zurückgegangen ist und Frauen nun mehr nur noch durchschnittlich 1,61 Kinder auf die Welt bringen. Zwanzig Prozent aller Frauen in der mittleren Altersgruppe haben keine Kinder.

Auch Ihnen ist vermutlich aufgefallen, dass sich die Einstellung junger Frauen zum Thema Heirat und Kinder geändert hat. Wenn meine Freundinnen und ich uns durch Facebook klicken, sind es nicht mehr die Hochzeitsfotos im Wald oder die properen Babys mit Sabber auf der Wange, die uns neidisch machen - es sind die Status-Updates zu Beförderungen oder Buchverträgen, die uns seufzen lassen: „Die ewigen Blogerinnen ohne Buchvertrag".

Natürlich ist nicht für alle berufstätigen Frauen Ende 20 die Karriere wichtiger als Kinder, aber immer mehr junge Frauen wollen primär, dass ihre Arbeit ihnen Spaß macht (man muss sich nur die Millionen Artikel über die verzogenen Gören der Generation Y ansehen, die doch tatsächlich - man glaubt es kaum - einen Job suchen, der sie ausfüllt). Und dafür braucht man sehr viel Energie.

Man könnte sagen, dass wir alle rund um die Uhr im Hamsterrad gefangen sind, aber es sind nicht nur berufliche Ambitionen, die einer Schwangerschaft im Weg stehen. Eine Studie des Leeds Centre for Reproductive Medicine hat herausgefunden, dass die meisten Frauen über 30 ihre Eizellen einfrieren lassen, weil sie gerade nicht in einer festen Beziehung sind. Viele andere wollen aus finanziellen Gründen erst später Mütter werden. Manche fühlen sich einfach noch nicht bereit dafür.

Wer seine Eizellen einfriert, muss sich keine Sorgen mehr darüber machen, dass die eigene Fruchtbarkeit nun mal zeitlich begrenzt ist. Aus diesem Grund haben Frauen von dieser Möglichkeit schon reichlich Gebrauch gemacht, bevor Facebook sie als kostenlose Zusatzleistung angeboten hat.

Skeptiker weisen auf die vielen Nachteile hin: Die Methode ist teuer (mindestens 10.000 Dollar), unzuverlässig (kaum 50 Prozent der Frauen, die ihre Eizellen vor dem 35 Lebensjahr einfrieren lassen, werden später schwanger) und unangenehm (es sind Hormonspritzen nötig, die starke Blähungen verursachen können).

Dennoch hat sich die Nachfrage nach der Methode in den letzten vier Jahren vervierfacht, sagt Dr. Alan Copperman, Leiter der Abteilung für Reproduktionsendokrinologie am Mount Sinai Hospital.

In Kanada bieten 80 Prozent aller Kliniken für künstliche Befruchtung eine Möglichkeit an, Eizellen einzufrieren. Und es sind nicht nur alleinstehende ältere Frauen, die sich dafür melden.

Diese machen zwar momentan noch den Großteil der Kundschaft aus, aber das wird sich ändern, wenn die Technologie sich etabliert hat (erst seit 2012 gilt das Einfrieren von Eizellen nicht mehr als „experimentelle Methode").

Copperman sagte dem „Guardian", dass es viele Mütter gebe, die für ihre ambitionierten Töchter die Kosten der Prozedur übernehmen. Die Option, die eigenen Eizellen einfrieren zu lassen, ist aber auch für eine andere, stetig wachsende Gruppe von Frauen attraktiv, die vielleicht nie in den Genuss von besserer Kinderbetreuung oder bezahlter Elternzeit kommen wird: die Unentschlossenen.

Das neue Angebot von Facebook soll angeblich vor allem dazu dienen, mehr Mitarbeiterinnen für das Unternehmen zu gewinnen (es sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass Facebook bereits verschiedene Programme für Mütter anbietet, zum Beispiel bezahlte Elternzeit, finanzielle Unterstützung bei der Kinderbetreuung, 4.000 Dollar "Baby Cash" für junge Eltern und Wickelräume).

Für karriereorientierte Frauen erscheint die Möglichkeit, Eizellen einfrieren zu lassen, attraktiver als andere Optionen, die sich deutlich an berufstätige Frauen richten. Warum? Sie sind unsicher, was dieses ganze Baby-Thema angeht. „Viele Frauen schieben das Thema nicht auf, sie wägen es gründlich ab", schrieb Ann Friedman im „New York Magazine".

„Für diese Frauen sind Kinder keine zwangsläufige Notwendigkeit, die sich durch die Suche nach dem richtigen Partner nur etwas verschiebt. Sie wissen ganz einfach wirklich nicht, ob sie Kinder haben möchten oder nicht. Nicht jetzt, nicht irgendwann später, sondern überhaupt."

Tatsächlich ist rund ein Viertel der Generation Y nicht sicher, ob sie einmal Kinder haben möchten. Das Einfrieren von Eizellen ist für Frauen wie mich durchaus attraktiv: Frauen, die zwar den abstrakten Gedanken Kinder zu haben, gut finden, aber nicht sofort anfangen wollen, Windeln zu wechseln.

Man muss es nicht gut finden, wenn Frauen sich entscheiden, erst spät Kinder zu bekommen. Doch die Zahl der späten Mütter wird weiter steigen. Ein Firmenangebot zum Einfrieren der Eizellen unterstützt dieser Frauen einfach nur in ihrer Entscheidung. Das sollte als Sieg für die Rechte der Frauen gefeiert und nicht verurteilt werden. Facebook und Apple sind keine Puppenspieler, die die Strippen der weiblichen Fruchtbarkeit ziehen wollen. Die beiden Unternehmen folgen einfach nur unseren Wünschen.

*Dieser Artikel erschien bereits im Ottawa Citizen.

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